Wirtschaft

Geschäftsführer Sven Rosenberger steht in der Produktion des Seil-Spezialisten Liros in Berg (Landkreis Hof) neben einer Maschine. Liros stellt Seile für Jachten, Gleitschirme, Kletterausrüstungen, Forsttechnik, Industrie und auch die Bühnentechnik im Theater her. (Foto: dpa)

17.02.2014

"Spezialisten haben überlebt"

Wandel in Oberfrankens Textilbranche

In den hohen Lagerregalen reiht sich Spule an Spule. In der Produktionshalle sind zig Flechtmaschinen in Betrieb. Im Labor wird geprüft, ob das Seil wirklich zehn Tonnen Last trägt. Vor drei Jahren hat die Firma Liros im oberfränkischen Berg (Landkreis Hof) ihre neue Zentrale und ihre modernen Produktionsräume bezogen. Hergestellt werden Seile für Jachten, für Gleitschirme, für Kletterausrüstungen, für Forsttechnik, für Bühnentechnik im Theater, für die Industrie.
Angefangen hat alles vor 160 Jahren mit einer Seilerei. Liros hat also den Strukturwandel in der Textilbranche gemeistert. Und produziert noch immer in Bayern.
Das nördliche Oberfranken war vor vielen Jahrzehnten einmal ein Zentrum der Textilindustrie. Spinnereien, Webereien und Nähereien boten den Menschen sichere Arbeitsplätze. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. 1950 hatte die Textilbranche noch einen Anteil von mehr als 30 Prozent an den oberfränkischen Industriearbeitsplätzen -heute sind es gerade einmal 5,6 Prozent.
Massenware kommt längst aus Fernost. Aber: "Die Spezialisten haben überlebt. Sie haben sich erfolgreich eine Nische gesucht", sagt Heribert Trunk, Präsident der oberfränkischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Etwa 10.000 Menschen in der Region arbeiten derzeit in der Sparte, 1986 waren es noch etwa doppelt so viele. Die Zahl der Betriebe sank von 150 im Jahr 1986 auf unter 100 im Jahr 2006.
Auch der Präsident des Verbandes der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie, Christian Heinrich Sandler, stellt fest: "Der Strukturwandel ist geschafft." Die Unternehmen seien erfolgreich am Markt, die Mitarbeiter motiviert. Sandler selbst führt den gleichnamigen Vlieshersteller, der beispielsweise die Auto- oder Filterindustrie beliefert und komplett im oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale produziert.
Klar, man hätte statt des Neubaus auch in eine Fertigung in Osteuropa investieren können, sagt Sven Rosenberger, der Liros mit seinem Cousin Karl Friedrich in fünfter Generation führt. Aber man habe sich dann entschieden, eine "logistisch optimierte" Fertigung in Deutschland aufzuziehen. Eine der modernsten Flechtereien Europas sei deshalb entstanden, etwa 160 Mitarbeiter habe Liros. "Man muss immer diesen Schritt voraus sein", sagt Rosenberger. Bange vor Konkurrenz aus Fernost oder Osteuropa ist ihm nicht - denn gerade mit der heimischen Fertigung könne man flexibel auf Kundenwünsche reagieren. "Und wir haben eine unglaubliche Bandbreite."
Dank des großen Lagers können Bestellungen schnell ausgeliefert werden. Stets habe man auch die Märkte wegen möglicher neuer Produkte im Blick, sagt Rosenberger: "Es gibt fast unendlich viele Anwendungen für Seile." Auch das Unternehmen habe sich stets gewandelt - in den 1950er Jahren waren Wäscheleinen der Renner, wenige Jahre später kam der Wassersport dazu. Heute fänden sich Liros-Produkte auf der ganzen Welt - in olympischen Segelbooten genauso wie in Astscheren oder in Industrieprodukten. Mehr als 50 Prozent der Produktion geht in den Export.
Liros ist also das, was Verbandschef Sandler einen "hidden champion" nennt - in seiner Nische führend, doch die Nische ist so versteckt, dass die breite Öffentlichkeit sie kaum wahrnimmt. Das ist ein Problem, mit dem die Region zu kämpfen hat: Trotz Bevölkerungsschwunds ist die Industriedichte extrem hoch, die Betriebe trotzen mit Innovation den Niedriglohnländern. Aber kaum jemand merkt's - da der Verbraucher mit Namen wie Sandler und Liros wenig anfangen kann. Bekannte Autohersteller oder Produzenten von Konsumgütern hätten es da einfacher.
An diesem Punkt bringt IHK-Chef Trunk den drohenden Fachkräftemangel ins Spiel. Gerade die Textilbranche habe um guten Nachwuchs zu kämpfen, sagt er. Viele glaubten immer noch, hier gebe es keine Perspektive, der Niedergang sei noch immer nicht gestoppt. Dabei seien die Betriebe zukunftsfähig - Textil sei etwa in der Autoindustrie als Werkstoff immer stärker gefragt. "Natürlich hat die Branche heute nichts mehr mit der Masse an Unternehmen von früher zu tun. Aber die, die noch da sind, sind spitze."( Kathrin Zeilmann, dpa)

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