Wirtschaft

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte vor allem das CSU-Nein zu Stromtrassen. (Foto: vbw)

30.04.2015

Zusätzliche Belastungen für Unternehmen

Kongress der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zu 500 Tagen große Koalition in Berlin

Heute ist die große Koalition (Groko) aus CDU, CSU und SPD in Berlin 500 Tage im Amt. Anlass für die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. auf einem Kongress Bilanz zu ziehen. „500 Tage Groko, das waren 500 Tage Umverteilung, verbunden mit zusätzlichen Belastungen für Unternehmen und kommende Generationen“, kritisierte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt die Regierungsleistungen. „Wenn man in Schulkategorien bewerten würde, müsste man einen blauen Brief schicken“, meinte er und betonte: „Ein Staat, der alles übernimmt, der übernimmt sich.“
Ins gleiche Horn blies Professor Michael Hüther, Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln. Ausgehend von der Prämisse der Bundeskanlerin Angela Merkel (CDU), die Soziale Marktwirtschaft stärken zu wollen, stellte Hüther der Groko ein ausgesprochen schlechtes Zeugnis aus. Es komme zu 33 ordnungspolitischen Schwächungen oder Verletzungen, aber nur zwei Stärkungen. Dass Managergehälter künftig von der Hauptversammlung statt vom Aufsichtsrat festgelegt werden, stärke das Haftungsprinzip. Durch die Pkw-Maut kommes es ebenfalls zu einer Stärkung, weil die Nutzerfinanzierung der Infrastruktur verstärkt würde. Dem stehen allerdings laut Hüther Eingriffe in die Vertragsfreiheit und Verstöße gegen das Prinzip des Privateigentums entgegen. Durch Mindestlohn, Arbeitnehmerüberlassung, Krankenkassenbeiträge, Finanztransaktionssteuer und Mietpreisbremse komme es zur Verletzung eines funktionsfähigen Preissystems. Doch gerade dieses System sorgt laut Hüther vor einer schädlichen Konzentration von Macht einzelner Marktteilnehmer.
Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, verteidigte hingegen die Leistungen der Groko. So stehe insbesondere die CSU als Teil der Bundesregierung für Solidität. Keine Steuererhöhungen, keine Verschuldungspolitik, keine Eurobonds und ein klares Bekenntnis zu den Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada seien Beispiele für nachhaltiges, Wachstum stärkendes Regierungshandeln. „Durch TTIP und Ceta werden keine Standards gesenkt“, betonte Straubinger. 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts werden ihm zufoge von Europa, den USA und Kanada erwirtschaftet. Da sei es nur logisch, wenn diese Wirtschafträume eine Freihandelszone bildeten. „Und 51 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts gehen in den Export. Darum sind TTIP und Ceta richtig“, so Straubinger.
Wie vbw Hauptgeschäftsführer Brossardt und IW-Chef Hüther kritisierte auch Straubinger den Mindestlohn und die damit verbundene Bürokratie: „Warum kann man ein Gesetz nicht an den 99 Prozent ehrlich wirtschaftenden Unternehmen ausrichten, sondern muss es an dem einen Prozent Unehrlichen ausrichten?“
Dem hielt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter entgegen, dass „Kontrolle ein Schutz für die Anständigen“ ist. Denn die Kontrolle schütze sie vor „unfairen Wettbewerbsvorteilen“, die sich die schwarzen Schafe durch Unterlaufen des Mindestlohns verschaffen würden.
Hofreiter kritisierte vor allem CSU-Chef Horst Seehofer, der sich mit seinem unbeirrten Festhalten an der Pkw-Maut, die nicht europarechtskonform sei, und dem kategorischen Nein zu Stromtrassen im Bundestag lächerlich mache. „Das ist problematisch für den Ruf bayerischer Politiker und Politik“, so Hofreiter. Letztlich schade es auch bayerischen Interessen, die in Berlin zu vertreten seien.

Bundeshaushalt ist alles andere als nachhaltig

Auch den ausgeglichenen Haushalt der Bundesregierung zerpflückte Hofreiter. Dieser sei alles andere als nachhaltig, da er durch die Niedrigzinsphase ohne Neuverschuldung auskomme. „92 Milliarden Euro hat der Bund an Zinslast bisher durch die niedrigen Zinsen gespart. Und bis 2018 werden noch einmal 32 Milliarden Euro hinzukommen“, so der Grünen-Chef. Das werde durch Umschuldung von Krediten ermöglicht, die die Bundesfinanzagentur vornehme. „Wir sind die Krisengewinnler“, meinte Hofreiter mit Blick auf die Staatschuldenkrise in Europa.
Angesichts der Niedrigzinsphase forderte er den Bund zu wesentlich höheren Investitionen auf. Die elf Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur, mit der sich die Regierung Merkel brüste, gebe es bereits seit zehn Jahren auf diesem Niveau. Hier könnte wesentlich mehr zur Sanierung und Erhaltung des teils maroden deutschen Straßen- und Schienennetzes getan werden. „Wer Schwerlasttransporte durchführt, kann ein Lied vom Zickzackkurs singen, den die Lastwagen fahren müssen, weil so viele Brücken die Last nicht mehr aushalten“, so Hofreiter.
Auch in Forschung und Bildung müsste seiner Ansicht nach viel mehr investiert werden, damit Deutschland auch künftig im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt ist.
Auch IW-Chef Hüther hält den Kurs der Bundesregierung, sich weiter auf die gute Wirtschafts- und Beschäftigungslage zu verlassen, für fahrlässig. Jetzt müsse der Bund dafür Sorge tragen, dass es Deutschland auch weiterhin gutgehe. (Ralph Schweinfurth)

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