Wirtschaft

Bayerns Sparkassen-Präsident Ulrich Netzer warnt vor der "Nullzins-Diät". (Foto: dpa)

27.03.2015

Netzer: Niedrigzinsniveau ist gefährlich

Sparkassenverband Bayern blickt auf ein gutes Jahresergebnis für 2014 zurück

Die bayerischen Sparkassen sind noch gut unterwegs, so die Aussage von Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern. Und das, obwohl man als dezentraler Finanzdienstleister „starken Herausforderungen“ ausgesetzt ist, denen man sich aber stellen werde. In diesem Zusammenhang nannte Netzer die „Nullzins-Diät“ der Europäischen Zentralbank (EZB), die Brüsseler Regulatorik und die Digitalisierung.
Das Ergebnis der bayerischen Sparkassen für das Jahr 2014 fällt besser aus als man es vor dem Hintergrund von niedrigen Zinsen und kostenintensiver Regulierungen erwarten konnte. Ein Kreditwachstum um 3,1 Prozent auf 116 Milliarden Euro und ein Einlagenwachstum um 2,9 Prozent auf 146 Milliarden Euro zeigen einen neuerlichen Vertrauenszuwachs bei den Kunden, freute sich Netzer. Die addierte Bilanzsumme der bayerischen Sparkassen stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 186 Milliarden Euro (2013: 182 Milliarden Euro). Dabei erzielten sie ein Betriebsergebnis vor Bewertung von rund 1,8 Milliarden Euro. Nach Bewertung ergibt sich ein Jahresüberschuss von 341 Millionen Euro. Dies ermöglicht, so der Präsident des Sparkassenverbands, eine erneute Stärkung des Eigenkapitals. Die Kernkapitalquote der bayerischen Sparkassen liegt jetzt bei 15,5 Prozent.
Neben dem Zuwachs bei den Kundeneinlagen hat laut Netzer bei den Kunden auch die Zurückhaltung im Wertpapiergeschäft nachgelassen. Die bayerischen Sparkassen konnten mit 469 Millionen Euro einen deutlich positiven Nettoabsatz erzielen. Investiert wurde dabei hauptsächlich in Investmentfonds. „Dass das Wertpapiergeschäft nicht noch stärker gewachsen ist, obwohl insgesamt mehr freie Mittel als in den Vorjahren bei den Sparkassen angelegt wurden, zeigt uns, dass unsere Kunden nach wie vor ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis haben“, erklärte der bayerische Sparkassen-Präsident.
Die Einlagen der bayerischen Sparkassen kommen zu mehr als drei Vierteln von Privatkunden. Sie konnten 2014 um knapp 2,5 Milliarden Euro (+ 2,2 Prozent) gesteigert werden. Unternehmenskunden vertrauten den Sparkassen sogar um 5,5 Prozent mehr Einlagen an als im Vorjahr (+ 1,1 Milliarden Euro).
Netzer erklärte auch, dass die Sparkassen ihre Prozesse überprüfen und optimieren werden. Im Mittelpunkt aller Überlegungen stünden dabei stets die Kunden und deren Bedürfnisse. Ein Wandel in der Kundennachfrage nach Finanzdienstleistungen ziehe deshalb auch strukturelle Veränderungen bei den Sparkassen nach sich. Aus diesem Grund werde das Filialnetz umgebaut. Kleinere Filialen könnten, beziehungsweise werden, mit größeren zusammengefasst. Gleichzeitig betonte der Sparkassen-Präsident, dass die Sparkassen in der Fläche erhalten bleiben.
Wie bereits eingangs erwähnt, kritisierte Netzer harsch das anhaltend niedrige Zinsniveau. „Die Zinsen bekommen eine Nulldiät verordnet, doch unter den Nebenwirkungen leiden extrem die Sparer und das einfache, aber solide Geschäftsmodell Sparkasse.“ Die bayerischen Sparkassen müssen sich jetzt auf einen deutlichen Rückgang ihres Zinsüberschusses einstellen. Mit Blick auf die Zukunft nehmen sie deshalb schon jetzt Prozess- und Kostenoptimierungen vor und entwickeln ihre Geschäftsfelder auf modernen Vertriebswegen weiter.
„Die Risiken und Nebenwirkungen der politisch gewollten, aber folgenschweren Niedrigzinspolitik der EZB tragen am Ende andere, als diejenigen, deretwegen man diese Politik gefahren wird“, erklärte Netzer. Die Sparkassen seien ein Stabilisator der Volkswirtschaft während der Finanzkrise gewesen und würden jetzt trotzdem über Niedrigst- bis Nullzinsen büßen. Auf dem Rücken der Sparer werde ausgetragen, was die EZB den Staaten zukommen lässt.
„Die Politik der EZB schürt den Eindruck, dass sich Sparen nicht mehr lohnt und unterminiert damit das System der privaten Altersvorsorge“, kritisierte Netzer. Die Folgen für die alternde Gesellschaft seien nicht absehbar. „Denn natürlich ist Sparen auch jetzt noch sinnvoll: Es geht darum, sich Mittel für die eigene Zukunft zu sichern. Das gilt eben auch, wenn sich das Kapital nicht in dem Maß vermehrt, wie wir es gewohnt waren. Das Signal, das die EZB mittelbar an Sparer sendet, ist gefährlich.“
Auch der Landesobmann der bayerischen Sparkassen, Walter Strohmaier, zeigte sich angesichts der Zinsentwicklung besorgt: „Sparen bringt nichts, Verschulden kostet nichts – das birgt die Gefahr von Überschuldungen. Und es kann zu strukturpolitischen Veränderungen des Regionalbankensystems führen, die weder Verbraucher, noch der Mittelstand oder die bayerische Gesellschaft haben wollen.“ Der bayerische Mittelstand wolle sich aber auch in Zu-kunft auf das erfolgreiche Hausbankensystem verlassen können, das die langfristige Unternehmensfinanzierung gewährleistet. Sinnfreie Bürokratie identifizieren und abbauen Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern, wies darauf hin, dass die Sparkassen durch Finanzmarktregulierung in eine Kostenspirale geraten: „Negative Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Regulierungsvorhaben, die sich teilweise sogar auf dasselbe Ziel beziehen, zeigen sich jetzt immer mehr.“ Er mahnte deshalb eine umfassende Überprüfung der Regulierungsmaßnahmen an, die infolge der Finanzmarktkrise ergriffen wurden.
„In der Ausgestaltung der europäischen Kapitalmarktunion liegt jetzt eine Chance, sinnfreie Bürokratie zu identifizieren und abzubauen“, erklärte Schmautz. Den Abbau bürokratischer Hürden fordert er auch bei den neuen Regeln zum Verbraucherschutz: „Warum gibt es für Kunden keine Möglichkeit auf aufwendige Beratungsprotokolle zu verzichten, wenn es um kleinere Abschlüsse, zum Beispiel einen Investmentsparplan, geht?“ (Friedrich H. Hettler)

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