Wirtschaft

Die Bundesnetzagentur will die Versorgern für künftig entgehenden Erlöse entschädigen. Dies sollen die allgemeinen Netznutzer zahlen. (Foto: Bilderbox)

10.02.2012

Wut auf die Gelben

Die Kommunen ärgern sich über die Kritik am Erneuerbare-Energien-Gesetz

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), gleichzeitig Präsident des Bayerischen Städtetags, ist sichtlich sauer auf Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wegen dessen Anti-Erneuerbare-Energien-Gesetz- (EEG) Vorschlägen der letzten Wochen, die sich oftmals gar widersprachen.
Ganz heftig schimpft Hiltrud Gödelmann vom städtischen Umweltreferat auf den FDP-Vorsitzenden: „So eine Polemisierung haben wir noch nie erlebt.“ Denn „es war ein großer Fortschritt, als das EEG im Jahr 2001 eingeführt wurde. Durch das EEG ist der Durchbruch gekommen“, gerade für den massenhaften Einsatz von Photovoltaik (PV). Dabei hatte die zweitgrößte Stadt Bayerns schon 1996 die sogenannte „Kostendeckende Vergütung“ eingeführt, eine lokale Vorläuferversion des bundesweit gültigen EEG.
Und so sind sich heute viele Ehrenamtliche in Nürnberg mit dem Umweltreferat in der Rösler-Kritik einig: Das schon über 20 Jahre alte Energiewendebündnis, die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie und der Runde Tisch Klima + Energie der Lokalen Agenda 21.
Ein regulierter Markt seit über 100 Jahren
Nahezu der einzige, der dem Bundesminister ohne Wenn und Aber folgt, ist sein bayerischer Amts- und FDP-Kollege Martin Zeil. Doch der „hat ja bei Energie nicht wirklich etwas zu entscheiden“, sagt OB Maly und nimmt nur Rösler ins Visier. „Er sagt, er ist gegen Subventionierung. Doch das ordnungspolitisch zu begründen, wäre dasselbe wie zu behaupten, die Energieversorgung wurde nie subventioniert. Dabei ist das ein regulierter Markt seit über 100 Jahren, vor allem Kohle und Kernenergie wurden und werden subventioniert“, zieht der Städtetagschef Röslers Energiekenntnisse in Zweifel.
Maly kritisiert Rösler auch „wegen der Verlässlichkeit für Rahmenbedingungen. Man braucht für Energieinvestitionen 40 Jahre. Deshalb ist es Gift, dass der Minister jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treibt“. Gerade Stadt- und Gemeindewerke wüssten oft heute nicht, was morgen gelte.
Nürnbergs Stadtchef lacht nur über die von Rösler verbreitete „Mär von der Schwerindustrie, die sich wegen des EEG-Aufschlags mit Grauen von Deutschland abwendet. Höhere Strompreise waren schon immer innovationsfördernd. Die deutsche Industrie hat sich durch Energiesparen fortentwickelt. Das sind Anreize, weil weltweit solche innovativen Produkte gebraucht werden.“ Deshalb habe Bayerns Städtetag vor wenigen Tagen klar gestellt: Die angekündigte „Sonderkundenumlage nach der Stromnetzentgeltverordnung sorgt derzeit für großen Unmut bei den Städten und Gemeinden sowie ihren Unternehmen.“ Der Bund habe neu definiert, was „energieintensive Unternehmen“ sind und inzwischen tausende von Firmen von den Netzentgelten befreit.
„Die Bundesnetzagentur will über eine Umlage die den Versorgern künftig entgehenden Erlöse auf die allgemeinen Netznutzer umlegen. Strompreiserhöhungen werden die Folge sein. Im Ergebnis erfolgt die Entlastung der Industrie auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger und der kleinen Unternehmen“, steht im aktuellen Monatsbrief des Kommunalverbands: „der Städtetag protestiert gegen diese Sonderkundenumlage.“
Nun fordert Malys Verband den bayerischen und den Bundes-Wirtschaftsminister auf, diese Regelung zu korrigieren. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Industrie noch weiter als bisher von Netzentgelten entlastet wird – zu Ungunsten der Bürger und kleinen Unternehmen.“ So könnten jedenfalls weder „Stadt- und Gemeindewerke, die in direktem Kontakt mit ihren Kunden stehen, die politisch beschlossene Energiewende den Bürgern und der Wirtschaft vermitteln“.
Für Harald Oelschlegel vom Energiewendebündnis (EWB) ist zwar „klar: Energiewende ist nicht ohne Kosten zu haben. Doch uns wundert, dass es immer wieder heißt, die EEG-Umlage wird ins Unendliche steigen. Sie ist nach unserer Meinung stark aufgebläht. Allein die Befreiung der energieintensiven Betriebe macht 0,8 Cent pro kWh aus“, hat das EWB berechnet. Man habe nichts gegen Degression.
„Aber mich wundert, dass ausgerechnet der Wirtschaftsminister eine Zukunftsbranche abwürgt“, schüttelt der EWB-Mann den Kopf über den von Rösler vorgeschlagen PV-Deckel auf ein oder 3,5 Gigawatt (GW) pro Jahr – 2011 wurden in Deutschland sieben GW Solaranlagen installiert. „Wir müssen nur noch ein paar Jahre durchhalten. Ab etwa 2016 braucht es keine Förderung mehr“, ist Oelschlegel sicher. Doch „momentan ist wegen der Röslerschen Verunsicherung Stillstand. Wir brauchen von der Politik klare Rahmenbedingungen. Das Modell muss erhalten bleiben, über die Höhe der Vergütungs-Absenkung kann man diskutieren“.
Zigtausende Arbeitsplätze wurden geschaffen
Werde Rösler nicht gezügelt, erwartet Bernd Scherer von der Lokalen Agenda 21 vor allem „Auswirkungen auf Arbeitsplätze“. Nicht nur bei Elektroinstallateuren oder Solarherstellern: „Durch das EEG sind zigtausende Arbeitsplätze in der Chemie oder im Maschinenbau geschaffen worden. Selbst die billigen chinesischen Module sind mit deutschen Maschinen hergestellt. Oft vergessen wird: Kommunen vermieten ihre Dächer. Und auch die Banken profitieren davon, ebenso wie Versicherungen.“ Stefan Seufert von der DGS fordert insbesondere von den Medien „nicht nur eine Momentaufnahme, sondern eine Gesamtdarstellung der Energiewende, zu der sich alle Politiker bekannt haben“. Als „fragwürdig“ sieht er auch den Vorschlag von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, „eine monatliche PV-Degression einzuführen. Wie soll das praktikabel gehen?“ Zudem sei man „beim EEG-Zuschlag übern Berg, tut aber so, als ob er ins Unendliche wächst“, verweist er auf Berechnungen seiner Organisation. Zudem „wäre die Stromrechnung in zehn Jahren noch viel höher ohne erneuerbare Energien. Die sind eine Art Generationenvertrag, um die Energiekosten langfristig stabiler zu halten“, was durch Aussagen der Leipziger Strombörse zu belegen sei. Und Oelschlegel ergänzt: „Immer wieder vergessen wird: Die Stromerzeugung war, ist und bleibt kostspielig!“
Das Schlusswort der kollektiven Nürnberger Rösler-Kritik liefert Bernd Scherer von der Agenda 21: „Ein monatliches Hü und Hott kann man einer Gaststätte, aber nicht einem Industriebetrieb zumuten.“ (Heinz Wraneschitz)

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