Wirtschaft

Der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (r.) und Rüdiger Grube, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, bei der Abschlussveranstaltung Konjunkturprogramm DB im Hauptbahnhof Nürnberg. Die Deutsche Bahn stellte eine Bilanz ihrer Verbesserungen auf Bahnhöfen und Regionalstrecken vor. Die Bundesregierung hatte dafür in den vergangenen drei Jahren rund 1,4 Milliarden Euro aus Mitteln des Konjunkturprogramms bereitgestellt. (Foto: dpa)

03.02.2012

Frischzellenkur für deutsche Bahnhöfe

Bahnreisende sollen es nicht nur bequemer haben, sondern auch besser informiert werden – doch Kritikern reicht das nicht

Bessere Optik, mehr Information für die Reisenden und ein Ausbau des Netzes: Die Deutsche Bahn hat in den vergangenen drei Jahren knapp die Hälfte ihrer Bahnhöfe modernisiert und neue Strecken für schnellere Verbindungen gebaut. Die Bundesregierung hatte dafür rund 1,4 Milliarden Euro aus Mitteln des Konjunkturprogramms bereitgestellt, weitere 100 Millionen Euro investierte das Unternehmen aus eigener Tasche.
„Das Ergebnis des Konjunkturprogramms ist ein Gewinn für alle Bahnkunden“, sagte Bahnchef Rüdiger Grube zum offiziellen Abschluss der Maßnahmen am Nürnberger Hauptbahnhof. „Sechs Millionen Reisende profitieren täglich davon.“ Doch es gibt auch Kritik: Dem Fahrgastverband Pro Bahn gehen die Maßnahmen nicht weit genug.
2100 der rund 5400 Personenbahnhöfe haben laut Bahn eine Art Frischzellenkur erhalten. Die meisten davon wurden mit digitalen Anzeigetafeln ausgestattet, andere bekamen neue Wetterschutzhäuschen – oder wurden behindertengerecht umgebaut. Allein in neue Aufzüge, Rampen und Rolltreppen flossen 55,7 Millionen Euro. Zudem wurden zahlreiche Empfangsgebäude energetisch saniert und besser gedämmt oder denkmalgerecht renoviert – zum Beispiel an den Hauptbahnhöfen Osnabrück, Dessau, Eisenach, Worms, Rosenheim und Konstanz.
Die meisten Stationen wurden in Baden-Württemberg (368) und Nordrhein-Westfalen (359) saniert, gefolgt von Bayern (250) und Hessen (223). Schlusslicht ist Bremen mit neun Bahnhöfen.
Von den Verbesserungen profitieren den Angaben zufolge vor allem Reisende in ländlichen Gebieten. „Ein besonderer Schwerpunkt des Konjunkturprogramms lag auf der Modernisierung kleiner und mittlerer Bahnhöfe“, sagte Grube.
Neben mehr Komfort sollen Fahrgästen hier auch bessere Anbindungen zugutekommen. In neue Schienennetze und schnellere Verbindungen investierte der Bund 960 Millionen Euro. Reisende von Berlin nach Görlitz sind jetzt beispielsweise rund 100 Stundenkilometer schneller unterwegs.
„Es gibt noch viel zu tun“
Rund 650 Millionen Euro flossen nach Angaben von Bahn und Ministerium in laufende Bauprojekte. Das kam vor allem den Strecken Nürnberg-Erfurt, Karlsruhe-Basel, Mainz-Mannheim, Berlin-Görlitz, die Anbindung des Flughafens Berlin Brandenburg und der Mitte-Deutschland-Verbindung zugute. Jeweils rund 115 Millionen Euro seien in bestehende Strecken des Regionalverkehrs und Stellwerke investiert worden.
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wertete das Konjunkturprogramm als Erfolg, räumte aber ein: „Es ist noch viel zu tun.“ 2100 modernere Bahnhöfe in Deutschland seien zwar ein Fortschritt. „Aber es ist noch nicht einmal die Hälfte.“ Bis 2015 stellt der Bund eine Milliarde Euro zusätzlich für Verbesserungen im Schienenverkehr bereit.
Kritikern gehen die Veränderungen noch nicht weit genug: „Das Konjunkturprogramm hat schon deutliche Fortschritte gebracht“, sagte der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. „Aber es reicht nicht aus, den Bahnsteig schöner zu machen und ein paar Sitzplätze hinzustellen.“ Künftig müssten auch das Bahnhofsgebäude und der Vorplatz besser instand gehalten werden.
Bahnchef Grube kündigte für die kommenden Jahre weitere Verbesserungen an. „Bis 2014 erhalten fast alle Bahnhöfe einen Wetterschutz“, sagte er. Reisende könnten sich bis 2015 zudem an 2500 weiteren Bahnhöfen über digitale Schriftanzeigen informieren. „Es muss jetzt weitergehen“, sagte Grube. „Die Bahnhöfe sind das Tor zur Bahn, deshalb wollen wir die Attraktivität der Bahnhöfe weiter verbessern.“
Damit das ökologische Verkehrsmittel aber noch mehr Nutzer findet, muss laut Pro Bahn-Chef Naumann noch mehr geschehen. „Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Engagement für die Bahn“, sagt er der Staatszeitung. Er fordert einen „Deutschlandtakt“, sprich ein ganzheitliches Konzept für die Entwicklung der Schienenverbindungen in der Bundesrepublik.
„Die Schweizer haben so etwas Ende der 1980er Jahre unter dem Titel Bahn 2000 gemacht. Gut sie waren dann erst 2003 fertig, aber man hat einen sinnvollen Plan umgesetzt“, so Naumann. In Deutschland sei man von so einem Gesamtkonzept noch weit entfernt. „Hierzulande wird gebaut, wenn irgendein Landespolitiker eine Strecke haben will“, moniert der Pro Bahn-Chef. Für ihn ist es rational nicht nachvollziehbar, weshalb die ICE-Neubaustrecke von Nürnberg nach Berlin in einer langen Linkskurve über Erfurt führt. Der Großraum Halle-Leipzig mit seiner wesentlich höheren Bevölkerungsdichte werde komplett abgehängt, nur weil Thüringens Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) darauf bestand, dass die neue Strecke über Erfurt führt. „Auch die wichtige Universitätsstadt Jena bleibt so auf der Strecke. Wenn Wissenschaftler von Berlin dorthin müssen, werden sie wohl den Pkw benutzen. Denn sie sind nicht bereit bis Erfurt mit dem ICE zu fahren, um dann im Regionalzug bis Jena zu bummeln“, so Naumann.
Nadelöhr München
Mehr Orientierung an den realen Bedürfnissen fordert er auch beim Güterverkehr. Der so genannte Ostkorridor vom Hamburger Güterumschlagbahnhof Maschen über Magdeburg und Hof nach Regensburg sei nicht wirklich durchdacht. „Jeder weiß, dass der Brennerbasistunnel kommen wird und dass die Güter von und nach Italien dort transportiert werden. Doch der Ostkorridor endet in Regensburg. Von dort müssen die Güterzüge über den hochfrequentierten Bahnknoten München zum Brenner geleitet werden“, so Naumann. Er fordert eine Erweiterung des Ostkorridors über Landshut und Mühldorf nach Rosenheim. „Dann hat man das Nadelöhr München umfahren. Doch zurzeit ist diese Strecke nur eingleisig und nicht elektrifiziert.
Auch das diese Woche begangene Jubiläum 150 Jahre Bayerisch-Böhmische-Eisenbahn beleuchtet Naumann kritisch. Die Strecke über Furth im Wald sei eingleisig und deshalb dauere die Fahrt von München nach Prag über sechs Stunden. „Wenn man statt prestigeträchtiger Neubaustrecken mehr Geld für den punktuellen Ausbau investieren würde, wäre dem deutschen Eisenbahnsystem wesentlich mehr geholfen. Hier und da zwei Gleise mehr, ein paar Kurvenbegradigungen und Elektrifizierungen würden schon genügen“, meint Naumann. Anstatt sich auf eine finanzierbare Strecke festzulegen, jammere man in Bayern, dass das Geld für die Schienenverbindung in die Tschechische Republik nicht reiche. „Ja Schirnding und Furth sind eben derzeit nicht machbar. Dann muss man sich entscheiden.“ Aber dass man über 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf der Schiene noch kein Stückchen vorangekommen ist, hält er für einen Skandal.
Damit in Deutschland die Verkehrsinfrastruktur den Mobilitätsbedürfnissen und Verkehrsprognosen gerecht wird, werden laut Bundesverkehrsminister Ramsauer jährlich 4 Milliarden Euro mehr investiert. „Eine Milliarde mehr in die Schiene, eine halbe Milliarde mehr in die Wasserstraßen und 2,5 Milliarden mehr in die Straße“, sagt er zur Staatszeitung. Allein die ein Viertel der Brückenfläche der 38.500 Brücken des knapp 53 000 Kilometer umfassenden Bundesfernstraßennetzes müssten dringend saniert werden. Dafür seien in den kommenden fünf Jahren 6,8 Milliarden Euro nötig. Aber mit dem jetzigen Jahresetat von 700 000 Euro könne man den Investitionsstau schon gut abarbeiten. „Mehr Aufträge könnten wir pro Jahr gar nicht vergeben, da Brücken komplizierte Ingenieurbauwerke sind und es auf dem Markt gar nicht so viele Fachleute gibt“, so Ramsauer.
Doch für Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V, sind die Summen viel zu gering. Er fordert: Für den Straßenbau brauchen wir jährlich 7,5 statt 5 Milliarden Euro, für das Schienennetz 5 statt bisher 4 Milliarden Euro und für Wasserstraßen 1,5 statt einer Milliarde Euro.“ (rs, dpa, ibw)

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