Wirtschaft

Bayerische Krankenversicherte zahlen mehr in den Gesundheitsfonds als Versicherte aus andern Bundesländern. Dafür erhalten sie aber paradoxerweise weniger ärztliche Leistungen. (Foto: dpa)

04.11.2016

Viel Geld für wenig Leistung

Bayern und die Finanzierung der Krankenkassen

In Bayern verstärkt sich die Unzufriedenheit über die Finanzierung der Krankenkassen. Die Menschen empfinden das System als ungerecht. Führt der Gesundheitsfonds zu regionalen Ungleichheiten, die Bayern besonders negativ belasten? Die Kosten der Kassen wachsen rasant. Bereits 2014 gaben die gesetzlichen Krankenkassen über 60 Milliarden Euro mehr aus als im Jahr 2004. Gleichzeitig verstärken sich regionale Unterschiede bei Finanzierung und Leistung der Kassen. Der im Jahr 2009 bundesweit eingeführte Gesundheitsfonds hatte das Ziel Kassen mit einer ungünstigen Versichertenstruktur und mit Schwerpunkt in benachteiligten Regionen zu stützen.

Dies hat allerdings zu neuen Ungerechtigkeiten geführt. Aufgrund höherer Löhne zahlen die Bayern pro Kopf mehr in den Gesundheitsfonds ein als viele andere Regionen Deutschlands. Doch der Rückfluss aus dem Fonds ist vergleichsweise gering, obwohl in Bayern medizinische Leistungen oft teurer sind als in einigen ärmeren Bundesländern. Kritiker sprechen daher davon, dass Bayern andere Regionen im Gesundheitssektor subventioniert.

Umstrittener Risikostrukturausgleich


Der sogenannte „Risikostrukturausgleich“ (RSA) soll als Teil des Gesundheitsfonds dafür sorgen, dass Krankenkassen mit einer ungünstigen Versichertenstruktur, zum Beispiel vielen älteren Versicherten, nicht benachteiligt sind. Seit 2009 regelt der Risikostrukturausgleich nur noch die Ausgabenseite, wobei die Verteilung der Mittel durch eine Orientierung an den Kosten für 80 chronische, meist ausgabenintensive Krankheiten geregelt wird. Durch diesen „Morbi RSA“ werden die im Gesundheitsfonds gesammelten Beitragsgelder der Mitglieder an die Krankenkassen verteilt. Doch der „Morbi RSA“ ist umstritten, weil kaum transparent. Manche Experten bemängeln, dass unter den ausgewählten Krankheiten, diejenigen finanziell bevorteilt seien, die zwar häufig auftreten, aber nicht besonders kostenintensiv sind.

Im September 2016 wurde außerdem in der deutschen Öffentlichkeit bekannt, dass Kassen Ärzte dafür honorieren, dass sie Diagnosen erstellen, die die für den Morbi RSA relevanten Krankheiten umfassen. Dies sichert den jeweiligen Kassen erhöhte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds.

Sigrid König, Vorständin des Landesverbandes Bayern der Betriebskrankenkassen, sieht angesichts dieser Fehlentwicklung die Politik gefordert: „Die Versicherten haben ein Recht auf richtige Diagnosen und auf einen versorgungsorientierten Einsatz ihrer Beitragsgelder. Die Politik hat dafür zu sorgen, dass alles, was dazu im Hintergrund notwendig ist, wettbewerbsneutral und ohne Verschwendung von Versichertengeldern organisiert wird.“ Die Betriebskrankenkassen sind in vorderster Front im Widerstand gegen die jetzigen Regelungen des Risikostrukturausgleichs. Die Betriebskrankenkassen sind stärker regional verwurzelt als andere Kassen, da ein Großteil ihrer Versicherten aus dem Unternehmen und seinen regionalen Standorten kommt. Viele Betriebskrankenkassen haben zudem eine eher günstige Versichertenstruktur. Dies führt zu hohen Einzahlungen und vergleichsweise niedrigen Rückflüssen aus dem Gesundheitsfonds. So beklagt Gertrud Demmler, Mitglied des Vorstandes der Siemens Betriebskrankenkasse, „ungleiche Bedingungen zwischen den Krankenkassen.“ Die Siemens Betriebskrankenkasse müsse einen überdurchschnittlichen Zusatzbeitrag erheben, der aber „zu 100 Prozent in den Gesundheitsfonds fließt“.

Regionale Komponenten einbeziehen


Die bayerische Landesregierung setzt sich für geänderte Regelungen für den Gesundheitsfonds und die stärkere Einbeziehung regionaler Komponenten ein. So spricht die bayerische Gesundheitsministerin Huml davon, dass „der Wettbewerb unter den Krankenkassen fair sein muss.“ Durch den Morbi RSA sei dies nicht mehr gewährleistet: „Er wird seiner Aufgabe für fairen Wettbewerb nicht gerecht“. Andere Kritiker gehen weiter als Huml und sehen den Morbi RSA sogar als „einen zweiten Länderfinanzausgleich“.

Allerdings sind nicht alle Regionen in Bayern gleichermaßen durch den Risikostrukturausgleich betroffen. Negativ wirkt sich dieser vor allem auf Großstädte wie München und Nürnberg und mittelgroße Städte wie Bayreuth und Regensburg aus. Der ländliche Raum ist insgesamt weniger betroffen. Eine Unterdeckung in Bezug auf Gesundheitsleistungen besteht hier kaum. Im Ganzen würde Bayern allerdings bei einer stärkeren Berücksichtigung regionaler Komponenten profitieren. Der Fehlbetrag zwischen Einzahlungen und Auszahlungen aus dem Gesundheitsfonds hat sich für Bayern innerhalb von fünf Jahren auf über eine Milliarde Euro gesteigert. Ministerin Humls Aussage dazu ist klar: „Bayerische Versichertengelder für Bayern!“
(Mathias von Hofen)

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