Kultur

Den Baum des Todes und des Lebens malte der in Regensburg lebende Berthold Furtmeyr für das fünfbändige „Salzburger Missale“ (vor 1478). Die Illustration (hier ein Ausschnitt, komplette Abbildung in der Bildergalerie am Ende des Beitrags) begleitet die liturgischen Texte zu Fronleichnam. (Foto: BSB)

15.04.2016

Exquisit und raffiniert

Die Bayerische Staatsbibliothek zeigt zum Auftakt ihrer dreiteiligen Ausstellung "Bilderwelten" Luxusbücher

Die Stabi packt über Gott und die Welt aus: Sie zeigt in einer Mammutschau das Allerfeinste, was Buchmaler zwischen Mittelalter und Neuzeit zu bieten hatten. Am Anfang der aufwendig gestalteten Ausstellungstrilogie steht der pure Luxus – der war meist gedacht zur Ehre Gottes. Aber auch ein wenig, um zu protzen. Vermutlich hat mancher Seelsorger seinem hochwohlgeborenen Beichtkind hin und wieder die Leviten gelesen und es daran erinnert, dass die Luxuria eine der üblen Quellen sündigen Lebens ist. Wolllust, Ausschweifung, Genusssucht, Begehren – für diese Charakterzüge gab es aber vermutlich sofort die Absolution, wenn sie auf das fokussiert waren, was jetzt in der Bayerischen Staatsbibliothek groß zur Schau gestellt wird: Bücher und Codices vom Allerfeinsten – und zwar nicht elfenbein- und edelsteinverzierter Prunkeinbände wegen, sondern weil sich zwischen ihren Deckeln die beste Buchmalerei entdecken lässt, die es in deutschen und mitteleuropäischen Ländern an der Wende von Mittelalter und Neuzeit gab.

Kirchenverbot schert nicht

Abgesehen von ein paar Bilderstürmern, die Illustrationen im religiösen Bereich als Teufelszeug, bestenfalls als Ablenkung und Verdummung verketzerten: Wer wollte schon von sündiger Gier sprechen, wenn sich doch ein Großteil dieser raffinierten Malerei dem Lob Gottes und der Heiligen Schrift widmete? Ein bibliophiler König wird ja nicht gerade gebeichtet haben, dass er mit diesen Prachtbüchern schon auch ein wenig protzte – freilich nur unter Seinesgleichen. Dass man es wagte, auch ohne kirchliche Erlaubnis als Erster das Alte Testament ins Deutsche, dann auch noch ins Tschechische zu übertragen, damit es (potenziell jedenfalls) jedermann lesen konnte: Dazu gehörte schon großes politisches Standing. Wenzel, der böhmische und römisch-deutsche König wagte es und reihte das reich illustrierte Werk (heute Nationalbibliothek Wien) in seine umfangreiche Bibliothek ein. Zu der gehörte auch ein großer astronomisch-astrologischer Codex mit zum Teil seitengroßen Bildern, die die lateinischen Übersetzungen arabischer und jüdischer Texte begleiten. Die Zeit der Wunderkammern und üppig bestückter Ahnengalerien war noch nicht erblüht – vielleicht waren unter repräsentativen Aspekten solche Bilderschätze im Kleinen eine Art „Handgalerie“? Auf jeden Fall waren sie auch als hochrangige diplomatische Geschenke gefragt.

Gier nach Bildern

Denn das Verlangen nach Bildern, die Reales ebenso wie Visionäres erzählten, war immens – eine bis heute schier unüberschaubare Flut schwappte auf einmal über die Menschen. Es war nicht nur die Zeit von Krieg, Elend und Tod, sondern auch die die Zeit einer Medienrevolution: Die Drucktechnik und die aufkeimende Papierproduktion erlaubten die einfachere, günstigere Produktion in „Massen“ (in damaliger Dimension). Nicht, dass dadurch die Handschrift über Nacht ausgedient hätte, im Gegenteil: Konkurrenz und gegenseitige Befruchtung beflügelten die „Bildwerker“. Die Buchmalerei zeigte noch einmal all ihre Finessen: Federzeichnung, Aquarell, Deckfarben, kostbar-seltene Pigmente: Experimentierfreudig kombinierte man alle Techniken – schön zu sehen in der aufgeschlagenen Doppelseite aus der Mettener Regel (1414): Komplett mit schwarzer Farbe federgezeichnet, begegnet man dem hl. Benedikt, Papst Gregor, Abt Petrus I. und seinen Mönchen, alle sind mit roter Schrift namentlich gekennzeichnet. Dieser farblich zwar monotonen, aber hochprogrammatischen Bildergeschichte steht eine Textseite gegenüber, die mit wunderbar „altmeisterlicher“ bunter und goldener Initial-Malerei beginnt: Im Miniaturformat zeigt sie den hl Benedikt als Knaben, wie er von seinen Eltern fürsorglich zur Schule gebracht wird, wo der Unterricht schon begonnen hat. Dass er nicht nur in den zeichnerischen und malerischen Techniken bewandert, sondern auch bei den internationalen Stilen up to date war, machte Stephan Schriber marketinggewieft in seinem Musterbuch (1470 bis 1480) deutlich; es ist eines der wenigen erhaltenen derartigen Codices. Vermutlich war er ein „Angebotskatalog“, aus den Versatzstücken konnte die Kundschaft auswählen.

Von Drucken abgekupfert

Neugierig hatten die Buchmaler ihre Kollegen im Visier, die mit den neuen Drucktechniken arbeiteten – und scheuten sich nicht, von ihnen motivisch „abzukupfern“. So hat der Buchmaler im Gebetbuch der Mechthild von Hessen (um 1489) eindeutig eine grafische Vorlage von „Meister E.S.“ verarbeitet. Illustriert hat das Werk vermutlich Johannes Wilberg. Auch das macht dieses Beispiel deutlich: An der Zeitenwende treten die Buchmaler aus dem Schatten der Anonymität, die Forschung kann sie konkret identifizieren und muss sich nicht mehr mit Notnamen behelfen. Selbstbewusst hinterlassen sie Signaturen und Namen. Sie arbeiten nicht mehr unbedingt als Hofangestellte, sondern betreiben zunehmend eigene Werkstätten mit Angestellten. Sie emanzipieren sich als Künstler: Sie sind nicht mehr bloß Handwerker, die den Text illustrieren, vielmehr überzeugen sie mit eigenständigen Bildfindungen, mit Interpretationen von Gott und der Welt. Auch in dieser Hinsicht setzte König Wenzel mit seinem Alten Testament Zeichen: Er wollte bewusst verschiedene Maler und ihre künstlerischen Eigenarten in dem Werk versammelt haben: eine Art Leistungsschau zeitgenössischer Kunst. Interessant für die Kunstgeschichte: Viele der ehemaligen Buchmaler wechselten ins „große Fach“, wurden Genies der Tafelmalerei. So zum Beispiel der Niederländer Jan van Eyck, der am Hof des Herzogs von Straubing-Holland seine Karriere mit Miniaturmalerei begonnen hatte.

Patrizier leisten sich Luxus

„Luxus“ steht über dem Auftakt zur dreiteiligen Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek: Anders als heute, wo sich jedermann all die Exponate auch am heimischen PC als Digitalisat ansehen kann, haben diese „Bilderbücher“ in ihrer Entstehungszeit nur relativ wenige Zeitgenossen zu Gesicht bekommen. Aber man muss relativieren: Nicht alles, was die Stabi auch für die beiden folgenden Ausstellungsteile aus ihren Tresoren ausgewählt hat, stammt aus kaiserlichen, königlichen oder fürstlichen Schatzkammern. Denn an der Zeitenwende vom 14. zum 15. Jahrhundert begann der alte Feudaladel politische und finanzielle Macht einzubüßen – Patrizier und Kaufleute dagegen erstarkten. Sie adaptierten das luxuriöse Savoir vivre – und dazu gehörten auch prächtige Bibliotheken. Das erweiterte das Spektrum der Bildthemen erheblich. Man darf sich auf die Exponate freuen, die im Laufe des Jahres in den Schatzkammern der Staatsbibliothek noch ausgestellt werden. (Karin Dütsch)

„Bilderwelten. Buchmalerei zwischen Mittelalter und Neuzeit.“
Teil I: „Luxusbücher“ bis 15. Juli. Bayerische Staatsbibliothek, Schatzkammern, 1. Stock, Ludwigstraße 16, 80539 München. Mo. bis Fr. 10-17 Uhr, Do. 10-20 Uhr, an den Sonntagen 5. Juni und 3. Juli 13-17 Uhr. Feiertags geschlossen. www.bsb-muenchen.de
Virtuelle Ausstellung:
www.bilderwelten2016.de

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