Wirtschaft

In München gibt es mit sechs Tageszeitungen die größte gedruckte Tagespressevielfalt Deutschlands. (Foto: dpa)

21.12.2012

Shoppen leicht gemacht

Bayerns Zeitungsmarkt steht nach Ansicht von Experten vor einer weiteren Konzentrationswelle

Die Medienkonzentration in Bayern droht sich in den kommenden Jahren weiter zu verschärfen. Das befürchten zumindest die beiden großen Journalistengewerkschaften. Derzeit gibt es im Freistaat noch elf große Tageszeitungsverlage. „Nach der zu befürchtenden Konzentrationswelle werden es meiner Einschätzung nach nur mehr fünf bis sieben sein“, prophezeit Wolfgang Stöckel, Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbands (BJV). Dadurch leide die Meinungsvielfalt. Und auch Kalle-Kaschel Arnold von der Deutschen Journalisten-Union ist überzeugt: „Die Meinungsvielfalt im Freistaat ist akut bedroht.“
Fusionswettlauf befürchtet
Hauptgrund für den von BJV und DJU befürchteten Fusionswettlauf ist die im Oktober vom Bundestag beschlossene Lockerung des Kartellrechts. Derzeit beschäftigt sich zwar noch der Bundesrat mit dem Gesetz. Die Länderkammer hat den Vermittlungsausschuss angerufen, um Änderungen für den Bereich der gesetzlichen Krankenkassen zu erzwingen. Dass das neue Wettbewerbsrecht im kommenden Jahr in Kraft tritt, gilt jedoch als sehr wahrscheinlich. Zeitungsverlage müssen demnach künftig einen geplanten Zusammenschluss erst bei einem gemeinsamen Umsatz von 62,5 Millionen Euro beim Kartellamt anmelden. Bislang lag diese Schwelle bei 25 Millionen Euro. Die Bundesregierung will damit vor allem kleine und mittelständische Presseunternehmen in Konkurrenz zu digitalen Medien stärken.
Zugleich wird eine neue Klausel für so genannte Sanierungsfusionen eingeführt. Demnach ist der Zusammenschluss angeschlagener Zeitungshäuser künftig unter bestimmten Voraussetzungen selbst dann möglich, wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht. Bedingung ist, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren einen erheblichen Verlust machte, seine Existenz gefährdet ist und kein anderer Interessent gefunden wurde. Hinzu kommt eine Bagatellregelung, die den Kauf von Kleinstverlagen mit einem Umsatz von weniger als 1,25 Millionen Euro erleichtern soll. Die Klausel könne einem Zeitungsverlag helfen, ein Anzeigenblatt zu erwerben, begrüßt Markus Rick, Geschäftsführer des Verbands Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV), die Regierungspläne.
Um sich gegen sinkende Auflagen und die steigende Konkurrenz durch das Internet zu wappnen, haben Bayerns Großverlage ohnehin jüngst fleißig zugekauft. So hatte etwa die Verlagsgruppe Pressedruck, zu der auch die Augsburger Allgemeine gehört, 2011 die Würzburger Main Post übernommen. In diesem Jahr erwarb die Verlagsgruppe Passau (Passauer Neue Presse) das Trostberger Tagblatt und den Traunreuter Anzeiger. „Die Verlage hoffen, so mehr von dem insgesamt kleiner werdenden Auflagen-Kuchen abzubekommen“, sagt BJV-Chef Stöckel. Dies sei eine natürliche Entwicklung, unter der jedoch die Medienvielfalt leiden könne. Denn laut dem Dortmunder Kommunikationswissenschaftler Horst Röpper „ist eine Vielzahl miteinander konkurrierender Zeitungen die Voraussetzung für inhaltliche Vielfalt“.
 Doch mit der Vielfalt im Freistaat sieht es zunehmend schlechter aus. Laut VBZV sind derzeit 59 der 96 bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte so genannte „Einzeitungs“-Landkreise. Das bedeutet, in 61,5 Prozent der Landkreise und Städte kann der Leser nur mehr auf eine einzige Lokalzeitung zurückgreifen. Selbst in größeren Städten wie Augsburg, Würzburg und Passau haben mitunter einzelne Blätter das Monopol auf die Berichterstattung vor Ort. So deckt etwa die Augsburger Allgemeine weitgehend alleine das gesamte bayerische Schwaben ab. Und die Passauer Neue Presse sowie das Straubinger Tagblatt teilen sich Niederbayern untereinander auf. Selbst in Nürnberg ist das Angebot an regionaler Berichterstattung seit der Pleite der Nürnberger Abendzeitung deutlich eingeschränkt.
Problematisches Allgäu
„Für die Demokratie vor Ort kann es problematisch sein, wenn nur mehr eine Zeitung über die Lokalpolitik berichtet“, warnt Gewerkschafter Kaschel-Arnold. So könne leicht eine politische Meinung von Seiten des vorherrschenden Verlags bewusst unterdrückt werden. „In der öffentlichen Meinung kommt ja nur das vor, was auch in der Zeitung steht“, ist er überzeugt. Besonders problematisch sei die Situation in manchen Regionen wie dem Allgäu. Dort besitze schon heute ein und derselbe Verlag die letzte verbliebene Regionalzeitung und den einzigen lokalen Radiosender, so der Verdi-Mann.
Dennoch heißt in einer für die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) angefertigten Studie des Medieninstituts Ludwigshafen, dass die Presse- und Rundfunklandschaft im südlichsten Bundesland so vielfältig sei wie nirgendwo sonst in der Republik. Tatsächlich ist die Konzentration des Zeitungsektors in den meisten Bundesländern noch weiter fortgeschritten als hierzulande. Bereits im Jahr 2004 gab es in mehr als zwei Drittel der deutschen Landkreise und kreisfreien Städte nur mehr eine Regionalzeitung. 58,8 Prozent der täglich ausgelieferten Zeitungsexemplare stammen aus den zehn größten Verlagsgruppen der Republik. 2004 lag dieser Wert noch bei 56,1 Prozent. Und selbst in Großstädten wie Hamburg besitzt mitunter ein Verlagshaus fast alle Zeitungen. Paradiesisch im Vergleich dazu ist die Situation für die Münchner Leser. An der Isar können sogar sechs Zeitungen mit einem eigenen Lokalteil aufwarten.
Beim VBZV hofft man derweil auf eine baldige Umsetzung der Reform. „Die Novelle ist eine Reform mit Augenmaß“, sagt VBZV-Chef Markus Rick. Sie ermögliche Zeitungsverlagen in bestimmten Fällen mehr Bewegungsfreiheit, „ohne die große Zeitungs- und Meinungsvielfalt im Freistaat zu gefährden“. Es sei Zeit, das fast 40 Jahre alte Pressekartellrecht der verstärkten Konkurrenzsituation mit dem privaten Rundfunk und dem Internet anzupassen.
(Tobias Lill)

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