Wirtschaft

Im Inneren der EZB brodelt es. (Foto: dapd)

15.03.2013

Wie es mit der Europower im Eurotower aussieht

Viele zweifeln an der Unabhängigkeit der Europäische Zentralbank von der Politik

Die Rettungsschirme ESFS, ESM, die Bankenunion, Sixpack (6 Gesetze-Packet zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts), Two-Pack (Ergänzung des Sixpack), das SMP (security markets programme), die Troika – der normale Bürger versteht die Bedeutungen hinter diesen Abkürzungen nicht. Sie sagen nur Eingeweihten was. Bürger müssen glauben, was die EU-Finanzpolitiker, der EU-Wirtschaftskommissar und der EZB-Chef sagen und hoffen, dass der Euro währt.
In den letzten Wochen ist durchgedrungen, dass einige Notenbanker (Chefs der nationalen Notenbanken) innerhalb der EZB mit der Rolle der EZB in der Troika hadern. Troika, dieser Begriff kann in der EU-Politik mehreres bedeuten: Im Rahmen der EU-Wirtschaftspolitik bezeichnet er seit der Staatsschuldenkrise im Euroraum (Eurokrise) ab dem Jahr 2010 das Dreigespann aus EU-Kommission, EZB sowie Internationalem Währungsfonds (IWF). Die Troika verhandelt mit den Euro-Krisenländern die Konditionen für Hilfsprogramme und überwacht deren Umsetzung vor Ort.
Hochrangige Notenbanker im Umfeld der EZB (es soll aber eine Minderheit sein), sähen zwei Probleme, die mit der Rolle der EZB innerhalb der Troika verbunden seien: Erstens werde die EZB gezwungen, sich auf fremdes Terrain zu begeben und die EZB mische sich in die Finanzpolitik der EU-Regierungen ein, was nicht ihre Aufgabe sei; zweitens würden die Notenbanken zunehmend finanziell für die Rettung ihrer Länder eingespannt. So sei die irische Notenbank unter EZB-Vermittlung der Regierung in Dublin vor einem Monat entgegengekommen und habe sie bei Krediten für die Bankensanierung entlastet. In Griechenland habe die EZB Notfallkredite (so genannte Ela-Kredite) zur Zwischenfinanzierung des Staates zugelassen. Ela-Kredite können nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im EZB-Rat untersagt werden. Und Ähnliches stünde für die Rettung der zyprischen Banken bevor. Rückzug aus der Troika
Einige Notenbanker wollten einen Rückzug aus der Troika diskutieren. Nur Gerüchte? Die Kritik innerhalb der Institution wurde von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und EZB-Präsident Mario Draghi geleugnet. Nach außen tritt die Organisation geschlossen auf. Darauf angesprochen, sagte Draghi bei der letzten EZB-Ratstagung: „I will call it the ,Angst of the week’“. Jede Woche gäbe es neue Ängste, zum Beispiel über die enorme Größe der Bilanzsumme. Die Troika funktioniere gut.
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. Man arbeite „sehr konstruktiv“ mit EZB-Chef Mario Draghi und den anderen Troika-Partnern zusammen. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem antwortete auf die Frage, ob Draghi oder Asmussen die Möglichkeit eines Troika-Austritts erwähnt hätten, mit: „Nein.“ Ähnlich äußerte sich Bundesfinanzminister Schäuble auf dem Ecofin-Rat in Brüssel: „Nonsens!“
Hatte nicht ausgerechnet Schäuble vor drei Jahren für die Idee eines Europäischen Währungsfonds (EWF) plädiert? Das hatte viele überrascht. Schäuble wollte damals auf alle Fälle verhindern, dass ein EU-Mitgliedstaat auf jene Institution mit Sitz in Washington (den IWF) zurückgreifen muss, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, um Ländern mit Zahlungsschwierigkeiten zu helfen.
Beim IWF können nur Staaten, nicht Währungen oder Währungszonen Mitglieder sein. Der IWF zählt zurzeit 188 Mitgliedstaaten, deren Stimmrecht sich an ihrem Kapitalanteil orientiert. Die Mitgliedstaaten mit den größten Stimmanteilen sind: USA 16,75 Prozent, Japan 6,23 Prozent, Deutschland 5,81 Prozent, Frankreich 4,29 Prozent, Vereinigtes Königreich 4,29 Prozent und China 3,81 Prozent. Da die Beschlüsse im IWF mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden müssen, verfügen jeweils die USA allein und die EU-Staaten gemeinsam de facto über eine Sperrminorität.
Aber die EZB ist nicht die einzige Institution mit internen Konflikten. Über einen Rückzug des IWF gab es immer wieder Spekulationen. Einige Schwellenländer wie Brasilien äußerten Kritik, dass der IWF den vergleichsweise reichen Eurostaaten hilft.
Schwache Zentrale
Die EZB hat zwei Organe: das sechsköpfige Direktorium (mit dem Deutschen Jörg Asmussen als Mitglied), und den 23-köpfigen EZB-Rat (Direktorium + 17 Gouverneure der Zentralbanken), in dem der Deutsche Bundesbank-Chef Jens Weidmann seit Mai 2011 Mitglied ist. Da ist also ein Ungleichgewicht zwischen dem ständig in Frankfurt die Währungspolitik vorbereitenden Direktorium und den jeden zweiten Dienstag des Monats zu den EZB-Ratstagungen anreisenden Nationalen Notenbankpräsidenten. Zum Vergleich: In den USA stehen sieben Mitglieder des Direktoriums nur zwölf regionale Federal Reserve Banken gegenüber.
Weidmann gehört zu den Kritikern der Rolle der EZB innerhalb der Troika. Er äußerte sich vorsichtig verklausulierend in Frankfurt auf der Bilanzkonferenz der Bundesbank, aber in der Sache deutlich: „Die Teilnahme (an der Troika) gehört nicht zum Kernmandat der Notenbank.“ Ebenso kritisierte Weidmann die jüngste Vereinbarung zwischen der irischen Bank und der irischen Nationalbank. Artikel 123 des Lissabon-Vertrags (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) verbiete die monetäre Staatsfinanzierung. Er warnte vor einer Vermischung von Geld- und Finanzpolitik.
Die den Präsidenten der nationalen Zentralbanken in Artikel 7 des EZB-Statuts auferlegte Unabhängigkeit stellt diese vor Probleme und Widersprüche. Wie die Mitglieder der EU-Kommission dürfen sie eigentlich keine Weisungen von Organen der Gemeinschaft, von Regierungen der Mitgliedstaaten oder von anderen Stellen entgegennehmen. Aber zwischen Beeinflussung durch Regierungsorgane einerseits und Berücksichtigung nationaler Sonderlagen andererseits bestehen wohl Unterschiede.
Das EZB-Direktorium ist schwach im Vergleich zum Direktorium, aber die meisten Zentralbank-Gouverneure sind es gegenüber ihren Regierungen, und die Bundesbank hat nur eine Stimme im EZB-Rat (von 23). Die EZB bemüht sich nach außen geschlossen aufzutreten, um Vertrauen zu wecken. Bisher mit Erfolg. Aber im Inneren brodelt es. EU-Kommission, EZB und IWF: alle mischen mit. Viele Köche verderben den Brei, heißt es.
(Rainer Lütkehus)

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