Wirtschaft

Über die Verdichterstation im oberpfälzischen Waidhaus kommt Gas aus Russland nach Bayern. (Foto: dpa/Armin Weigel)

14.01.2022

Es gibt genug Erdgas

Die hohen Preise belasten die Profitabilität der Unternehmen

Die angespannte Lage auf dem Gasmarkt wird für große Verbraucher aus der Industrie immer bedrohlicher. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass in diesem Winter Verträge mit unterbrechbaren Lieferungen gezogen werden“, mahnte diese Woche Timm Kehler, Chef des Branchenverbands Zukunft Gas.

Auch beim Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) sieht man eine angespannte Situation, allerdings mehr wegen der hohen Preise. „Mir ist nicht bekannt, dass Russland seinen Lieferverpflichtungen nicht nachkommt“, sagt VBEW-Geschäftsführer Detlef Fischer. Jedoch seien die für Bayern relevanten Gasspeicher derzeit nur zu 30 Prozent gefüllt.

„Das ist für unsere Versorgungssituation aber nicht ausschließlich entscheidend, da wir eine wesentlich bessere Leitungsinfrastruktur haben als noch vor ein paar Jahren“, erklärt Fischer. Das heißt, man kann aufgrund des besser ausgebauten Fernleitungsnetzes mehr Gas von A nach B bringen, solange es welches gibt.

Bei mildem Winter kein Problem

„Russland liefert nach meinem Kenntnisstand, was vertraglich vereinbart ist, aber auch nicht mehr“, sagt Matthias Jenn, Geschäftsführer des südbayerischen Fernleitungsnetzbetreibers Bayernnets aus München. Zwar habe Präsident Wladimir Putin vor einigen Wochen angekündigt, mehr liefern zu wollen, doch diesen Worten seien bisher keine Taten gefolgt. Das sei auch bislang kein Problem, da der Winter mild verläuft. Sollte sich das ändern und doch noch ein strenger Winter kommen, hält Jenn Versorgungsengpässe durchaus für möglich.

Für VBEW-Geschäftsführer Fischer ist die jetzige Misere hausgemacht: „Man hat in Deutschland mit der Kernenergie und der Kohle wesentliche Primärenergieträger aus dem Energiemix rausgekickt, bevor gleichwertiger Ersatz durch erneuerbare Energien geschaffen wurde. Damit sind wir noch abhängiger vom Erdgas geworden. Und dummerweise ist aus ähnlichen Gründen jetzt auch noch die weltweite Gasnachfrage hoch.“ Steigende Gaspreise seien die logische Folge. „Wie blöd sind wir denn mittlerweile geworden, alles kaputt zu machen, nichts tragfähiges aufzubauen und jetzt auch noch darauf zu vertrauen, dass uns ab übermorgen irgendjemand billigen grünen Wasserstoff für unser klimaneutrales Bayern liefert, nur weil wir Windräder und Photovoltaikanlagen in unseren Gauen nicht hübsch finden?“, fragt Fischer.

Festzuhalten ist, dass trotz aller Verunsicherung an den Energiemärkten die Erdgasversorgung prinzipiell gesichert ist, betont man bei der IHK für München und Oberbayern. „Aktuell sehen wir aufgrund verschiedener Faktoren massive globale Preissteigerungen, aber keine grundsätzliche Knappheit des Erdgases“, so Pressesprecherin Katharina Toparkus. Bislang würden laut Marktbeobachtern alle langfristigen Lieferverträge eingehalten.

Zuverlässiger Marktteilnehmer

Auch die relativ niedrigen Füllstände der Gasspeicher sind nach Ansicht etlicher Experten zunächst eine Reaktion auf das Marktgeschehen, da es angesichts der hohen Preise für Marktteilnehmer attraktiver ist, vorhandenes Gas zu verkaufen als weitere Vorräte zu Höchstpreisen anzulegen.

Nach Ansicht der IEA (Internationale Energieagentur) dürfte auch Russland ein hohes Interesse daran haben, sich gerade in der aktuellen Situation als zuverlässiger Marktteilnehmer zu zeigen und die Liefermengen im Falle einer tatsächlich eintretenden Knappheit zu erhöhen. Dies wäre besonders im Fall eines lang anhaltenden, strengen Dauerfrosts in Mitteleuropa diesen Winter nötig, weil dann die gesetzlich priorisierte Wärmeversorgung der Privathaushalte längere Zeit auf Hochtouren laufen würde (niemand muss frieren) und dadurch eine außergewöhnlich hohe, zusätzliche Nachfrage nach Erdgas entstehen würde. Diese Situation, die in einzelnen Industriebetrieben zu Lieferstörungen führen könnte, gab es auch bereits einmal vereinzelt im Winter 2012.

Die stark gestiegenen Preise für Erdgas haben laut IHK München und Oberbayern dagegen bereits jetzt eine direkte Auswirkung auf die Profitabilität vieler Industriebetriebe, die von diesem Energieträger abhängig sind. Eine Rolle dabei spielen auch die langsam steigenden CO2-Abgaben, die allerdings im Vergleich zu den derzeitigen Marktpreiserhöhungen fast schon unerheblich sind.

Wegen des hohen deutschen Erdgasbedarfs von rund 1,1 Milliarden Kubikmetern in diesem Jahr müssen jetzt die Niederländer vermutlich die Gasproduktion in Groningen trotz der Gefahr von Erdbeben fast verdoppeln. Die Niederlande sind vertraglich verpflichtet, Deutschland mit Gas zu versorgen.
(Ralph Schweinfurth)

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