Wirtschaft

Banken können Unternehmen mit Fehlbuchungen in arge Bedrängnis bringen. (Foto: dapd)

04.01.2013

Immer nur ein paar Cent

Jede Firma kann betroffen sein: Mit fehlerhafter Kontoführung verursachen Banken gewaltige Schäden

Wenn Michael Weilbacher mit jemandem Geschäfte macht, dann traut er ihm. Der 58-Jährige ist Inhaber von vier Autohäusern in Brandenburg. Vertrauen ist für den Unternehmer die Basis für eine gute Kundenbeziehung.
Der Lehman-Crash im Herbst 2008 brachte ihn deshalb ins Grübeln. Die Finanzkrise trieb im New Yorker Finanzdistrikt Menschen auf die Straße mit Plakaten, auf denen stand: „Jump, you fuckers!“ In Deutschland fürchteten Kleinsparer um ihre Bankguthaben, konsultierten Anwälte, gingen vor Gericht. Firmen mussten mit teils drastisch erhöhten Kreditzinsen kämpfen – wenn sie überhaupt noch Geld von der Bank bekamen. Mit befreundeten Unternehmern sprach Weilbacher später über Erfahrungen mit Krediten, Zinsen und Bankkonditionen. Seine Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Finanzbranche wuchsen.
„Ich war schockiert“
Im Herbst 2010 war Weilbachers Misstrauen so groß, dass er sich entschloss, Ralph Brendel zu engagieren. Der Leiter des Gutachterbüros Zinspruef in Berlin analysierte sämtliche Bankkonditionen und Konten des Autohändlers. Jede Zinsanpassung, jede Gutschrift und jede Abbuchung. Und zwar in den vergangenen 19 Jahren. Vier Monate später bekam Weilbacher die Ergebnisse der akribischen Analyse. „Ich war schockiert und enttäuscht“, erinnert er sich. Die Deutsche Bank, bei der Weilbacher Kunde war, soll viel zu viele Zinsen kassiert haben.
Mehr als 60 Prozent der Zahlungseingänge auf den Firmenkonten habe das Institut verspätet gutgeschrieben, teilweise um mehrere Tage. Die Konten hätten daher häufig tiefer in den roten Zahlen verharrt, als es nötig gewesen wäre - wodurch die Bank höhere Zinsen eingestrichen haben soll. „Wenn es keine anderslautenden Vereinbarungen gibt, müssen Banken Überweisungen und Einzahlungen dem Konto gutschreiben, sobald das Geld bei ihnen eingeht“, sagt Weilbachers Anwalt Benjamin Junglas von der Kanzlei Harms-Ziegler in Berlin. Also noch am selben Tag.
Der vermutete Schaden für Weilbacher ist gewaltig: Von 1992 bis Ende 2009 habe die Deutsche Bank wegen „falscher Wertstellungen“ 279.770,54 Euro zu viel Zinsen kassiert, errechnete Gutachter Brendel. Im März hat der Autohausbetreiber das Institut verklagt, ihm das Geld zu erstatten. Und er will noch mehr. Weitere 66.637,89 Euro soll die Deutsche Bank zahlen, weil der veranschlagte Zinssatz überdies zu hoch gewesen sein soll; hinzu kommen 238.844,51 Euro, weil das Geldhaus mit den zu Unrecht einbehaltenen Beträgen Erträge erwirtschaftet haben könnte – Juristen nennen das „ungerechtfertigte Bereicherung“.
Weilbachers Gesamtforderung: 585.252,94 Euro. Wann der Prozess am Landgericht Frankfurt beginnt, steht noch nicht fest. Die Deutsche Bank will sich mit Verweis auf das „laufende Verfahren“ nicht zu den Vorwürfen äußern.
Dutzende Unternehmer in Deutschland streiten sich derzeit wie Weilbacher mit ihren Hausbanken. Sie fordern Schadensersatz wegen zu hoher Zinsen oder falsch abgerechneter Konten von Instituten jeglicher Couleur - von privaten Großbanken wie der Deutschen Bank genauso wie von öffentlich-rechtlichen Sparkassen oder genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken. „Immer mehr Unternehmer lassen ihre Konten überprüfen“, sagt Gutachter Brendel. Der Grund sei ein „zunehmendes Misstrauen gegenüber den Banken“.
Der auf Bankrecht spezialisierte Hannoveraner Anwalt Ernst-August Bach rechnet nun mit einer Klagewelle: „Wenn die Unternehmen auf breiter Front Liquiditätsprobleme bekommen, werden sie ihre Zinsabrechnungen intensiver überprüfen als bisher.“ Hans Peter Eibl, Kontenprüfer aus dem schwäbischen Lauffen, schätzt den Schaden, der deutschen Firmen auf diese Weise durch die Banken jedes Jahr entstehe, auf einen Milliardenbetrag. Nach seinen Erfahrungen sind Kontenfehler nicht die Ausnahme, sondern die Regel. „Ich mache diesen Job jetzt seit fast 25 Jahren und hatte in diesem Zeitraum gerade mal einen Kunden, bei dem sämtliche Konten korrekt geführt waren“, sagt Eibl. Insgesamt habe er fast 500 Fälle auf dem Tisch gehabt. Der Schaden lag im Schnitt bei rund 100.000 Euro.
(Daniel Schönwitz)

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