Wirtschaft

Wer sich die Wohnung im Alter nicht mehr leisten kann, ist oft gezwungen, den Ort zu wechseln. (Foto: Roland Holschneider, dpa)

14.01.2019

Für viele Senioren wird es eng

Weniger Rente, weiter steigende Mieten, kein Geld für altersgerechte Umbauten. Experten sehen eine neue soziale Frage in Deutschland: die "graue Wohnungsnot"

Eine altersgerechte und bezahlbare Wohnung finden - das könnte bald für Millionen Rentner zum Problem werden: Darin sind sich Wirtschaftsforscher, Sozialexperten und die Bauwirtschaft einig. Denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen demnächst in Rente. "Eine ganze Generation mit deutlich niedrigeren Renten trifft dann auf steigende Wohnkosten", sagte Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover. "Deutschland steuert sehenden Auges auf die "Graue Wohnungsnot" zu".

"Nur fünf Prozent aller Älteren leben in altersgerechten Wohnungen", sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, der Deutschen Presse-Agentur. Schon heute sei es für viele Rentner schwer, steigende Mieten zu zahlen. "Schon jetzt ist die Hälfte der 592 000 Wohngeldbezieher älter als 65."

Die Zahl der Senioren wird aber von heute knapp 18 Millionen bis zum Jahr 2040 auf etwa 24 Millionen steigen - und diese werden von deutlich weniger Rente leben müssen, wie das Pestel-Institut in seiner am Montag veröffentlichten Studie vorrechnet. Der Anteil der Senioren, die ergänzende Grundsicherung zum Lebensunterhalt brauchen, dürfte von heute 3 Prozent auf über 25 Prozent steigen. Kurz: Jedem vierten Rentner droht Altersarmut.

Ein Senior wohnt heute im Durchschnitt auf 59 Quadratmetern, ein durschnittlicher Bundesbürger auf 46 Quadratmetern. Dabei geht es in den Städten eng zu: Jeder neunte Einwohner dort lebe in einer überbelegten Wohnung, teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Überbelegt heißt zum Beispiel, dass sich drei Kinder ein Kinderzimmer teilen oder Eltern das Wohnzimmer auch als Schlafzimmer nutzen.

Findet sich oft nicht: eine kleinere Wohnung für eine niedrigere Miete

Viele Senioren aber bleiben weiter in der vertrauten Wohnung, auch wenn die Kinder ausgezogen sind und der Partner verstorben ist. Gerade in Groß- und Universitätsstädten aber seien sie es, die "am stärksten unter Mietsteigerungen ächzen", sagte Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Eine einfache Lösung scheint also der Umzug in eine kleinere Wohnung zu sein.

Nur, wohin umziehen? Oft scheitert das an den Mietkosten. "In der Regel finden sie keine kleinere Wohnung für eine niedrigere Miete", sagte Günther. "Und wer sich seine bisherige Mietwohnung nicht mehr leisten kann, wird gerade in den teuren Städten häufig gezwungen sein, nicht nur die Wohnung zu wechseln, sondern mit der Wohnung auch den Wohnort."

Mit einzelnen Projekten und Hilfen versuchten kommunale, private und genossenschaftliche Wohnungsträger, Rentnern einen Umzug im Ort schmackhaft zu machen - in Elbgemeinden, in Berlin, in Nordrhein-Westfalen. Wichtig sei, dass die kleinere Wohnung tatsächlich günstiger ist, sagte Ropertz. Aber "das Echo ist sehr zögerlich". Denn alte Menschen "hängen oft an der Wohnung, in der sie Jahrzehnte gelebt haben, an der Umgebung, wo sie verankert sind".

Eine andere Lösung sehen die Wirtschaftsforscher vom Pestel-Institut in Wohngemeinschaften, um sich die Kosten zu teilen. Auch für Ropertz eine Möglichkeit: "Aber viele scheuen sich, fremde Menschen in der Wohnung aufzunehmen."

Ebenfalls ein Problem: Ein altergerechte Umbau ist teuer

Nicht nur die Miete, sondern auch ein altersgerechter Umbau der Wohnung wird für eine wachsende Zahl von Rentnern kaum bezahlbar sein. Zahlt der Vermieter, kann er die Kosten als Modernisierung auf die Miete umlegen. Ein Aufzug im Haus kann da teuer werden.

Im Schnitt 16 000 Euro kostet es, eine Wohnung barrierearm umzubauen, heißt es in der Pestel-Studie. Wenn die Senioren dann weniger unfallgefährdet wohnen und länger zuhause leben können, mache sich das aber rasch auch für die Gesellschaft bezahlt: Ein Platz im Pflegeheim koste pro Jahr 8500 Euro mehr als eine ambulante Pflege.

Bundesweit müssten bis 2030 drei Millionen Wohnungen zusätzlich altersgerecht neu oder umgebaut werden, sagte Günther. Das koste 50 Milliarden Euro. Mit staatlichen Zuschüssen von 6 Milliarden Euro ließe sich das stemmen.

Vdk, Mieterbund und Bauwirtschaft stoßen hier ins gleiche Horn. "Mehr öffentliche Förderung für altersgerechte Wohnungen ist alternativlos", sagte Ropertz. "Das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Aber die Politik sei zögerlich.

Der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, der die Studie in Auftrag gab und sie mit Günther auf der BAU-Messe in München vorstellte, hofft auf Aufträge. VdK-Präsidentin Bentele fordert von der Bundesregierung, die Fördermittel für sozialen Wohnungsbau drastisch zu erhöhen und "mit Auflagen zum Um- und Neubau von barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum" zu verbinden.
(Roland Losch, dpa)

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