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Das Portal des Freistaats soll Bürgern den Weg durch die Verwaltung weisen. (Foto: dpa)

17.11.2017

E-Government fängt in den Köpfen an

Bei der digitalen Verwaltung hinkt Deutschland den europäischen Nachbarn hinterher – neue Gesetze werden das kaum ändern

Der Ruf nach mehr Digitalisierung in der Verwaltung ist alt. Neu ist, dass gesetzliche Regelungen den Druck auf die Behörden erhöhen sollen. Das bayerische E-Government-Gesetz räumt Bürgern und Unternehmen sogar ein einklagbares Recht darauf ein. Das ist bundesweit einmalig. Als bisher einziges Bundesland schreibt Bayern nicht nur Pflichten für die Verwaltungen gesetzlich fest, was elektronische Verwaltungsabläufe anbelangt. Durch Artikel 2 des sogenannten Bayerisches E-Government-Gesetz (BayEGovG) erhalten Bürger und Unternehmen ein gerichtlich einklagbares „Recht auf E-Government“. Die Entwicklung hin zu effizienteren Verwaltungsabläufen soll damit weiter befördert werden. Es scheinen alle Mittel recht zu sein, um den „erheblichen Rückstand zu den führenden E-Government-Nationen in und außerhalb Europas“ aufzuholen, den selbst der Nationale Normenkontrollrat als Gremium zum Bürokratieabbau immer wieder konstatiert.

Dessen Vorsitzender Johannes Ludewig fordert denn auch, dass zeitfressende und fehleranfällige Mehrfacherhebungen derselben Daten bei Bürgern und Unternehmen endlich entfallen müssen. Stattdessen sollten diese nach dem Prinzip „once only“ nur noch einmal abgefragt und für unterschiedliche Vorgänge genutzt werden. In Zusammenarbeit mit der Beratungsgesellschaft KcKinsey & Company und der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer wurde ein Gutachten erarbeitet und Anfang Oktober vorgestellt, das Bedarf, Handlungsmöglichkeiten und Nutzen zeigen soll: Mehr Leistung für Bürger und Unternehmen: Verwaltung digitalisieren. Register modernisieren, so der Titel des über 60 Seiten umfassenden Berichtsbandes. Die „Register“ sind Datenbestände in den Verwaltungen, die sowohl für konkrete Bearbeitungsvorgänge wie auch für statistische Zwecke verwendet werden können, also beispielsweise Stammdaten von Bürgerinnen und Bürgern. Als Praxisbeispiel wird im Gutachten unter anderem ein Elterngeldverfahren dargestellt, das gänzlich ohne das Einreichen von Papiernachweisen auskommt.

Viel Zeit und Geld sparen

Laut dem Gutachten müssen Privatpersonen bundesweit insgesamt etwa 84 Millionen Stunden pro Jahr aufwenden, um die für Verwaltungsvorgänge erforderlichen Informationen und Nachweise einzuholen und bei den Behörden abzuliefern. Bei Unternehmen wird der Aufwand, umgelegt auf Kosten, mit über einer Milliarde Euro beziffert. In der Ausarbeitung wird unter Berücksichtigung der verwaltungsinternen Aufwände gar ein finanzieller Gesamtnutzen von 6,3 Milliarden Euro pro Jahr errechnet. Betrachtet man diese Erkenntnisse, liegt eigentlich nur ein Schluss nahe – es muss was passieren. Mit den E-Government-Gesetzen der Bundesländer sind bereits die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit es auch passieren kann. Verfolgt man allerdings die Diskussionen in unterschiedlichen übergeordneten Gremien und in manchen Verwaltungen vor Ort, scheint ein wirklicher Schub in Sachen elektronische Verwaltung hierzulande immer noch in weiter Ferne.

Bei dem, was auf den ersten Blick naheliegend und notwendig erscheint, geht es um meist hochkomplexe Modelle, die sich in eine Vielzahl betroffener Prozess-Schritte untergliedern. Die methodischen und inhaltlichen Anforderungen an solche Projekte sind hoch – wobei sie sicher keine unüberwindlichen Hürden darstellen. Das beweisen nicht zuletzt die erfolgreich umgesetzten E-Government-Maßnahmen in Österreich, der Schweiz und weiteren Nachbarländern. Stellt sich die Frage, ob es an zu vielen Verantwortlichkeiten liegt, die eingebunden sind oder mit an den virtuellen Tisch müssen, um zu Ergebnissen zu kommen.

Vielleicht gehen die Interessen schlicht auseinander und blockieren dadurch die Bereitschaft, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen. Dazu kommt, dass automatisierte Prozesse und hochtransparente, herrenlos erscheinende Vorgänge wohl manchmal nicht mit den Grundfesten einer Kultur vereinbar scheinen, die auf hoheitliches Handeln und den Umgang mit handfesten Akten ausgerichtet ist. Aus Sicht vieler betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen geht es nicht um das, was betriebswirtschaftlich mit mehr „Effizienz“ umschrieben wird. Eine These ist, dass sie oftmals schlichtweg den Verlust der kulturellen Eigenheiten „ihrer“ Verwaltungen durch die Anonymisierung der Arbeit befürchten. Ängste sind immer ein mächtigerer Treiber als Effizienzpotentiale.

Das gilt auch für die Standardisierung von Vorgängen – eine notwendige Grundvoraussetzung für die Digitalisierung von Prozessen. Oft scheitern diese daran, dass die Beteiligten sich nicht auf Standards für die Daten und die Verarbeitung in den Schnittstellen einigen, weil niemand zu kurz kommen möchte und an seinen gewachsenen Workflows und Work-arounds kleben bleibt. Von Befindlichkeiten, Ängsten und dem Bedarf an Vertrauen steht nichts in dem zitierten Gutachten. Bleibt zu hoffen, dass dies zwischen den Zeilen dennoch Thema wird – sonst könnten die hehren Effizienzziele womöglich für lange Zeit weiter Wunschdenken bleiben. (Frank Beck)

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