Wirtschaft

Wenn das Wasser aus den Gebäuden verschwunden ist, muss nach Schäden gesehen werden. (Foto: dpa)

07.06.2013

„Nach der Flut ist immer vor der Flut“

Zweiter Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau fordert mehr Investitionen in den Hochwasserschutz

Die Pegel sind teilweise gefallen und so langsam wird das Ausmaß der Schäden durch das jüngste Jahrhunderthochwasser sichtbar. Wir sprachen mit Professor Norbert Gebbeken, dem zweiten Vizepräsidenten der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, darüber, was Betroffene Hausbesitzer jetzt tun müssen. BSZ: Was ist jetzt zu tun, wenn das Hochwasser abgeflossen ist?
Gebbeken: Man sollte auf jeden Fall die Schäden von einem Statiker begutachten lassen. BSZ: Warum?
Gebbeken: Weil dieser beurteilen kann, ob die Risse, die eventuell aufgetreten sind, auf größere Schäden am Gebäude hindeuten oder nicht. Beim Alpenhochwasser im August 2005 ging man ja auch von vielen Totalschäden an Gebäuden aus. Doch das war eine komplette Fehleinschätzung. BSZ: Wieso?
Gebbeken: Weil viele Häuser renoviert werden konnten. Aber das Urteil Totalschaden fällten eben keine Bausachverständigen. BSZ: Und wie finden Betroffene jetzt solche Experten?
Gebbeken: Bei uns, bei der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Wir haben für ganz Bayern die Listen der Statiker vor Ort. BSZ: Kommen denn diese Fachleute nach so einem Jahrhunderthochwasser nicht automatisch vorbei, um die Schäden zu begutachten?
Gebbeken: Nein. Die muss man schon anfordern. BSZ: Und was kostet das dann?
Gebbeken: Laut der Honorarordnung, die uns die Oberste Baubehörde genehmigt hat, sind das 105 Euro brutto pro Stunde. BSZ: Aber wenn zum Beispiel Wände eingestürzt sind, ist doch ein Haus sowieso nicht mehr zu retten, oder?
Gebbeken: Das kann man so pauschal nicht sagen. Das muss wirklich ein Fachmann beurteilen. Bei großen Verformungen zum Beispiel kann man eventuell das Gebäude durch Hindrücken retten. Oder man muss nur einen Teilabriss vornehmen. Wenn Geschiebe, das die Flüsse mit sich führen, in die Gebäude eingedrungen ist, ist es ebenfalls ratsam, dem Expertenrat Folge zu leisten. Denn gerade wenn man dieses Material schlecht oder unerfahren abräumt, kann es zu erheblichen Folgeschäden am Gebäude kommen.
BSZ: Wie beurteilen Sie eigentlich die Hochwasserschutzmaßnahmen, die in den letzten Jahren im Freistaat Bayern und in den anderen Bundesländern realisiert wurden?
Gebbeken: Im Prinzip sind die sehr gut. Nur muss man sich fragen, ob angesichts der prognostizierten Wetterextreme, die wir im Zuge des Klimawandels bekommen, die getätigten Maßnahmen ausreichen. Die Niederländer zum Beispiel definieren für ihren Hochwasserschutz eben kein Jahrhunderthochwasser, sondern ein zehntausendjähriges Hochwasser. BSZ: Was bedeutet das?
Gebbeken: Dass eben wesentlich mehr investiert werden muss, um höhere Pegelstände abfangen zu können. Hierzulande haben wir derartige Schutzmaßnahmen nur für unsere Atomkraftwerke und für unsere Küstenhäfen und Sonderinfrastrukturen.
BSZ: Glauben Sie, dass politisch Verantwortliche in Kommunen und im Freistaat für diese Mehrkosten eintreten?
Gebbeken: Nach so einem Hochwasser ist die Bereitschaft schon gegeben. Aber in der Bevölkerung ist das schnell wieder vergessen. Und so sinkt zum Beispiel auch die Akzeptanz von Siedlungsverboten in Hochwasser gefährdeten Gebieten. Denn das Stückchen Land ist ja dann nichts mehr wert, wenn man dort nicht mehr bauen darf. BSZ: Also haben wir aus den Hochwassern von 2002 und 2005 nichts gelernt?
Gebbeken: Schon, aber vielleicht zu wenig. Denn nach der Flut ist immer vor der Flut. Niemand kann sagen, ob das nächste Extremhochwasser erst in ein paar Jahren oder vielleicht schon in ein paar Monaten wiederkehrt.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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