Wirtschaft

In der nördlichen Oberpfalz brennen zwar keine Windkraftanlagen, aber die Luft. Denn zwischen einzelnen Kommunen und dem Regionalen Planungsverband gibt es unterschiedliche Interessenlagen für die Vorrangflächen von Windrädern. (Foto: dapd)

07.12.2012

In der nördlichen Oberpfalz brennt die Luft

Einzelnen Kommunen passen die Vorrangflächen für Windenergie nicht, die der Regionale Planungsverband festgelegt hat

Einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende in Bayern soll die Windkraft leisten. Doch Vielerorten im Freistaat scheint man die umstrittenen Windräder verhindern zu wollen. So zum Beispiel in der nördlichen Oberpfalz.
Gottfried Beer (SPD), der 3. Bürgermeister von Bärnau (Landkreis Tirschenreuth), schreibt an den stellvertretenden Vorsitzenden der Energiekommission des bayerischen Landtags, Ludwig Wörner (SPD), in einem Brief, der der Staatszeitung vorliegt: „Beim Regionalen Planungsverband geht es durch relativ willkürliche Festlegungen eher um eine Behinderung der Windenergie als um einen fairen und sachlichen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen.“ Willkürlich sind laut Beer die Erhöhung der Abstandsflächen oder zum Beispiel der sachlich nicht begründete generelle Ausschluss des Grenzkamms im Abstand von 1000 Metern von der Grenze weg (gemeint ist die Staatsgrenze zur Tschechischen Republik, Anm. d. Red.). Des Weiteren, so Beer, werde in keinster Weise die Windhöffigkeit entsprechend des bayerischen Windatlas beachtet und als Planungsgrundlage genutzt. Extrem hoher finanzieller Planungsaufwand
Der Bärnauer Bürgermeister beklagt, dass die Gemeinden aufgefordert wurden zu planen und nun diese Entwürfe vollständig ignoriert würden. Er betont, dass zm Teil mit extrem hohem finanziellen Aufwand nach sachlichen Gesichtspunkten und im Einklang mit den allgemein gültigen Kriterien geplant wurde. So habe Bärnau zusammen mit den anliegenden Gemeinden Plößberg und Mähring eines der stärksten Windkraftaufkommen Bayerns. Beer schreibt: „In einem langen und intensiven Planungsprozess wurde in unserer Gemeinde, in der schon zwei Windräder seit 1995 in Betrieb sind, das Gemeindegebiet analysiert und überplant. Dabei wurden 29 einzelne Eignungsflächen untersucht. Wir haben neben dem Bereich der beiden bestehenden Windkraftanlagen zwei weitere Konzentrationszonen ausgewiesen. Alle drei Gebiete zusammengenommen (zirka 200 Hektar) umfassen ungefähr 2,7 Prozent unseres Gemeindegebiets, alle anderen Flächen haben wir ausgeschlossen.“
In den drei Konzentrationszonen, die alle die allgemein gültigen Kriterien für Windkraftnutzung erfüllen, ist laut Beer auch das höchste Windvorkommen vorhanden. Der Stadtratsbeschluss dazu sei von allen im Stadtrat vertretenen fünf Fraktionen (CSU, SPD, CFWG, WSL, JWG) getagen. Nur zwei Stadträte hätten dagegen gestimmt. Der Flächennutzungsplan-Prozess sei schon weit fortgeschritten, Bürger und Ämter seien beteiligt.
Beer empört sich in seinem Schreiben an die Energiekommission im Landtag, dass der Regionale Planungsverband keine einzige dieser, vom Stadtrat von Bärnau definierten Konzentrationszonen, in die Planungen aufgenommen habe, sondern nur zwei kleine und nicht zusammenhängende Flächen. Diese liegen laut Beer im von der Gemeinde festgelegten Ausschlussgebiet und hätten obendrein noch kein besonderes Windaufkommen. Beer wörtlich: „Dies sind geradezu lächerliche Ausweisungen, die zeigen, dass die Windhöffigkeit keinerlei Rolle bei der Planung spielte.“
Dagegen seien in Gemeinden wie Waldsassen und insbesondere in Neualbenreuth, die sich örtlich stark gegen Windkraft positioniert haben, umfangreiche Vorrangflächen für Windkraft ausgewiesen. Dies scheint Beer zufolge ein durchgängiges Prinzip zu sein. Gleiches sei auch im Nachbarlandkreis Neustadt/Waldnaab anzutreffen. Der Gemeinde Floß, die mit einer eigenen Energiegesellschaft mit Windenergie die Energiewende unterstützen möchte, wurden die geplanten Flächen nicht zugestanden. Anderen Gemeinden, die keine Flächen haben wollten, dagegen schon.
Beer schreibt: „Dies bedeutet, dass an den ,wirtschaftlich interessanten’ Flächen die Windkraft verhindert wird und sie in der Planung nur da zugelassen wird, wo sich bereits Widerstände gebildet haben oder der Betrieb deutlich unwirtschaftlicher ist.“
Regionale Wertschöpfung bleibt auf der Strecke
Der Bürgermeister fürchtet nun auch, dass die Möglichkeiten der regionalen Wertschöpfung in der strukturschwachen Region auf der Strecke bleiben. Die in der nördlichen Oberpfalz beheimatete, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Anette Karl, hat in einer privat finanzierten Studie herausgearbeitet, dass ihre Region durch die Erzeugung erneuerbarer Energie eine jährliche Wertschöpfung von rund 400 Millionen Euro erwirtschaften könnte. „Allein durch die jetzt im Regionalplan festgeschriebene Windkraft-Verhinderungspolitik bleibt ein guter zweistelliger Millionenbetrag auf der Strecke“, schätzt Karl.
Der Landrat des Landkreises Neustadt/Waldnaab und Vorsitzende des Regionalen Planungsverbands Oberpfalz-Nord, Simon Wittmann (CSU), sagt auf BSZ-Anfrage: „Es ist sicher richtig, dass bezüglich der Windkraft die unterschiedlichsten Interessen gegeben sind – insbesondere wenn es um konkrete Standorte vor Ort geht, stehen sich konträre Meinungen mitunter heftig gegenüber.“ Deshalb könne eine Steuerung durch den Regionalen Planungsverband, die von einer überwältigenden Mehrheit der Mitgliedsgemeinden gewollt wurde, nicht nach individuellen und zum Teil emotionalen Einzelwünschen und Interessenslagen erfolgen, sondern müsse mit sachlichen und fachlichen Parametern begründet werden. Diese seien in mehreren Sitzungen und Beratungen vom zuständigen Planungsausschuss in der Regel einstimmig beschlossen worden und werden in der gesamten Region jeweils gleich angewandt. Zu diesen Parametern gehören laut Wittmann zum Beispiel Abstände von 800 Metern zur Wohnbebauung, keine Windkraftanlagen in Naturschutz-, Landschaftsschutz- oder Wasserschutzgebietszonen oder die Beachtung europäischer Schutznormen bzw. militärischer Vorgaben.
„Die Windhöffigkeit nach dem vom Wirtschaftsministerium vorgegebenen und geltenden bayerischen Windatlas wurde bei der Regionalplanung selbstverständlich berücksichtigt und klassifiziert“, so der Planungsverbandsvorsitzende. Das bedeute, die höheren Werte führten zu Vorranggebieten, mittlere Werte zu Vorbehaltsgebieten und bei eher unwirtschaftlichen Werten treffe der Regionalplan keine Aussage. Erfahrungen aus bestehenden Windkraftanlagen seien eingeflossen.
Ausschlussgebiete für die Windkraftnutzung haben dagegen in keiner Weise etwas mit der Windhöffigkeit zu tun, sondern sind ausschließlich durch entgegenstehende öffentliche Belange begründet, so Wittmann. Diese seien entsprechend der Beschlusslage in den Anhörungsunterlagen einzeln aufgeführt und in die Kartengrundlagen technisch eingearbeitet. Demgegenüber hätten wirtschaftliche oder andere Interessen Einzelner eben gerade keinen Eingang für oder wider gefunden.
Abschließend betont der Planungsverbandsvorsitzende: „Als Vorsitzender des Regionalen Planungsverbands tue ich nichts anderes, als die Beschlüsse der gewählten Gremien zu vollziehen. Dabei haben wir die fachlichen Vorgaben der Höheren Naturschutzhörde genau so wie den Windkrafterlass der bayerischen Staatsregierung berücksichtigt.“ Auch der Grenzkamm sei nicht ausgeschlossen. Der in Bärnau vorgesehene Abstand ist laut Wittmann eine Vorgabe der Höheren Naturschutzbehörde wegen eines Vogelschutzgebietes, das dort direkt bis zur Grenze reicht.
Keine Verhinderungsplanung
Derzeit laufe das Anhörungsverfahren. „Bei der Auswertung im kommenden Jahr werden wir sämtliche Einwendungen prüfen und im Rahmen des Planungsausschusses demokratische Beschlüsse fassen“, erläutert Wittmann.
Insofern ist man in der nördlichen Oberpfalz trotz der Beschwerden von Bürgermeister Beer auf der verwaltungstechnisch richtigen Schiene. Das bestätigt auch das Wirtschaftsministerium der Staatszeitung. „Die Vorwürfe von Gottfried Beer, wonach der Regionale Planungsverband Oberpfalz-Nord die Nutzung der Windkraft mit relativ willkürlichen Festlegungen im Regionalplan verhindern würde, entbehren jeglicher Grundlage“, sagt ein Ministeriumssprecher. Landrat Wittmann habe in seiner ausführlichen Stellungnahme die vom Verband festgelegten Kriterien, die dem regionalplanerischen Steuerungskonzept für die Windkraftnutzung zugrunde gelegt werden, dargelegt. „Anhaltspunkte, wonach damit eine Verhinderungsplanung betrieben würde, liegen nicht vor“, so der Sprecher. (Ralph Schweinfurth)

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