Wirtschaft

VBEW-Chef Klaus Steiner (links) und BN-Landeschef Richard Mergner wollen die Energiewende in Bayern voranbringen. (Foto: Schweinfurth)

21.02.2020

"Gegenseitiges Fingerpointing hintanstellen"

Die Chefs vom Bund Naturschutz in Bayern und vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft erklären, wie sie gemeinsam die Energiewende voranbringen wollen

Damit die Energiewende Fahrt aufnimmt, wollen jetzt der Bund Naturschutz in Bayern (BN) und der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) zusammenarbeiten. Wir sprachen mit BN-Landeschef Richard Mergner und VBEW-Chef Klaus Steiner.

BSZ: Herr Mergner, Ökostromerzeugung müsste doch im Interesse des BN sein. Oft gibt es aber Zielkonflikte. Wie geht man damit um?
Richard Mergner: Wir stehen hinter dem Atom- und Kohleausstieg. Bayern muss zu 100 Prozent erneuerbar werden. Meine große Sorge ist, dass die fossile Energiewirtschaft die regenerative Energieerzeugung jahrelang schlechtgeredet und ein Zerrbild der Energiewende geschaffen hat. Dadurch wurden die Konflikte, die wir jetzt haben, erst geschürt. Aber konkret: Wir brauchen in Bayern eine Verdoppelung der Erzeugungsleistung bei Windkraft und eine Vervierfachung der Photovoltaikleistung.

BSZ: Windräder sind mit dem BN zu machen, wo die doch Vögel schreddern?
Mergner: Wenn man das nach Plan macht und am richtigen Standort – kein Problem. Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer hat doch die Windkraft mit seiner 10H-Regelung in Misskredit gebracht und nicht wir vom BN. Durch Seehofer und dann leider auch Markus Söder wurde eine partielle Antistimmung aufgebaut. Wir sind dafür, Zielkonflikte transparent zu machen, um sie dann lösen zu können.

BSZ: Ein Beispiel?
Mergner: Windkraft im Wald zum Beispiel. Das macht für uns nur Sinn, wenn es außen keine Flächen gibt und wertvolle Gebiete sowie Mischwälder außen vor bleiben.

Größtmögliche Akzeptanz schaffen

BSZ: Herr Steiner, wo sehen Sie Zielkonflikte?
Klaus Steiner: Unser gemeinsames Ziel ist, größtmögliche Akzeptanz für die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen zu schaffen. Bis 2050 müssen die erneuerbaren Energien im Sinne des Klima- und Naturschutzes weitestgehend ausgebaut sein. Darum wollen wir uns jetzt mit dem BN in einen kreativen Lösungsprozess begeben und Gos sowie No-Gos im Hinblick auf unsere jeweiligen Positionen für unsere Mitglieder transparent und nachvollziehbar darstellen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass auch unsere künftige Energieversorgung bezahlbar und sicher sein muss.

BSZ: Machen wir doch die Konflikte sichtbar. Bei der Wasserkraft dürfte zwischen BN und VBEW Dissens bestehen.
Mergner: Die Wasserkraft in Bayern ist weitestgehend erschlossen. 90 Prozent der großen Flüsse sind verbaut. Darum kann man nur bei bestehenden Anlagen an Donau, Inn und Lech die Effizienz steigern. Wirkungsgrade steigern, Durchgängigkeit für Fische ermöglichen und die Flussökologie optimieren ist durchaus möglich. Die sogenannte Grundlastfähigkeit der Wasserkraft sehe ich allerdings nicht, denn der Klimawandel zerstört diese durch Hoch- oder Niedrigwasser sowie Starkregenereignisse. Zudem ist in der erneuerbaren Welt die Speicherfähigkeit und ein Demand Management viel wichtiger.
Steiner: Da haben wir schon einen Dissens. Denn wir als Anlagenbetreiber sehen die Wasserkraft im Hinblick auf die Prognostizierbarkeit und Verfügbarkeit der elektrischen Leistung durchaus als grundlastfähig an, auch in Zeiten des Klimawandels. Von den 80 Terawattstunden Energieverbrauch pro Jahr im Freistaat kommen derzeit nur 14 Terawattstunden aus Wasserkraft. Das Ausbaupotenzial liegt bei zusätzlichen zwei Terawattstunden. Hierfür könnte man auch bestehende Querbauwerke, die bisher lediglich dem Hochwasserschutz dienen, verwenden.

Wasserkraft differenziert betrachten

BSZ: Also an diesen Bauwerken auch Turbinen zur Stromerzeugung installieren?
Steiner: Ja, denn wir müssen uns entscheiden, wie wir die Stromlücke, die durch das Abschalten der Atomkraftwerke entsteht, schließen wollen. Will sich Bayern bei der Stromversorgung in eine große Importabhängigkeit begeben, oder will es über neue Anlagen selbst Strom erzeugen?
Mergner: Also bei der Wasserkraft muss man das differenziert betrachten. Die Salzach zum Beispiel muss nach unserer Auffassung frei bleiben von Wasserkraftanlagen. Und das geplante Pumpspeicherwerk in Riedl bei Passau macht auch wenig Sinn.

BSZ: Warum?
Mergner: Weil es nur für wenige Stunden Strom liefert, dann ist der Speichersee leergelaufen.

BSZ: Welche Speicher machen dann Sinn?
Mergner: Power-to-Gas- oder Power-to-Heat-Lösungen. Wenn man an Biogasanlagen einen zusätzlichen Motor hängt, kann man das Gas einspeichern und bei Bedarf rückverstromen. So etwas geht auch bei der Windkraft. Die innovativen Stadtwerkwerke Haßfurt oder der mittelfränkische Regionalversorger N-Ergie machen es vor. Überschüssiger Windstrom wird zum Aufheizen von Wasser verwendet, dass in der riesigen, rund 70 Meter hohen „Thermoskanne“ mitten in der Stadt gespeichert wird. Auch via Batterietechnik lässt sich Strom speichern.
Steiner: Wir sollten das gegenseitige Fingerpointing hintanstellen und uns auf Lösungen fokussieren. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will ja die Energiewende mit vielen Kleinanlagen stemmen. Das erfordert aber gewaltige Anstrengungen auch für die Netzbetreiber, zum Beispiel im Hinblick auf das künftige Redispatching. Die Verteilnetzbetreiber müssen Stromangebot und Stromnachfrage nicht mehr nur durch Abschaltung in Einklang bringen, sondern auch innerhalb der jeweiligen Netzebenen Modelle finden, in denen der Ausgleich auf Basis wirtschaftlicher Anreize gelingen kann. Da helfen auch Tagesspeicher in Einzelhaushalten. Aber man wird nicht umhinkommen, die bestehenden Erdgasnetze zu nutzen. Via Methanisierung lässt sich dann Sonnen- oder Windstrom dort einspeichern und bei Bedarf rückverstromen. In fünf Jahren wird es Power-to-X-Anlagen in Serienreife geben. Dann haben wir einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Übrigens lassen sich auch E-Autos lokal als Speicher in das System einbinden.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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