Wirtschaft

Die Strahlung dieser Leitungen schadet den Menschen. (Foto: Wraneschitz)

18.03.2016

Was engere Abstände bringen

Für neue Hochspannungsleitungen gilt eine neue Strahlungsverordnung

Hochspannungsleitungen strahlen. Wie Menschen und Tiere besser davor geschützt werden sollen, das steht in der 26. BImSchVVwV, einer Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz BImSchG. Die Vorschrift trat zum 1. Februar in Kraft. Doch nicht überall ist sie bisher bekannt.

Peter Ahmels schüttelt den Kopf. Nein, von der neuen Verwaltungs-vorschrift weiß er Mitte Februar noch nichts. Dabei soll Ahmels im Auftrag der Bundesregierung die Bevölkerung über Sinn, Zweck und Gefahren vor allem der geplanten Hochspannungs- Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) kreuz und quer durch Deutschland informieren. Die Beratungsstellen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) werden jedenfalls aus dem Bundeswirtschaftsministerium bezahlt.

Kein Wort über Strahlenbelastung


An den DUH-Büros, eines davon ist in Nürnberg, steht „Bürgerdialog Stromnetz“. Der findet in Orten nahe möglicher HGÜ-Trassen statt. Die sollen nach 2020 vom Nordosten in den Süden der Republik führen.
Ob Bayerns Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) die 26. BImSchVVwV kennt, ist unklar. Aus dessen Ministerium bekam die Staatszeitung trotz mehrfacher Nachfrage bis Redaktionsschluss keine Antwort. Dabei hat Söder Anfang März eigene bayerische Trassenregeln verkündet. Die sollen im Landesentwicklungsprogramm (LEP) „für ausreichend Abstand zwischen Freileitungen und Wohnbebauung“ sorgen. Zum Schutz des Wohnumfelds soll innerhalb von Ortschaften ein Mindestabstand von 400 Metern von Höchstspannungsleitungen zu Wohngebäuden oder Schulen gelten, außerhalb von Ortschaften 200 Meter.“ Außerdem werde „ein neuer Grundsatz in das LEP eingefügt: keine Überspannungen mehr von Siedlungen.“ Von Strahlung stand in der Presseerklärung aber kein Wort.

Ulrike Hörchens dagegen kennt die neue Verwaltungsvorschrift. „Wir haben sie begrüßt, und wir werden sie umsetzen beim Neubau von Leitungen und unseren anderen Projekten. Mit welchen Maßnahmen, das wird sich im Einzelfall zeigen“, verspricht Hör-chens. Wir, damit meint sie den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Tennet, und sie ist dessen Spre-cherin. Tennet soll unter anderem in Bayern eine neue HGÜ-Trasse planen und bauen.
Offenbar war man sich bei Tennet und den anderen drei ÜNB in Deutschland unsicher, was genau die 26. BImSchV gemeint hat mit dem „Stand der Technik“ für elektrische Felder. Nun freut sich Hörchens: „Den beschreibt die Verwaltungsvorschrift erstmals konkret.“ Auch wenn es noch nicht klar sei, was genau verändert werden müsse bei neuen und alten Leitungen: Dafür sei die Vorschrift einfach noch zu neu. Und außerdem, ergänzt die Tennet-Sprecherin, habe man in Deutschland eh schon „sehr niedrige elektrische Felder. Selbst bei voller Auslastung erreicht man die Grenzwerte nie.“

Gesetzgeber hat einen weiten Ermessensspielraum


Professor Wilfried Kühling sieht diese Grenzwerte nicht so positiv: „Bei der Frage der Vorsorge hat der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum, aber den nützt er nicht aus“, meint der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des BUND. Es gebe Wirkungsanalysen solcher Strahlungen, „deren Erkenntnisse sind relativ sicher. Auf Grund dieser Wirkungen könnte man postwendend gesetzgeberisch Maßnahmen festlegen“, doch das mache die neue Verwaltungsvorschrift nicht. Prof. Kühling: „Tendenziell glaube ich deshalb nicht, dass es dadurch Verbesserungen gibt. Und wirklich minimierend ist die Vorschrift schon gar nicht.“

Nach konkreten Minimierungsmaßnahmen gefragt, nennt das Bundesumweltministerium BMU zum Beispiel „die Abstände zwischen den einzelnen Leitern zu reduzieren, sodass sich die elektrischen und magnetischen Felder bestmöglich kompensieren; die Distanz zwischen den Leitern einer Anlage und den maßgeblichen Minimierungsorten zu vergrößern, indem Freileitungen auf höhere Maste montiert oder Erdkabel tiefer im Boden verlegt werden. Doch schränkt das Ministerium wachsweich ein: „Welche technischen Minimierungsmaßnahmen gegebenenfalls bei einer Anlage zu Anwendung kommen, ist in der Regel im Einzelfall zu betrachten.“

Einheitliche Bewertungsschema


Was die 26. BImSchVVwV aber eindeutig verbessert: „Das einheitliche Umsetzungs-, Prüf- und Bewertungsschema für den Vollzug des Minimierungsgebots. Die einheitlichen Regelungen kommen dem bundesweit notwendigen Ausbau der Stromnetze zugute“, verkündet Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Auch wenn das Ministerium auf Nachfrage einschränkt: „Die Überprüfung erfolgt im Ermessen der zuständigen Vollzugsbehörden.“

Und wie ist es anderswo in Europa um die Hochspannungsstrahlung bestellt? In der Schweiz beispielsweise gelten sogenannte Anlagengrenzwerte. Die beschränken den Immissionsbeitrag jeder einzelnen Anlage an bestimmten Orten auf ein Mikro-Tesla, ein Hundertstel des hiesigen Wertes. In Deutschland gelten diese strengeren Regeln der Schweizer Stromversorgung weiterhin nicht.
(Heinz Wraneschitz)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.