Landtag

Viele Richter verdienen nach Dienstschluss noch woanders Geld. Das bringt bis zu 25 000 Euro extra im Jahr. (Foto: dpa)

12.09.2014

Vor allem Arbeitsrichter verdienen dazu

Schriftliche Anfrage der Grünen: Vorträge, Schulungen, Gutachtertätigkeiten – viele Richter im Freistaat haben einen Nebenjob

An Berliner Gerichten haben fast drei Viertel der Richter einen Nebenjob. Das ist das Ergebnis einer Anfrage des Abgeordneten Simon Weiß (Piraten) im Berliner Abgeordnetenhaus. Gleiches trifft laut dem rechtspolitischen Sprecher der bayerischen Grünen, Sepp Dürr, auch für die Richter am Bundesgerichtshof zu. An den anderen Bundesgerichten sind es sogar noch mehr: „Am Bundesarbeitsgericht und am Bundessozialgericht gehen alle auch noch privaten Geschäften nach“, verdeutlicht Dürr. Doch Nebentätigkeiten seien kein Privileg der Bundesebene, sondern seien auch an Landgerichten und Oberlandesgerichten bekannt. Der Abgeordnete sorgt sich jetzt um die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des Richterstands. Er wollte daher von der Staatsregierung wissen, wie die Ausübung von Nebentätigkeiten im Freistaat geregelt ist.

Das Justizministerium schreibt in seiner Antwort, die Zahl der Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Nebentätigkeiten habe sich von 96 im Jahr 2009 auf 53 im Jahr 2013 fast halbiert. Gesunken sei sie ebenso an Oberlandesgerichten (minus 5,3 Prozent) und bei den Richtern der Sozialgerichtsbarkeit (minus 2,2 Prozent). An Landesgerichten hingegen blieb die Zahl der Richter mit Nebentätigkeiten mit rund 60 (8,2 Prozent) weitgehend konstant. Gestiegen ist die Zahl der Richter mit Nebenerwerb hingegen an den Amtsgerichten: Waren es 2009 noch 64 (5,6 Prozent), stieg die Zahl auf 70 (5,9 Prozent) im Jahr 2013.

Am häufigsten sind Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit neben ihrer eigentlichen Arbeit tätig: Letztes Jahr waren es 106 von 135 – das entspricht einer Quote von 78,5 Prozent. „Hier handelt es sich weit überwiegend um die Übernahme des Vorsitzes in einer gesetzlich als Schlichtungsinstrument bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Mitbestimmungsangelegenheiten vorgeschriebenen Einigungsstelle sowie um Betriebsratsschulungen“, begründet das Ressort von Winfried Bausback die hohen Zahlen. Außerdem erforderteten die Nebentätigkeiten einen relativ geringen Zeitaufwand von in der Regel wenigen Stunden.

Durch die Nebenjobs verdienten Richter der Sozialgerichte letztes Jahr bis zu 6000 Euro, an den Amtsgerichten bis zu 12 235 Euro, an den Oberlandesgerichten bis zu 16 813 Euro, an den Arbeitsgerichten bis zu 18 462 Euro und an den Landgerichten bis zu 25 000 Euro zusätzlich. Grund für die hohen Spitzenerlöse der Ordentlichen Gerichtsbarkeit ist nach Angaben des Justizministeriums die Wahrnehmung von Schiedsrichtertätigkeiten mit hohem Streitwert beziehungsweise Lehrtätigkeiten von verschiedenen Auftraggebern.

Eine Gefährdung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Unbefangenheit sieht die Staatsregierung trotz Vorträgen, Gutachten oder Schiedsgerichtsverfahren wegen entsprechender Vorschriften (siehe Infokasten) nicht. Zwar seien Vortragstätigkeiten nicht genehmigungspflichtig. „Gemäß deutschem Richtergesetz hat sich ein Richter innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird“, betont das Bausback-Ministerium. Richter dürften außerdem nur von einer unabhängigen Stelle als Schiedsgutacher ernannt werden. Darüber hinaus ist es ihnen nicht gestattet, außerdienstliche Rechtsgutachten zu erstatten oder Rechtsauskünfte zu erteilen. „Sollte ausnahmsweise einmal ein Verfahrensbeteiligter den Eindruck haben, dass ein Interessenskonflikt entsteht, kann er dies gemäß den prozessualen Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtsperson geltend machen.“

Eine Verschärfung des Gesetzes lehnt das Justizministerium daher ab. „Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Einschränkung von Nebentätigkeiten sich auch an der Freiheit der Wissenschaft und Kunst und der Berufsfreiheit messen lassen muss.“ (David Lohmann) INFO: Nebentätigkeiten von Richtern im Freistaat Die Ausübung von Nebentätigkeiten von Richtern im bayerischen Landesverdienst ist insbesondere durch die Vorschriften des deutschen und bayerischen Richtergesetzes geregelt.

Nebentätigkeiten: Richter benötigen grundsätzlich vorher eine Genehmigung. Sie ist zu untersagen, wenn „durch die Nebentätigkeiten dienstliche Interessen beeinträchtigt werden“.

Versagungsgrund: Dieser liegt vor, „wenn die zeitliche Beanspruchung durch [...] Nebentätigkeiten in der Woche acht Stunden überschreitet“ oder „wenn abzusehen ist, dass die Entgelte und geldwerten Vorteile aus genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten im Kalenderjahr 30 Prozent der jährlichen Dienstbezüge [...] bei Vollzeitbeschäftigung überschritten werden.“

Genehmigungsfrei:
Unentgeltliche Nebentätigkeiten, Vermögensverwaltung, „ein schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeit, die mit Lehr- oder Forschungsaufgaben zusammenhängende selbstständige Gutachtertätigkeit von Professoren“ und Beamten sowie die Wahrung von Berufsinteressen in Gewerkschaften, Berufsverbänden oder Selbsthilfeeinrichtungen.

Genehmigungspflichtig:
Betreuung einer Testamentsvollstreckung, Übernahme einer gewerblichen Tätigkeit, Ausübung eines freien Berufs oder Mitarbeit bei einer dieser Tätigkeiten. Darüber hinaus: „Eintritt in ein Organ eines Unternehmens, sofern es sich bei dem Unternehmen nicht um eine Genossenschaft handelt sowie die Übernahme einer Treuhänderschaft.“ (LOH)

Kommentare (2)

  1. Trino am 16.09.2014
    nun ja, da aber ein Richter seine Arbeitszeit sehr frei einteilen kann, ist sicherzustellen, dass die Hauptarbeit nicht leidet ... also Nebentätigkeiten nur für Richter, die mindestens die Durchschnittsleistung der Richter ohne Nebenjob erbringen....
  2. PK am 14.09.2014
    Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, wenn Richter eine Nebentätigkeit annehmen, die im Einklang mit den einschlägigen Gesetzen ist.
    Gut finde ich, dass ein Richter sich seine Nebentätigkeiten generell genehmigen lassen muss
    Maximal 8 Stunden pro Woche, nicht mehr als 30% der Dienstbezüge und keine Interessenkonflikte mit dienstlichen Tätigkeiten sind aus meiner Sicht ausreichende Vorgaben.
    Ich wäre sehr froh wenn für Politiker ähnlich strenge Regeln gelten würden.
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