Wirtschaft

Blaualgen sind eigentlich grün. (Foto: Wraneschitz)

28.05.2021

Was der Koi-Karpfen mit Biogas zu tun hat

Ein Forschungsprojekt mit Blaualgen aus Amberg und Berlin

Algen können den umstrittenen Mais als „Futter“ für Biogasanlagen-Bakterien ersetzen, das ist längst bewiesen. Doch lassen sich Algen gleich mehrfach nutzen, sodass sie erst am Ende einer ganzen Wertschöpfungskette in der Biogasanlage landen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Christoph Lindenberger. Und das nicht erst, seit er dem Ruf auf eine Professur an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden (OTH) gefolgt ist.

Blaualgen, – Arthrospira Platensis, kurz „A. platensis“ – sind hierzulande eigentlich ungern gesehen: Sie bringen in heißen Sommern den Badebetrieb an Seen und Weihern schon mal zum Erliegen.

Auf der anderen Seite können Zuckerpolymere aus Blaualgen, die Exopolysaccharide (EPS), beispielsweise den hochinfektiösen Koi Herpes Virus (KHV) bekämpfen: Christoph Lindenberger hat dafür EPS aus Algen extrahiert und die Wirksamkeit nachgewiesen. Er hat also sehr viel dafür getan, dass die – gerade in Südostasien hochgeschätzten und sauteuren – Koi-Karpfen bessere Überlebenschancen haben. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) verlautet dazu, dieses Verfahren sei sogar „ökonomisch tragfähig“.

Karpfenschützende Wirkung

Als Lindenberger gemeinsam mit anderen Forschern die karpfenschützende Wirkung von EPS herausfand, war er noch an der Außenstelle der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in Busan aktiv, der zweitgrößten Stadt Südkoreas.

In Amberg forscht er weiterhin an der EPS-Gewinnung aus Blaualgen. Aber beim Verbund-Projekt der OTH gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin (TU) geht es um weit mehr. Beispielsweise um die Frage: Wie können die Algenreste ohne EPS in Biogasanlagen genutzt werden?

Doch die Kopplung von Algenzucht und Biogasanlage ist nur ein Teil des Projekts. „Das Vorhaben verfolgt das übergeordnete Ziel, eine dezentral realisierbare und ökonomisch tragfähige Wertschöpfungskette für A. platensis zu entwickeln und in einer relevanten Einsatzumgebung zu testen. Die vorgeschlagene Wertschöpfungskette umfasst als primäres Produkt die Gewinnung von EPS mit antiviraler Wirkung für den Einsatz in der Süßwasserfischzucht“, heißt es vom zuständigen Förder-Projektträger FNR.

Nicht nur auf Viren schauen

Christoph Lindenberger ergänzt: „Es wird jetzt untersucht, gegen welches Virus EPS sonst noch hilft.“ Sprich: Man schaut nicht nur auf Viren, die Zierfischen wie Koi gefährlich werden, sondern es geht auch um den Virenschutz für hiesige Speisekarpfen, die Massentierhaltung insgesamt. Dieses EPS ist übrigens „ein Naturstoff, nicht patentierbar. Der Stoff ist sogar prophylaktisch einsetzbar“, stellt der Forscher das große Potenzial für den Tierschutz heraus.

Erst danach steht das laut FNR weitere Ziel des Vorhabens, „die kohlenstoffreiche Zelldebris nach der Wertstoffgewinnung zur energetischen Verwertung in die Biogasanlage zurückzuführen“. Das bedeutet im – einfachsten – Fall: EPS-Zucker für die Fische – den Rest der Alge zur Vergärung.

Doch Algen haben noch weit mehr Potenzial, betont Christoph Lindenberger. Da ist vor allem das Protein Spirulina Blau, Fachbegriff Phycocyanin, der einzige natürliche blaue Farbstoff für Lebensmittel. Mit einem Marktwert von bis zu 100.000 Euro pro kg ist hochreines Phycocyanin ein echtes Wertprodukt. „Wenn die Zelle wirklich viel davon herstellt, kann man pro Kilogramm Alge theoretisch 600 Gramm Farbstoff gewinnen. Man muss es halt „nur“ aus der Zelle herausbekommen“, nennt er das zentrale, ungelöste Problem.

Vorteil bei der Vergärung

Grundsätzlich gilt: Ist das Protein aus der Zelle entfernt, ist kaum noch Stickstoff im Algen-Rest. Der große Vorteil bei dessen Vergärung in einer Biogasanlage: Damit ist auch das, was aus der Biogasanlage übrig bleibt, nitrat-, also nährstoffarm. Dieses sogenannte Gärprodukt belastet damit auch nicht das Grundwasser, wenn es auf Feldern ausgebracht wird. Doch wie gelingt die optimale Algen-Mehrfachnutzung? Indem aus den etwa 30.000 verschiedenen Algenarten die richtigen ausgewählt werden. Bislang sei nur ein geringer Teil chemisch erforscht, weiß Lindenberger. „Die Prozessführung mit Algen ist heute auf dem Stand, auf dem die Feldbestellung vor 100 Jahren war.“

Allgemein bekannt ist aber: Algen sind schnellwachsende Biomasse. Doch manche Arten wachsen zehnmal so schnell als andere. Das tun sie aber nur, wenn sie Sonnenlicht bekommen. Jedoch kommt schon einen Zentimeter unter der Wasseroberfläche nur noch ein Prozent der Strahlung an. Deshalb ist es wichtig, die Flüssigkeit im Reaktor sehr gut zu durchmischen, damit jede einzelne Alge genug Licht abbekommt.

In Lindenbergers Labor an der OTH in Amberg stehen zahlreiche Bioreaktoren für die Zucht von blauen und roten Algen. Alle Behälter sind durchsichtig; alle sind sie mit definiertem, künstlichem Sonnenlicht beleuchtet, um die Anwendung unter freiem Himmel zu simulieren. Es gibt Gefäße aus Kunststoff, teilweise opak. Andere sind aus Glas, „das bessere Material“, wie der Laborchef festgestellt hat. Bis zu eineinhalb Jahre laufen die einzelnen Versuche.

30 Grad Celsius sind ideal

Um die Algenproduktion zu stimulieren, helfen Wärme – um die 30 Grad Celsius gelten als ideal – und Kohlendioxid. Die Nähe zu einer Biogasanlage würde laut Lindenberger also gut passen: „Die nicht nutzbare Wärme eines Nahwärmerücklaufs könnte man nutzen. Und das CO2 aus dem Abgas des Blockheizkraftwerks könnte man abtrennen und damit die Algen zusätzlich füttern.“

Um auch das in „echt“ testen zu können, soll im Labor ein kleiner Biogasreaktor installiert werden. „Wir hoffen, dass wir nichts als Algen zufüttern müssen.“ Aber noch sei man auf der Suche nach einer kleinen Verbrennungsmaschine. Für die Praxis sei später nur noch das Aufskalieren der Reaktorgröße, also des Fermenters, auf den Bedarf des Biogas-BHKW notwendig.
(Heinz Wraneschitz)

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