Wirtschaft

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg mit seinen großen Ausstellungen wie zum Beispiel „Traumfrauen“ ist einer von vielen Touristenmagneten in Bayern. Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel soll Bayern als Tourismusdestination noch besser vermarkten. (Foto: Schweinfurth)

03.09.2010

Kirchturmdenken über Bord werfen

Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) soll Bayerns Tourismusverbänden helfen, Kooperationen einzugehen

Export ist für die bayerische Wirtschaft ein zentraler Erfolgs- und Wachstumsfaktor. Deshalb organisiert das Wirtschaftsministerium regelmäßig Delegations- und Unternehmerreisen, um für die vielen mittelständischen Unternehmen im Freistaat die Ausfuhrmöglichkeiten zu verbessern. Denn ohne politische Unterstützung kämen viele Firmen nicht weit, weil ihnen das globale Netzwerk fehlt, das Großunternehmen oder Konzerne haben. „Oftmals können wir helfen, gesetzliche Hürden im Ausland abzubauen“, erläutert Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) im Gespräch mit der Staatszeitung. So habe zum Beispiel Algerien festgelegt, dass mindestens 51 Prozent eines Unternehmens in algerischer Hand sein müssen, damit es in Algerien aktiv sein darf. Das ist eine unüberwindbare Hürde für viele bayerische Firmen. Da Algerien reich an Bodenschätzen ist und in den kommenden Jahren zahlreiche Infrastrukturprojekte realisieren möchte, ist das nordafrikanische Land ein interessanter Absatzmarkt für bayerische Waren und Dienstleistungen.
Bayerischen Mittelständlern helfen
Im September fliegt Hessel wieder nach Algerien, um unter anderem nach Lösungen zu suchen, wie bayerische Mittelständler trotz der aktuellen Gesetzeslage in diesem Magreb-Staat aktiv sein können. „Ich habe zwar Verständnis dafür, dass die Algerier so ein Gesetz gemacht haben. Denn das Land wurde nicht immer fair behandelt“, erläutert Hessel. Das dürfe jedoch nicht zu einem generellen Hemmnis für ausländische Unternehmen werden.
In einer anderen wichtigen Angelegenheit konnte Hessel schon einen Erfolg verbuchen. Derzeit dürfen ausschließlich neue Wirtschaftsgüter nach Algerien eingeführt werden. „Eine bayerische Baufirma wollte dort aber für einen Auftrag Maschinen mitbringen, die logischerweise nicht neu waren“, berichtet die Staatssekretärin. Nachdem die Wirtschaftsstaatssekretärin den Algeriern erklärt hatte, dass das Unternehmen seine Maschinen nach Abschluss der Arbeiten wieder mit nach Hause nimmt, war die Einfuhr kein Problem mehr. Doch ohne politische Unterstützung wäre die betroffene Firma an dieser bürokratischen Hürde gescheitert.
Da für Hessel der Tourismus eine neue Schwerpunktaufgabe ist, wird sie Ende September auf der Expo in Shanghai die Bayernwoche mit einem kleinen Oktoberfest, Blasmusik und Haindling-Konzert im deutschen Pavillon eröffnen. „Die Chinesen sind vor allem von Kaiserin Sisi und König Ludwig begeistert“, erklärt die Staatssekretärin. Dies könne man gut nutzen, um mehr chinesische Besucher nach Bayern zu locken. In China gibt es eine immer wohlhabendere Mittelschicht, die sich Urlaubsreisen leisten kann und auch verreisen darf“, so Hessel. Davon könne Bayerns Gastronomie und Hotellerie profitieren.
Bei den Auslandsreisen kommt es laut Hessel vor allem auf Kontinuität an. Je regelmäßiger das bayerische Wirtschaftsministerium politische Kontakte in einem bestimmten Land pflege, desto besser seien auch die Chancen für die bayerischen Mittelständler dort. Diese Rückmeldung erhalte das Wirtschaftsministerium regelmäßig von den Unternehmern.
Eine wichtige Reise wird die Staatssekretärin im Oktober nach Triest führen. „Rund 40 Unternehmer aus der Logistikbranche werden mich begleiten“, so Hessel. Denn die norditalienische Hafenstadt ist für Bayern von strategischer Bedeutung. Waren, die nach Asien oder Australien verschifft werden, müssen nicht erst umständlich über Rotterdam und an der Westküste Europas ins Mittelmeer gebracht werden, um über den Suezkanal in Richtung Indien, China, usw. transportiert zu werden. Triest bietet erhebliches Einsparpotenzial und somit Wettbewerbsvorteile für bayerische Waren und Dienstleistungen.
Katja Hessel hat als Wirtschaftsstaatssekretärin aber nicht nur Auslandseinsätze. Im Freistaat kümmert sie sich sehr intensiv um das so genannte Regionalmanagement. „Die Landkreise müssen sich noch besser aufstellen, noch effizienter werden und ihre Stärken noch aktiver verkaufen“, gibt Hessel die Marschroute vor. Dies sei unabdingbar, damit der ländliche Raum gegenüber den Ballungszentren nicht ins Hintertreffen gerät. „Die Landkreise müssen gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels attraktiv bleiben für die Menschen“, mahnt die Staatssekretärin. Dies hätten die meisten Landratsämter verstanden und seien inzwischen dabei, sich neu auszurichten. „In einem Landkreis laufen oftmals viele verschiedene Initiativen nebeneinander mit dem gleichen Ziel. Diese Kräfte gilt es zu bündeln“, so Hessel. Die Bevölkerung müsse stärker für ihre Region und ihren Landkreis sensibilisiert werden. Denn der Kauf regionaler Produkte stärke die heimische Wirtschaft.
Eine wichtige Infrastrukturmaßnahme, die auf bayerischem Boden zu realisieren ist, ist der Zulauf zum Brennerbasistunnel. „Hier gibt es bisher lediglich Vor-überlegungen, noch keine Vorplanungen“, verdeutlicht Hessel. Ungeduldig warte man im Wirtschaftsministerium auf ein positives Signal aus Berlin, damit die Planungen endlich aufgenommen werden können. Doch wegen des chronisch unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplans könne wohl auch der aus Bayern stammende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nicht so richtig Dampf machen, da er ganz Deutschland im Blick haben muss.
Aber nicht nur beim Brennerbasistunnel ist man im Wirtschaftsministerium in München das Schneckentempo leid. Die Ertüchtigung der Bahnstrecke ins bayerische Chemiedreieck oder die Elektrifizierung der Franken-Sachsen-Magistrale seien Dauerbegleiter. „Ich habe eine Abteilungsleiterin im Wirtschaftsministerium, die sich errinnert, dass die Elektrifizierung schon gefordert wurde, als sie noch ein Kind war“, so Hessel.
Ausbildungsfähigkeit junger Menschen steigern
Eine weitere Baustelle, um die sich die Staatssekretärin kümmert, ist der Fachkräftemangel. Die Ausbildungsfähigkeit junger Menschen müsse gesteigert, die Schulabbrecherquote gesenkt, die Erwerbstätigenquote von Frauen erhöht und ältere Arbeitnehmer weiterqualifiziert werden. „Darüber hinaus muss Bayern für ausländische Fachkräfte attraktiver werden“, so Hessel. Denn vor allem hochqualifizierte Zuwanderung sei gefragt. „Wer zwischen Bayern, New York, London und Kalifornien wählen kann, braucht schon gute Gründe, um sich für den Freistaat zu entscheiden“, meint die Staatssekretärin. Führungskräfte kämen oft mit ihren Partnern, die hier dann ebenfalls einen Job suchen. Doch innerhalb kürzester Zeit lernt man eben nicht Deutsch. „Und qualifizierte Arbeitsplätze, an denen man auch mit der englischen Sprache weiterkommt, gibt es nicht so viele.“
Das Sprachproblem schlägt auch bei Hotellerie und Gastronomie zu. Hier wartet die größte Herausforderung auf Katja Hessel. Von ihr wird erwartet, dass sie Bayern in Sachen Tourismus nach vorn bringt. Doch dazu müssen auch einzelne Tourismusverbände und -organisationen laut Hessel ihr Kirchturmdenken über Bord werfen und stärker kooperieren. „Es nützt nichts, wenn auf der großen deutschen Touristikmesse ITB in Berlin zwei Regionen zum Beispiel aus dem Bayerischen Wald nebeneinander jeder für sich um Gäste buhlen. Nur ein starker gemeinsamer Auftritt unter der Dachmarke Bayern bringt den weiß-blauen Tourismus weiter“, so Hessel.
Auch der Servicegedanke müsse gestärkt werden. Denn wenn ausländische Gäste in einem oberbayerischen Hotel niemanden finden, der zumindest ein wenig Englisch kann, sei das ein großes Problem, auch für potenzielle Investoren, so Hessel. Daneben müsse der Investitionsstau in der Hotellerie und Gastronomie dringend weiter abgebaut werden. „Der 70er-Jahre-Charme in vielen Beherbergungsbetrieben wirkt nicht gerade einladend“, verdeutlicht die Staatssekretärin.
 Ihr ist sehr viel daran gelegen, dass der Tourismus in Bayern floriert. Denn er sei ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. „Es wird ein Knochenjob werden“, meint Hessel über ihre Aufgabe, Bayern als Tourismusdestination Nummer eins in Deutschland zu halten. „Wir haben zwar noch mit großem Abstand Platz eins, aber die Konkurrenz schläft nicht und hat schon aufgeholt“, mahnt Hessel.
Damit die Tourismusbranche auch attraktiv für Arbeitnehmer wird, möchte Hessel das Image verbessern. Denn der dumme Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt“ treffe längst nicht mehr zu. Die Arbeit in Hotellerie und Gastronomie sei sehr anspruchsvoll und man brauche auch dafür sehr gut qualifiziertes Personal.
Insgesamt könne Bayern, gerade im Hinblick auf regionale Zusammenarbeit im Tourismus, vom Nachbarland Österreich sehr viel lernen, meint Hessel. Dort habe man schon seit Längerem erkannt, dass man nur gemeinsam punkten könne. (Ralph Schweinfurth)

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