Wirtschaft

Freiwillige Feuerwehren sind als Vereine organisiert. Wenn sich jetzt der Vorstand als rechtliche Person für den Verein registrieren muss, steigt die Scheu vieler Menschen noch mehr, eine verantwortliche Position im Verein einzunehmen. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

23.04.2021

Vereine fürchten ein Bürokratiemonster

Der Kampf gegen Geldwäsche und das Transparenzregister

Deutschland ist ein Paradies für Geldverstecker. Mindestens 100 Milliarden Euro aus kriminellen Quellen werden jedes Jahr im Land gewaschen. Seit 2020 soll ein zentrales Transparenzregister zusätzlich Licht ins Dunkel der Geldwäsche und Terrorfinanzierung bringen.

Das deutsche Geldwäschegesetz sieht seit 2020 ein zentrales Transparenzregister vor. Dazu müssen sich Unternehmen, Stiftungen und eingetragene Vereine, auch der kleinste, registrieren. Diese Verpflichtung sorgt bei Kommunen und Vereinen für jede Menge Ärger.

Dabei ist längst bekannt: Das organisierte Verbrechen macht seine Geschäfte nicht auf den gut ausgeleuchteten Wirtschaftsplätzen, sondern vielfach in den kleinen Strukturen. Die rund 800 000 eingetragenen Vereine in Deutschland könnten durchaus zur Zielscheibe organisierter Kriminalität werden.

Überall soll man sich registrieren

Auch in Bayern haben in den vergangenen Wochen viele Vereine Post bekommen. Als Edmund Beiderbeck in Rettenbach bei Cham den Brief vom Bundesanzeiger-Verlag in Händen hielt, hatte er ihn zunächst für einen Betrugsversuch oder „Fake“ gehalten. „Zumindest aber für einen schlechten Scherz“, sagt er.

Tatsächlich kursieren in Teilen Deutschlands E-Mails, in denen Vereine aufgefordert werden, sich gegen Gebühr anzumelden. Diese Mails können Betroffene laut Bundesfinanzministerium getrost ignorieren. Den Brief vom Bundesanzeiger-Verlag aber sollten Vereinsvorstände wie Edmund Beiderbeck ernst nehmen.

Die Gebührenbescheide für 2017 bis 2020 gingen an alle, auch die ehrenamtlichen Institutionen von der Feuerwehr, über den Sportverein bis zum Reservisten und Kriegerverein von Beiderbeck oder dem Nachbarschaftsverein in Brennberg. Die Beträge sind gering. Sie reichen von 1,25 Euro bis 4,80 Euro. Der Geldbetrag sei ja eine „Nichtigkeit“, sagt Beiderbeck. Aufgebracht ist er dennoch. Neben der „wenig transparenten“ Kommunikation stört ihn vor allem die Registrierung. „Ich als Vorstand, nicht der Verein, ich als Person muss mich registrieren“, wettert er. Überall soll man sich registrieren.“

Der Aufbau eines Vereins biete schon jetzt einige Instrumente zur Kontrolle. Gemeint ist die jährliche Kassenprüfung. Alle drei Jahre kommt eine Steuerprüfung hinzu. Für Beiderbeck ist die zusätzliche digitale Transparenz nicht zuletzt auch eine Frage des Datenschutzes. Er sieht in der Registrierungspflicht eine Gefahr für die Vereinsstrukturen und prophezeit: „Wenn jeder Vorstand sich als rechtliche Person für den Verein registrieren muss, wird die Scheu vieler Menschen noch größer werden, im Ehrenamt eine verantwortliche Position einzunehmen. Ähnlicher Widerstand kommt vom Verband Deutscher Familienunternehmer. Er fürchtet, das Transparenzregister unterlaufe das deutsche Steuergeheimnis.

Dagegen kann man gar nicht sein

Im Nachbarort Brennberg lag die Aufforderung ebenfalls im Briefkasten. Irmgard Sauerer, Bürgermeisterin des 2000-Seelen-Ortes im Landkreis Regensburg und erste Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins ist über die Gebühren genauso entsetzt. Ihre Kritik richtet sich nicht gegen das Register. „Dagegen kann man ja gar nicht sein“, sagt sie. Es sei ja nicht so, als wenn die Gefahr, zur Zielscheibe von Geldwäschern zu werden, nicht bestünde. Eine Ausnahme für die Vereine kommt für sie deshalb nicht infrage. Die Beitragsgestaltung aber störe sie: „Man kann nicht erst ein Gesetz machen und im Nachhinein Geld verlangen. Wir sind ein sehr kleiner Verein. Kaum 100 Mitglieder und 80 Prozent Senioren. Wenn ich das mal zusammenrechne, dann ist das in der Summe schon ein Mitgliedsbeitrag im Jahr. Den Kleinstvereinen ist schon geholfen“, sagt sie, „wenn der Gesetzgeber die Kosten für die Verwaltung des Registers bis zu einem Beitrag von 25 Euro übernimmt.

Die mangelnde Kommunikation des Bundesfinanzministeriums hat auch Kommunen und die Landespolitik auf den Plan gerufen. Tobias Gotthardt, für die Freien Wähler im Bayerischen Landtag, kritisiert vor allem den bürokratischen Aufwand für die Vereine und sieht „nur ein weiteres Bürokratiemonster“ heraufziehen. Wie die Brennberger Bürgermeisterin fordert er einen Pauschalbetrag für Vereine. Darüber hinaus aber auch eine Copy-and-paste-Strategie (kopieren und einfügen) für die Registrierung. Aus der Datenbank der Vereinsregister ließen sich die gewünschten Informationen kopieren. „Das Transparenzregister ist ja nicht das einzige Instrument im Kampf gegen Geldwäsche“, so seine Kritik. Er sei aber schon froh, wenn man einsieht, dass das pauschal abgerechnet werden sollte.

Geld verstecken

Die Dramatik des bayerischen Landespolitikers teilt Stephan Klaus Ohme, Leiter der Arbeitsgruppe Finanzwesen bei Transparancy International, nicht. „Die Technik der Umsetzung kann man kritisieren“, sagt er der Staatszeitung. Entscheidend sei aber die Zielsetzung des Gesetzes.

Weit mehr noch als Vereine seien Stiftungen geeignet, Geld zu verstecken, erklärt Ohme. „Die Vereine sind quasi, wie beim Fischen der Beifang“, erklärt er. Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen. „Für die meisten dürfte das wohl kein Problem sein.“

Im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist Transparenz in allen wirtschaftlichen Vereinigungen unverzichtbar. Kriminelle sollen weniger Gelegenheit bekommen, illegale Einnahmen zu verstecken und ihre Eigentums- und Vermögensverhältnisse zu verschleiern. Das ist in Deutschland deshalb so einfach, weil die Strukturen kompliziert sind. Neben der wirtschaftlichen Attraktivität sind vor allem zu viele Schnittstellen die Gründe dafür, warum Kriminelle leicht untertauchen können.

Der Financial Action Task Force (FATF), eine internationalen Organisation zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung, geht es dabei aber nicht nur um Deutschland. 2021 findet zum ersten Mal auf internationaler Ebene eine systematische Prüfung mit Blick auf die Schattenfinanzstrukturen durch die FATF statt. Deutschland gilt als Geldwäscheparadies. Nach dem Wirecard-Skandal stehe Deutschland besonders auf dem Prüfstand. Aus Sicht der Bundesregierung ist das Ergebnis der Prüfung auch ein Indikator für das internationale Standing Deutschlands. Im Schattenfinanzindex steht Deutschland auf Platz 22.

Empfehlung der Financial Action Task Force

Die FATF hat in ihren 40 Empfehlungen an die Bundesregierung unter Punkt acht empfohlen: „Wohltätigkeitsvereine müssen sich erklären.“ Grund ist: In vielen Ländern gewinnen Wohltätigkeitsvereine über Spenden Vereinsvermögen. Ganz gleich aus welchen Quellen, das Geld gelangt so in einen legalen Wirtschaftskreislauf. Das Transparenzregister ist bewusst als Vollregister angelegt, ganz gleich in welcher Behörde der Betreffende bereits geführt wird. So soll die Möglichkeit, sich verstecken zu können, durch Verweis auf andere Register abgeschnitten werden. Behörden und private Bürger*innen müssen nachvollziehen können, wer sind die wirtschaftlich Verantwortlichen.

„Das kann der nette Nachbar sein oder plötzlich eine „Umweltstiftung in Mecklenburg-Vorpommern“, sagt Ohme. Stiftungsgeber ist hierbei Gasprom. Unklar ist, ob Russlands Staatschef Vladimir Putin über den Stiftungsgeber Geld zur Verfügung stellt, um US-Sanktionen gegen Nordstream 2 zu umgehen. Die Gefahr besteht, dass wohltätige Einrichtungen missbraucht werden, zum Teil gegen ihr Wissen und ihren Willen.

Mit Blick auf das Vorgehen des Bundesanzeiger-Verlags sagt Ohme: Jeder Verein hätte sich informieren müssen. „Das war wohl nicht zu erwarten. Deshalb wurden die rund 800.000 Vereine angeschrieben.“ Mangelnde Struktur und Ausstattung hätten kein anderes Vorgehen des Verlags erlaubt.
(Flora Jädicke)

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