Wirtschaft

Hans-Peter Schmidt, Aufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgruppe und Alt-Präsident der IHK Nürnberg, hegt trotz der vielen Vorteile elektronischer Medien ihnen gegenüber eine „gesunde Grundskepsis“. (Foto: Schweinfurth)

11.04.2014

Von Dichtern und Denkern zu Klickern und Wischern

Hans-Peter Schmidt, Aufsichtsratschef der Nürnberger Versicherungsgruppe und Alt-Präsident der IHK Nürnberg warnt vor Gefahren der Digitalisierung

Die täglich wachsende E-Mail-Flut überfordert die Menschen zusehends. „Das meiste ist Müll und in Unternehmen wird umständlich entschieden“, sagt Hans-Peter Schmidt, Aufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgruppe und Alt-Präsident der IHK Nürnberg, zur Staatszeitung. Durch E-Mails würden sich alle informiert fühlen, aber kaum einer wisse, was zu tun sei. Darunter leide die Produktivität in Unternehmen. Aus diesem Grund hat vor Kurzem der Aufsichtsrat der Nürnberger mit dem Vorstand bezügeabhängig vereinbart, im laufenden Jahr 2014 die von den Mitarbeitern selbst verursachte E-Mail-Flut um 25 Prozent einzudämmen. „Ping-Pong mit den E-Mails lähmt die Unternehmen“ „Früher hat man zum Telefonhörer gegriffen, dann wurde eine Notiz gemacht und einer der beiden Gesprächsteilnehmer hat sich vereinbarungsgemäß um den Vorgang gekümmert. Heute mit den E-Mails werden eine große Anzahl von Mitarbeitern über die Kopiefunktion informiert, aber niemand kümmert sich um den Vorgang“, moniert Schmidt. Es würden viele E-Mails geschrieben, bis sich endlich jemand finden lässt, die Sache in die Hand zu nehmen. „Dieses Ping-Pong mit den E-Mails lähmt die Unternehmen“, so der Aufsichtsratschef.
Außerdem kritisiert Schmidt das Verhalten vieler Menschen in Unternehmen, die sich mit den E-Mails in Szene setzen wollen: „Da werden dann spät abends noch Mails verschickt, um den Eindruck zu erwecken, wie fleißig jemand immer noch arbeitet.“ Darum begrüßt er zum Beispiel die Vorbilder BMW und VW, die ihre E-Mail-Server ab einer gewissen Uhrzeit am Abend abschalten und erst am nächsten Morgen wieder aktivieren. Dies sei im Sinne der Mitarbeitergesundheit und Leistungsfähigkeit. „Der Mensch braucht Zeit, sich zu regenerieren“, betont Schmidt.
Trotz der vielen Vorteile der elektronischen Medien hegt er ihnen gegenüber eine „gesunde Grundskepsis“. Denn viele würden dem Irrglauben verfallen, mit einem Tablet oder Smartphone umfassend informiert zu sein. „Die Menschen fühlen sich informiert, sind es aber nicht, weil ihnen der weite Horizont fehlt“, sagt Schmidt und verweist auf die bildende Funktion von Zeitungen. „Dort erfahre ich Dinge, auf die ich nie gekommen wäre, die aber dennoch wichtig für mich sind.“ Die Informationsaufnahme im Netz hingegen verlaufe nur schmalspurig. Menschen würden nur in ihren Interessensbereichen recherchieren und hätten „keinen Blick mehr für die Dinge am Wegesrand“. Das engt nach Schmidts Ansicht den geistigen Horizont ein.
Eine Zeitung oder Zeitschrift hingegen zwinge den Leser zur Weitsicht. „Denn man hat immer eine Doppelseite vor sich, auf der unterschiedlichste Dinge stehen“, so Schmidt. Dies schule das Weiterblicken, das Erkennen von Zusammenhängen.
„Leider beginnt die Bildschirmabhängigkeit heutzutage schon sehr früh. Das geht sogar soweit, dass 18-Jährige gar kein Interesse mehr daran haben, den Führerschein zu machen“, erläutert Schmidt. Denn Jugendliche glauben, sich über die elektronischen Medien die Welt ins Haus holen zu können. Gefahr für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Diese Entwicklung beobachtet er mit größter Sorge, da sie auf längere Sicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in Gefahr bringe. „Das Volk der Dichter und Denker droht zum Volk der Klicker und Wischer zu verkommen“, sagt Schmidt in Anspielung an die Bedienung von Computermäusen und Bildschirmoberflächen von Tablets und Smartphones. So wie man über die Oberfläche hinwegwische, „wischen wir über Sachverhalte nur noch drüber“, sorgt sich Schmidt und ruft die Menschen dazu auf, verantwortungsvoll mit der allseits propagierten Digitalisierung umzugehen und wieder miteinander zu sprechen, zu telefonieren, Zeitung zu lesen.
(Ralph Schweinfurth)

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