Wirtschaft

Pumpensystem im Wasserwerk Nürnberg-Erlenstegen. (Foto: dpa)

21.06.2013

Freihängige Vergabe weiter möglich

Wasserversorgung bleibt in kommunaler Hand

Der französische EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier wird den Trinkwasserbereich nicht aus dem heftig umstrittenen Konzessionsvergabe-Richtlinien-Vorschlag vom Dezember 2011 herausnehmen. Er hat aber unter dem Druck von rund 1,5 Millionen Bürgerunterschriften aus acht EU-Ländern (vor allem aus Deutschland und Österreich) gegen befürchtete Privatisierungen der Trinkwasserversorgung Zugeständnisse gemacht.
Der bayerische Städtetag hatte im Februar in Nürnberg vor der Richtlinie „als Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür“ gewarnt und forderte die Wasserversorgung aus der Vorschrift herauszunehmen. Auch der fränkische Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) war dafür – nun ohne Erfolg. Barniers Sprecherin bestätigte der Staatszeitung, dass die Verhandlungen zwischen Rat, EU-Parlament und EU-Kommission kurz vor dem Abschluss stehen. Man sei in der Trinkwasserfrage vorangekommen und sie rechne mit einer Annahme der Richtlinie in der nächsten oder übernächsten Woche.
Die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EU-Ministerrat hätten sich im so genannten Trilog-Verfahren bezüglich der Wasserversorgung schon auf einen Kompromiss geeinigt, heißt es in Brüsseler Diplomatenkreisen. Die Richtlinie soll die Vergabe von Konzessionen in der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie von Postdiensten und Abfallentsorgung (Daseinsvorsorge) regeln. Bei Wasser geht es nicht nur um die Trinkwasserversorgung, sondern auch um die Abwasserbeseitigung oder -behandlung.
Sturm im Wasserglas
Und so sieht der noch nicht offizielle Kompromiss aus: Einige Stadtwerke können bis 2020 von einer Sonderregel profitieren, das heißt, müssen Aufträge nicht im EU-Amtsblatt ausschreiben, sondern können sie weiterhin „freihändig“, um nicht zu sagen „unter der Hand“ vergeben. Das betrifft aber nur einen Bruchteil der Stadtwerke in Bayern und Deutschland. Das sind so genannte Mehrspartenunternehmen, zum Beispiel Stadtwerke, die nicht nur die Wasserversorgung, sondern auch die Energieversorgung übernehmen. Bedingung: Sie müssen ihre Wassersparte bis 2020 vom restlichen Geschäft getrennt haben und diese auf die eigene Kommune konzentrieren.
Betroffen von der Richtlinie sind aber knapp ein Drittel der 900 vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertretenen Wasserversorger. Vom VKU gibt es indes keine Stellungnahme dazu. Offensichtlich handelt es sich um einen Sturm im Wasserglas, ausgelöst durch ungeschickte Öffentlichkeitsarbeit der EU-Kommission und die Angstkampagne der Bürgerinitiativen. Denn der von den Bürgerinitiativen verteufelte EU-Kommissar Barnier will nach eigenem Bekunden gar keine Privatisierung der Wasserversorgung und sei missverstanden worden. Er sei dafür, die Wasserversorgung in öffentlicher Hand zu behalten, sagte er in mehreren Interviews vor der Presse. Er könne sogar die Petition der Bürgerinitiative „Right 2 Water“ unterschreiben mit Ausnahme eines Satzes. Dort steht, die Wasserversorgung dürfe nicht den Regeln des Binnenmarkts unterworfen werden. Er wolle doch nur Günstlingswirtschaft und Korruption bei der Vergabe von Konzessionen durch Städte und Gemeinden eindämmen.
Tatsächlich ist in seinem 2011 präsentierten Vorschlag nie von Privatisierung die Rede. Das hätte auch dem EU-Recht (einem Protokoll zum Lissaboner Vertrag) widersprochen, welches besagt, dass Gemeinden Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in Eigenregie erbringen können. Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) war damals mit Nachdruck für das Protokoll eingetreten. Sonst hätte Deutschland den Lissaboner Vertrag nicht unterschrieben.
Eigentlich geht es in der Richtlinie nur darum, sicherzustellen, dass die Gemeinden Dienstleistungskonzessionen der Daseinsvorsorge in der gesamtem EU nach einem einheitlichen und transparenten Verfahren vergeben – wenn sie diese nicht selbst erbringen wollen. Also nur, wenn sich die Kommunen entscheiden, die Wasserversorgung oder andere Daseinsvorsorgeleistungen an private Konzerne oder teilweise privatisierte Stadtwerke zu vergeben, dann greift die Richtlinie.
Auf dem Deutschen Städtetag Mitte April in Frankfurt, versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel, die Privatisierung von Wasserwerken verhindern zu wollen: „ Über das Wasser wollen wir uns mit dem Deutschen Städtetag nicht anlegen. Das ist ein Elementargut.“ Sie werde intensiv für das Wasser kämpfen und in enger Abstimmung mit der irischen Ratspräsidentschaft dafür sorgen, dass „da nichts passiert, was Sie auf die Barrikaden bringt“. Offensichtlich haben Städte und Kommunen nicht überzeugt. Der Richtlinienvorschlag muss höchstwahrscheinlich nur noch offiziell im Plenum des Europaparlaments und im Ministerrat abgesegnet werden. (Rainer Lütkehus)

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