Wirtschaft

Kaum jemand weiß, dass Develey in Dingolfing die größte Ketchup-Fabrik Deutschlands betreibt. (Foto: Härtl GmbH)

08.09.2017

Reden wir übers Essen

Bei einer Veranstaltung in Deggendorf kam Erstaunliches zutage

Angeblich wissen 70 Prozent der Deutschen regionale Nahrungsmittel zu schätzen – und sind auch bereit, dafür ein paar Euro mehr zu bezahlen. Bei einem Sonntagsstammtisch dazu in Deggendorf wurde aber schnell deutlich, dass die Bauernmärkte und Hofläden nur ein Nischenprodukt sind. Vier Prozent der landwirtschaftlichen Erzeugnisse werden auf diese Weise an die Frau und an den Mann an die gebracht. 96 Prozent der niederbayerischen Ernten nehmen jedoch andere Vertriebswege. Die Diskussionsrunde war mal nicht hochkarätig besetzt, dafür saßen Praktiker am Tisch, die aus ihrer Erfahrung viel Überraschendes erzählen konnten. Mit diesem Sonntags-Stammtisch ist dem Deggendorfer Oberbürgermeister Christian Moser wieder mal ein Coup gelungen. Denn wenn man auch der Laberrunden im Fernsehen überdrüssig ist, so gab´s hier 90 Minuten lang spannende Informationen. Die Deggendorfer Kreisbäuerin Rosmarie Mattis zum Beispiel konnte nur lachen auf die Frage, ob nicht nur die Erntehelfer, sondern auch die Bauern selbst auf den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn kommen. Da sei gar kein Drandenken, die ganze Familie muss mithelfen – aber Mindestlohn gibt´s eben nur für angestellte Helfer. Das bedrücke die Bauern sehr. Wer es sich leisten könne, versuche, in den Herkunftsländern der Erntehelfer Land zu kaufen und dort anzubauen – wegen der viel günstigeren Löhne.

Weh getan haben den niederbayerischen Landwirten die Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden. Vor allem die Schweinezüchter wussten nun nicht mehr, wohin mit großen Teilen des Schlachtviehs. Da waren die Russen über Jahre zuverlässige Kunden. Inzwischen sind neue Abnehmer gefunden, sagte Dr. Heinrich Niedermaier, der Leiter des Amtes für Ernährung und Landwirtschaft.

Wie kommen die Preise am Bauernmarkt zustande? Orientieren sich die Anbieter an den Preisen im nächsten Supermarkt? Alfred Niedermüller, Chef des Bauernmarktvereins, schüttelte den Kopf. Da wird exakt kalkuliert: Wie hoch ist der Arbeitseinsatz, was kostet der Strom, das Wasser, die Erntehelfer? Jeder Posten wird berücksichtigt – und dann weiß man, was man verlangen muss.

Geflügelzüchter haben es schwerer


Die Geflügelzüchter haben es da etwas schwerer. Denn die Eierpreise haben sich seit etwa 50 Jahren nicht verändert. Massentierhaltung lehnt Anton Hofmann ab, seinen 1500 Legehennen geht´s gut. Und nach zwei Jahren verkauft er sie als lebende Suppenhühner. Vermutlich scharren sie dann in privaten Gärten noch lange herum und legen ihre Eier. Auch vom Huhn wird jedes Teil verkauft. Bei den Hühnerbrüsten und den -schenkeln weiß man, dass sie in den Kühltheken landen. Aber auch für die weniger begehrten Teile müssen Abnehmer gefunden werden – zum Beispiel in kleinen Fabriken für Katzenfutter. Nur die Hühnerfüße – der Fachmann spricht vom Ständer – haben noch keine Liebhaber gefunden. Vielleicht böte da der chinesische Markt noch eine Chance. So einfallsreich wie die Bauern sind, ist das nicht unwahrscheinlich.

Warum kennt jeder die Spreewaldgurken – und niemand spricht von der Gurke aus dem Gäuboden, obschon doch hier die meisten Gurken angebaut werden. Isidor Neumeier, Geschäftsführer des Lebensmittelgroßhandels Innstolz, verriet ein Geheimnis: „Manche Spreewaldgurke spricht niederbayrisch“, sagte er. Innstolz produziert im Rottal Käse. Angeboten aber wird er aber als Ware aus Thüringen. Alle Zuhörer schüttelten verwundert den Kopf. Des Rätsels Lösung: Für die kleine Käseproduktion lohnt sich keine aufwendige Schneidemaschine, die Käselaibe werden also in Thüringen aufgeschnitten. Und die letzte Station, die ein Produkt durchläuft, taucht auf dem Herkunfts-Etikett auf.

Staunen auch, dass ausgerechnet in Dingolfing die größte Ketchup-Fabrik Deutschlands arbeitet. Die Tomaten kommen zwar aus Italien, aber der Zucker geht sozusagen vom Feld direkt in die Ketchupflaschen.

Wenn´s um die Vermarktung geht, sind die Landwirte überaus einfallsreich. Da gibt es gekühlte „Tankstellen“ für Frischmilch, an denen rund um die Uhr gezapft werden kann. Automaten geben Kartoffeln frei. Und natürlich sind die Hofläden ein Renner. Die Landwirtschaftsämter haben alle Bezugsquellen ins Internet gestellt. (Karl Jörg Wohlhüter)

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