Wirtschaft

Gesundheitsleistungen sind teuer. (Foto: dpa)

27.03.2020

Löchriger Schutzschirm

Spahns Hilfe für die Krankenhäuser

Die Vorstellungen, wie ein Schutzschirm aussehen kann, gehen ganz offensichtlich auseinander. Da ist es gut, dass das Versprechen, das der Bundesgesundheitsminister den Krankenhäusern gegeben hat, eindeutig ist und nicht interpretiert werden muss.

„... Seien Sie sich dabei einer Sache gewiss: Die Bundesregierung wird durch gesetzliche Maßnahmen zügig sicherstellen, dass die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser ausgeglichen werden und kein Krankenhaus dadurch ins Defizit kommt. ... Die dazu notwendigen gesetzlichen Änderungen werden wir sehr zeitnah vorlegen. Darauf können Sie sich verlassen.“

Das schrieb Jens Spahn am 13. März den Geschäftsführern der deutschen Krankenhäuser und forderte sie auf, alles zu unternehmen, um für den kommenden Ansturm an Covid19-Patienten gewappnet zu sein. Geplante Behandlungen sollten abgesagt werden, Intensivkapazitäten aufgebaut und Personal frühzeitig geplant und eingestellt. Die Krankenhäuser sind mit Hochdruck dabei, ihren Part zu erledigen. Jens Spahn hat den seinen mit Vorlage des Covid19-Krankenhausentlastungsgesetz ebenfalls geleistet – und damit seine Maske fallen lassen.

Denn das Einzige, worauf sich die Krankenhäuser jetzt verlassen können, ist der Fortbestand einer ausufernden Bürokratie und die Sicherheit, auf einem nicht unwesentlichen Teil der Mehrkosten in Zeiten von Corona sitzen zu bleiben. Denn das Gesetz ersetzt nicht das Fallpauschalensystem mit seinen hohen administrativen Anforderungen – nein, es setzt noch zusätzliche Hürden oben drauf.
560 Euro für jeden Tag und für jedes Bett, das weniger belegt ist als im Vorjahr. Eine gute Idee, doch niemand geht doch bei den Bildern aus Italien ernsthaft davon aus, dass diese Betten lange leer bleiben. Viel wichtiger wäre es doch, einen Rettungsschirm über die belegten Betten aufzuspannen.

Enorme Zusatzaufwendungen

Denn eines zeigt sich schon deutlich: im DRG-System sind die enormen Zusatzaufwendungen für die Versorgung von Patienten während einer Pandemie nicht abgebildet. Weder finden sich in den Kalkulationen die Kosten für die zusätzlichen Triage-Bereiche, die nun vor allen Krankenhäusern entstanden sind, noch ist der Aufwand für massenweise Einzelisolierungen enthalten. Dass sich die Krankenhäuser in Zeiten von Corona völlig neu aufgestellt haben, neue Isolierbereiche aufgebaut, die Wegeführung geändert und mit Hochdruck zusätzliche Beatmungsplätze geschaffen haben – all das kennt unser etabliertes Abrechnungssystem nicht. Und es weiß auch nicht, dass hierfür landauf, landab Stabsorganisationen gebildet wurden, in denen Ärzte, Pflegekräfte, Personaler, Einkäufer und viele andere Berufsgruppen die Krankenhäuser gerade neu erfinden. Auch für diese unzähligen Stunden gibt es keinerlei Refinanzierung.

50 Euro für jeden Patienten, der zwischen dem 1. April und dem 30. Juni aufgenommen wird, um die erhöhten Kosten für die Schutzausrüstung der Mitarbeiter zu bezahlen? Wissen die, die diesen Betrag in das Gesetz geschrieben haben nicht, was auch nur eine Schutzmaske im Moment kostet? Ist denen entgangen, dass es zum Schutz der Mitarbei-ter und der Patienten nicht nur Masken braucht, sondern, dass hierzu bei jedem, der ins Krankenhaus kommt, die Temperatur gemessen werden muss, dass Verdachtspatienten eine Lungenaufnahme im Computertomographen bekommen, nur um schnellstmöglich Bescheid zu wissen, weil die Tests nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen und die Ergebnisse viel zu spät kommen?

Über Beträge könnte man ja noch diskutieren; denn diese sind ja möglicherweise auch nachverhandelbar und anzupassen. Was aber, wenn Sachverhalte in diesem Gesetz einfach ganz unter den Teppich gekehrt wurden? Die Krankenhäuser sollen sich laut Bundesgesundheitsminister Spahn auch personell rüsten für den Fall, dass es nun irgend-wann richtig los geht oder für den Fall, dass eigene Mitarbeiter krankheits- oder überlastungsbedingt ausfallen. Das tun die Krankenhäuser. Sie requirieren aus allen verfügba-ren Quellen – auch Leiharbeitnehmer. Doch hier schlägt die Falle zu. Leiharbeitnehmer, gerade in der Pflege, kosten zwar deutlich mehr als tarifangestellte Fachkräfte, doch diese Mehrkosten werden den Krankenhäusern nicht erstattet. Denn es gilt weiter das Pflegebudget und dort werden nur die tatsächlichen oder fiktiven Tarifkosten berücksichtigt. Das wurde den Krankenhäusern zwar ursprünglich anders versprochen, doch auch dieses Versprechen wurde im November letzten Jahres mit dem sog. MDK-Reformgesetz einkassiert. Langsam sollten die Krankenhäuser ja begriffen haben, was es mit Versprechen aus dem Bundesgesundheitsministerium auf sich hat.

Pragmatischer Vorschlag

Zu guter Letzt stellt sich die Frage, wieso der recht pragmatische Vorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft nicht in die engere Erwägung einbezogen werden konnte. Dieser Vorschlag sah vor, das sehr administrativlastige Abrechnungssystem vo-rübergehend auszusetzen und durch pragmatische Pauschalzahlungen zu ersetzen, de-ren Höhe sich am Vorjahr bemessen. So schlecht kann dieser Vorschlag nicht gewesen sein, denn auch der AOK Bundesverband hätte diesem zugestimmt. War es das tiefe Misstrauen des Bundesgesundheitsministers gegenüber den Krankenhäusern oder gab es andere, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Gründe?

Fakt ist, dass sich die Krankenhäuser nun weiterhin – auch in der Krise – mit ausufernden Dokumentationspflichten herumschlagen müssen. Gerade im Bereich der Intensivmedizin sind diese Anforderungen besonders umfangreich und erfordern hohes Know-How. Mit diesen Anforderungen sind nun auch die Mitarbeiter in den Krankenhäusern konfrontiert, die in Crashkursen wieder mit der Beatmung vertraut gemacht wurden und für die die hier verwendeten Begriffe zunächst böhmische Dörfer sind: TISS, SAPS, etc. Wie also sollen die Krankenhäuser, die mit enormem Engagement zusätzliche Intensiv- und Beatmungskapazitäten aufgebaut haben, eine korrekte Dokumentation sicherstellen? Wenn in ehemaligen Aufwachräumen jetzt unter Hochdruck Leben gerettet werden?

Ganz besonders freuen werden sich jetzt übrigens die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, die nun vorübergehend Krankenhaus spielen dürfen. Denn für diese gilt nun auch ein Abrechnungssystem, von dem diese Einrichtungen bisher nur entfernt gehört haben. Selbstverständlich verfügen sie auch nicht über die notwendigen Dokumentations- und Abrechnungsverfahren, geschweige denn über die für die Abrechnung nötigen Budgetvereinbarungen mit den Krankenkassen.

Den Daten frönen

Aber eigentlich ist es nur konsequent, weiter dem Gott des Papiers und der Daten zu frönen. Denn auch die Prüfer des Medizinischen Dienstes haben sich offensichtlich schon auf die neuen Zeiten eingestellt und überziehen die Krankenhäuser nun mit einer irrwit-zigen Anzahl von zum Teil hanebüchenen Anfragen. Und trotz der Berichte in den Nachrichten, was diese neue Situation für die Krankenhäuser und deren Mitarbeiter bedeutet, sind sich manche Prüfer nicht zu schade, die stationäre Behandlungsbedürftigkeit von Covid19-Verdachtsfällen in Frage zu stellen.

Mit gesundem Menschenverstand wäre die Lösung einfach und eindeutig: Weg mit diesen bürokratischen Hürden in einer Zeit, in der es um nichts anderes geht, als Leben zu retten. Und her mit dem Geld, das die Krankenhäuser jetzt brauchen – ohne wenn und aber. Doch mit dem gesunden Menschenverstand ist es halt so eine Sache – genauso wie mit denen, denen man irgendwann gar nichts mehr glaubt, weil sie ihre Versprechen schon zu oft gebrochen haben.
(Michael Kelbel)
(Der Autor ist Geschäftsführer der Krankenhaus Agatharied GmbH)

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