Wirtschaft

30.01.2014

Information ist alles

Ein Gastkommentar von Jochen Thiel, Geschäftsführer der Börse München

Der Erfolg an der Börse hat sehr viel mit Wissen und Erfahrung, und eher wenig mit Festen und Feiern zu tun. Auch wenn natürlich jedem selbst überlassen bleibt, seine Erfolge zu feiern – und dass es die immer wieder gibt, macht ja den besonderen Reiz der Börse aus. Um einen solchen Erfolg feiern zu können, muss man eingestiegen sein in den Börsenzug, und zwar zum richtigen Zeitpunkt. Wer den kürzlich angelaufenen Film „The Wolf of Wallstreet“ gesehen oder die vielen Rezensionen über ihn gelesen hat, und ansonsten eher wenig mit Börsenthemen beschäftigt ist, wird allerdings einen völlig anderen Eindruck haben. Der Film eignet sich sicherlich hervorragend zur guten Unterhaltung, ein Spiegelbild der Branche und ihrer Akteure bietet er aber nicht. Oder sagen wir einmal so, er konzentriert sich auf eine tatsächlich existierende Person, die alles andere als ein Vorbild für uns alle war und schon gar nicht repräsentativ für die Branche. Aber das ist das Privileg von Literatur und Film – Gesetzesbrecher von Robin Hood bis zu den britischen Posträubern in den 1960er Jahren ansprechend in Szene zu setzen. Wobei Jordan Belfort, die Figur hinter dem Wolf der Wallstreet, sich zwar gern als Robin Hood bezeichnete, aber im Unterschied zum Vorbild weder der Legende entsprungen ist noch sich je veranlasst sah, sein Geld an die Armen weiterzugeben. Er war ausschließlich damit befasst, Kapital treu glaubender „armer Anleger“ in die eigene Tasche zu transferieren, um auf großem Fuße leben zu können. Sehr viel mehr schwarzes Schaf als böser Wolf. Übrigens, Regisseur Martin Scorsese und Hauptdarsteller Leonardo di Caprio gaben zu, keine Ahnung vom tatsächlichen Finanzgeschehen zu haben und sich dieses auch nicht angeeignet zu haben. Bliebe zu fragen, wie sie ihr eigenes Vermögen eigentlich anlegen. Wenn man will, gibt es eine gewisse Parallelität zwischen dem Wolf der Wallstreet und der realen Börsenwelt. Filme mit Börsenthemen kommen nämlich gerne dem Höhepunkt einer Kurs-Rally heraus. So geschehen zum Beispiel 1987, als uns Oliver Stone, Sohn eines Börsenmaklers, die „Wallstreet“ mit Michael Douglas als Gordon Gekko präsentierte. Prompt brachen die Börsenkurse um 30 Prozent ein. 1999 konnten Cineasten „High Speed Money – Die Nick Leeson Story“ bewundern. Wir erinnern uns an das Platzen der Internetblase nur ein Jahr später. Man kann sogar noch weiter zurückgehen: 1929 startete in den Kinos ein Film namens „The Wolf of Wallstreet“. Der deutsche Titel lautete übrigens „Millionen um ein Weib“. Auf jeden Fall dauerte es nicht lange, und der bis heute nachhaltigste Börsen-Crash begann mit dem „Schwarzen Freitag“. Allerdings kann man die Sicht auch umdrehen: Börsenfilme kommen immer dann auf den Markt, wenn bereits viele von der Börse profitiert haben, und die Erträge einsammeln, um sich mehr als eine Kinokarte kaufen zu können. Man muss aber gar nicht ins Kino gehen, man kann Börsenkurse auch mit Hochhäusern vergleichen. Tatsächlich gibt es einen „Wolkenkratzer-Indikator“ der besagt, je höher die Bürotürme in den Himmel wachsen – je wahrscheinlicher kommt der nächste Crash. Alles in allem besagt das nur: Wenn die Wirtschaft boomt, die Börse sosehr in aller Munde ist, dass selbst das Kino sich von dem Thema wirtschaftlichen Erfolg erhofft, dann ist die nächste Kurskorrektur oder sogar eine Baisse nicht weit. Jeder Unternehmer kennt das Auf und Ab der Wirtschaft. Umso ruhiger sitzen aber diejenigen im Kinosessel, die aus seriösen Quellen gut informiert rechtzeitig eingestiegen sind an der Börse. Die können auch kurzfristige Rücksetzer aussitzen und sich über Dividendenerträge freuen. Das Kino ist gut zur Unterhaltung – das wahre Leben zeigt es nicht.

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