Wirtschaft

Insbesondere das Baugewerbe trägt zum Aufschwung bei. (Foto: Bilderbox)

29.07.2011

Handwerkerbonus finanziert sich komplett selbst

Das bayerische Handwerk befindet sich weiter in einer konjunkturellen Hochphase

Unser Wirtschaftsbereich befindet sich nach wie vor in einer konjunkturellen Hochphase. Die Auslastung ist weit überdurchschnittlich, die Nachfrage stabil. Fast alle Branchen tragen ihren Teil zum Aufschwung bei“, erklärte Heinrich Traublinger, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), bei der Vorstellung der neuesten Konjunkturzahlen. Insbesondere das Baugewerbe habe einen Großteil des Schwungs aus dem 1. Quartal mit in den Frühling genommen. Impulsgeber Nummer eins ist hierbei laut Traublinger der Wohnungsbau. Verantwortlich dafür seien die relativ niedrigen Zinsen, sichere Einkommen und der steigende Druck, die eigenen vier Wände energetisch zu sanieren. Aber auch die Flucht in Sachwerte angesichts der Frage, wie sicher der Euro ist.
Dem bayerischen Handwerk geht es nach eigener Einschätzung momentan wieder so gut wie zu Beginn der 1990er Jahre. Durchschnittlich 89 Prozent aller befragten Handwerksunternehmer in Bayern bezeichneten die aktuelle Geschäftslage als „gut“ beziehungsweise „befriedigend“. Verglichen mit dem 2. Quartal 2010 stieg der Index um sieben Prozentpunkte, so der BHT-Präsident. Auch für die Sommermonate bleiben die Betriebe laut Traublinger optimistisch: 90 Prozent erwarten gute oder befriedigende Geschäfte. Das sind acht Prozent mehr als noch vor einem Jahr.
Hohe Auftragsbestände und Fachkräftemangel führen nach Traublingers Worten zu Überstunden und steigender Auslastung. Im 2. Quartal 2011 war die Kapazitätsauslastung der bayerischen Handwerksbetriebe höher als im gleichen Zeitraum der vergangenen achtzehn Jahre. Gegenüber dem 2. Quartal des Vorjahrs betrug der Zuwachs vier Punkte auf 81 Prozent. Eine Auslastung von 90 bis 100 Prozent verzeichneten sogar 38 Prozent der Betriebe.
Der Auftragsbestand reichte Ende Juni für 7,3 Wochen. Auch wenn dieser Wert nicht an frühere Boomphasen heranreiche, so der BHT-Präsident, ist er binnen Jahresfrist doch immerhin um 0,9 Wochen angewachsen. Zum Gesamtergebnis trugen entscheidend die mittlerweile wieder gut gefüllten Auftragsbücher der industriellen Zulieferer bei. Auch die Perspektiven seien vielversprechend: Rund 90 Prozent der befragten Handwerksunternehmen würden für die nächsten Monate zumindest eine unveränderte Nachfrage erwarten.
Es wird in Personal und Ausstattung investiert
Bereits im 1. Quartal habe das milde Winterwetter für eine lebhafte Umsatzentwicklung im bayerischen Handwerk gesorgt. Im Frühling sei die typische Saisonbelebung hinzugekommen, so dass die Umsätze im gesamten 1. Halbjahr 2011 um nominal 5,8 Prozent auf 41,8 Milliarden Euro stiegen. Obwohl die bayerischen Betriebe im 1. Quartal 2011 weitestgehend auf Entlassungen verzichtet hatten, bemühten sie sich im Frühling intensiv um frische Kräfte. Ende Juni waren nach ersten Schätzungen 858 000 Personen im bayerischen Handwerk tätig, 0,7 Prozent mehr als zur Jahreshälfte 2010.
Ob die Unternehmen am Arbeitsmarkt schnell fündig werden, hält Traublinger für fraglich. Gemäß den Arbeitsagenturen habe sich bei einigen Handwerksberufen der Fachkräfteengpass bereits verfestigt, so zum Beispiel bei Elektroinstallateuren, Schlossern, Drehern, Zimmerern und Dachdeckern.
Außer in die Belegschaft investierten die Handwerker auch in die Ausstattung ihrer Unternehmen: 34 Prozent der Befragten schafften laut Traublinger im 2. Quartal 2011 neue Maschinen an oder modernisierten diese. Im Vergleichszeitraum des Vorjahrs lag die Quote bei 30 Prozent. Insgesamt flossen 1,24 Milliarden Euro in die Betriebsanlagen, ein Plus von sechs Prozent gegenüber dem 2. Quartal 2010. Die Zahl der Mitgliedsbetriebe legte um zwei Prozent auf rund 195.000 zu. Bei den Umsätzen rechnet das bayerische Handwerk für das Gesamtjahr 2011 mit einem Plus von nominal vier Prozent. Die Zahl der Beschäftigten dürfte im Jahresschnitt um etwa 0,5 Prozent zulegen.
Steigende Steuereinnahmen, die weit über den Planungen liegen, sind Ausfluss nicht nur einer brummenden Handwerkskonjunktur, sondern auch der gesamten deutschen Wirtschaft. Dies würde die Spielräume für eine Einkommenssteuerreform, die das Handwerk schon seit Längerem fordert, vergrößern. Daher begrüßt der BHT-Präsident den Beschluss der Bundesregierung zu Steuererleichterungen, wonach zum 1. Januar 2013 kleine und mittlere Einkommen entlastet und die kalte Progression sowie der Mittelstandsbauch im Einkommensteuertarifverlauf nachhaltig abgebaut werden sollen. „Das ist unseres Erachtens keine Steuersenkung im herkömmlichen Sinne: Der Fiskus verzichtet lediglich auf ungerechtfertigte Mehreinnahmen. Man könnte also sagen, der Staat nimmt nur weniger mehr ein.“
Diese Pläne sind aus Sicht des Handwerks wichtige Schritte zur Verstetigung der Binnenkonjunktur. Zudem ist man überzeugt, dass mit dem Abbau der kalten Progression das Steuersystem auch eine Spur gerechter wird, wie es Traublinger ausdrückte. Darüber hinaus erinnerte er aber auch daran, dass die Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen nicht vergessen werden darf. Aus diesem Grund stehe das bayerische Handwerk auch voll hinter dem Steuerreformkonzept der CSU, in dem eine bessere Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen durch die Zusammenfassung der verschiedenen Fördertatbestände unter einem einheitlichen Höchstbetrag vorgeschlagen wird.
Der BHT-Präsident verwies in diesem Zusammenhang auf ein Gutachten des Deutschen Handwerksinstituts, in dem belegt wird, dass die durch den Steuerbonus ausgelösten fiskalischen Effekte in Form höherer Einnahmen bei Steuern und Sozialabgaben die Kosten um rund das Zwei- bis Dreifache übersteigen. Traublinger: „Der Handwerkerbonus finanziert sich also vollständig selbst. Zudem sank die Schwarzarbeit in Deutschland 2010 auf den niedrigsten Stand seit 1995. Und dieser Rückgang ist zu einem guten Teil auch dem Handwerkerbonus zuzuschreiben, wie das Handwerksinstitut nachweist.“ Der Handwerkerbonus als Klimaschutzinstrument
Die Zusammenlegung der Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen könnte nach Traublingers Ansicht auch die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung unterstützen. Der Handwerkerbonus könnte nämlich zu einem wirksamen steuerlichen Klimaschutzinstrument werden. „Der steuerliche Anreiz für eine in der Regel recht kostspielige energetische Gebäudesanierung könnte durch die Ausweitung der Förderhöchstgrenze deutlich erhöht werden.“
Im Zusammenhang mit den mit der Münchner Olympiabewerbung forcierten Verkehrsprojekten forderte Traublinger: „München braucht den zweiten S-Bahn-Stammstreckentunnel – unabhängig von Olympia. Wir haben ja schon im Vorfeld davor gewarnt, die Finanzierung mit dem Zuschlag für die Winterspiele zu verbinden.“ Sollte der zweite Tunnel nicht bald realisiert werden, drohe nach Traublingers Ansicht dem öffentlichen Nahverkehr in der Landeshauptstadt tagtäglich der Kollaps, denn das heutige System sei längst an seine Leistungsgrenzen gestoßen. Zudem hänge am Bau der zweiten Stammstrecke auch der Bau eines neuen Münchner Hauptbahnhofs.
(Friedrich H. Hettler)

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