Die Bediensteten der bayerischen Gefängnisse tragen neben Polizei und Zoll wesentlich zur Sicherheit der Bevölkerung im Freistaat bei. Doch nicht nur an den Gebäuden sind Nachrüstungen erforderlich: Auf Bitten des Personalrates der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing machte sich Ruth Müller (SPD) kürzlich selbst ein Bild von der Situation vor Ort. Sorgen bereitete ihr anschließend neben den Baumängeln vor allem die Personalsituation. Da die JVA an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt sein muss, ist eine solide Ausstattung dringend erforderlich. Die Abgeordnete und Anstaltsbeirätin wollte daher von der Staatsregierung wissen, ob es in der Vergangenheit zu Unterbesetzungen beim Sicherheitsdienst kam, was gegen die vielen Überstunden unternommen wird und wie zukünftig die schwierige Personalgewinnung verbessert werden kann.
Das Justizministerium schreibt in seiner Antwort, die ausreichende personelle Besetzung der sicherheitssensiblen Dienstposten werde stets gewährleistet. „Bei unvorhergesehenen krankheitsbedingten Ausfällen oder für zusätzliche Klinikwachen kann es jedoch erforderlich werden, dienstfrei gestellte Beamte kurzfristig wieder zum Dienst einzuteilen.“ Das gehe im Notfall sehr schnell, weil ein Großteil der Angestellten in den angrenzenden Dienstwohnungen lebe. So verwundert es allerdings nicht, wenn in Straubing von 287 Bediensteten zehn über 400 Überstunden aufgebaut haben. Insgesamt beläuft sich die Mehrarbeit bei 18 Personen auf bis zu 400, bei 68 auf bis zu 300, bei 71 auf bis zu 200 und bei 64 auf bis zu 100 Stunden. Neben dem Krankenpflegedienst (4767 Überstunden) und Werksdienst (6799 Überstunden) ist davon vor allem der allgemeine Vollzugsdienst mit 43 949 Überstunden betroffen.
„Wie im gesamten bayerischen Justizvollzug ist die Personalsituation auch in Straubing angespannt“, räumt das Ressort von Winfried Bausback (CSU) ein. Ein Planstellendefizit könne dennoch nicht erkannt werden. Die JVA sei mit 2,8 Gefangenen pro Mitarbeiter personell sogar „gut“ ausgestattet. In Amberg liege die Quote bei 3,8, in Würzburg und Kaisheim bei 3,9, in Nürnberg und Bernau bei 4,0 und in St. Georgen-Bayreuth sowie Aichach/Frauen bei 4,3. Bayernweit kommen auf einen Mitarbeiter 3,3 Gefängnisinsassen.
Ein Grund für die schwierige Personalgewinnung sieht das Justizministerium in dem „direkten Kontakt mit gefährlichen und gewaltbereiten Gefangenen“. Das spreche eben nur einen Teil der Bevölkerung an. „Aufgrund der besonders hohen Anforderungen an bestimmte Persönlichkeitsausprägungen bei den Beschäftigten kommen bei den Personalauswahlverfahren für den allgemeinen Vollzugsdienst durchschnittlich über 60 Prozent schon mangels persönlicher Eignung nicht zum Zuge“, so ein Ministeriumssprecher. Aufgrund des allgemeinen Stellenmarkts und der demographischen Entwicklung seien vor allem Psychologen, Psychiater und Mediziner sowie Bewerber für den Werkdienst immer schwieriger zu finden.
Um mehr Aufmerksamkeit auf den Strafvollzug in Bayern zu lenken, beteiligen sich die Justizvollzugseinrichtungen an regionalen und bayernweiten Veranstaltungen oder werben an Schulen, Weiterbildungseinrichtungen und bei der Bundeswehr. „Darüber hinaus werden alle verfügbaren Möglichkeiten für eine positive Darstellung in allen Medien genutzt“, versichert ein Fachsprecher.
Die beste Werbung wäre wohl, für Entlastung der einzelnen Mitarbeiter zu sorgen. Müller hat deswegen jetzt erneut der Staatsregierung geschrieben und gefragt, mit welchen Maßnahmen die Arbeitsbelastung konkret reduziert werden soll. „Die Überstunden gehen trotz vieler Versprechen seit Jahren nicht runter, und selbst die Anstaltsdirektoren wissen keine Lösung mehr“, sagt Müllers Sprecher der BSZ. (David Lohmann)
INFO: Justizvollzug in Bayern
Der Justizvollzug unterliegt dem Justizministerium. Dort kümmern sich 25 Mitarbeiter um Organisation, Personalangelegenheiten, Gesetzgebung und die Beschäftigung der Gefangenen. Für die Ausführung sind im Freistaat 36 Justizvollzugsanstalten (JVA) und sechs Jugendarrestanstalten zuständig. Die Aus- und Fortbildung der Bediensteten wird in der Justizvollzugsschule in Straubing durchgeführt.
Die Zahl der Angestellten im allgemeinen Vollzugsdienst und in den bayerischen JVA ist in den letzten zehn Jahren um jeweils elf Prozent auf 3975 beziehungsweise auf 5463 Stellen gestiegen. Ein Schwerpunkt ist dabei insbesondere die Betreuung, weshalb sich die Zahl der Sozialarbeiter seit 1990 auf 164 verdoppelt und die Zahl der Psychologen auf 104 sogar verdreifacht hat.
Zugenommen hat neben der Gewaltbereitschaft der Insassen allerdings auch die Zahl der Gefangenen: Während es 1990 noch unter 10 000 Häftlinge gab, waren es 2005 bereits über 13 000 und 2013 immerhin noch rund 11 500. Davon sind 900 Häftlinge weiblich – Tendenz steigend.
Haben JVA-Bedienstete im Freistaat 2005 „nur“ sechs Tage Überstunden aufgebaut, waren es 2013 schon 14 Tage. In einigen Anstalten liegt die Krankheitsquote bei knapp 20 Fehltagen – acht Tage mehr als der Beamtendurchschnitt. Besonders ärgerlich: Personal wird ausschließlich zum 1. Oktober eingestellt. Scheidet danach ein Angestellter aus, können bis zum nächsten Oktober höchstens befristet beschäftigte Bedienstete angestellt werden. (LOH)
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