Politik

"In allen gesellschaftspolitischen Fragen entscheidet und handelt der Pfarrgemeinderat eigenverantwortlich", betont der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx. (Foto: dpa)

22.02.2018

Mehr als nur Kuchen backen

Katholiken wählen neue Räte

Kritiker der katholischen Kirche finden, dass Laien dort höchstens fürs Gemeindefest Kuchen backen oder Bierbänke aufstellen dürfen. Aber ein Mitspracherecht etwa bei Personalentscheidungen? Das gibt es bloß in der evangelischen Kirche. Dass Pfarrgemeinderäte bei den Katholiken sehr wohl über eigene Entscheidungsgewalt verfügen, haben der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, und der oberste Laienvertreter der Erzdiözese, Hans Tremmel, deshalb eigens betont. Denn an diesem Sonntag werden in den bayerischen Bistümern neue Pfarrgemeinderäte gewählt.

"In allen gesellschaftspolitischen Fragen entscheidet und handelt der Pfarrgemeinderat eigenverantwortlich", schreiben Marx und Tremmel in einem Wahlaufruf. Beispiele: Aufbau von Nachbarschaftshilfen oder von Helferkreisen für Flüchtlinge oder bei der Gestaltung von Erwachsenenbildung. "Alle Christinnen und Christen werden gebraucht, alle sind wichtig, alle sind wertvoll. Nur zusammen bilden wir das Volk Gottes."

Wie eine dpa-Umfrage ergab, haben die meisten Pfarreien im Freistaat eine ausreichende Zahl an Kandidaten gefunden - wenn es auch hier und da schwierig war. "Es fällt auf, dass es über die Jahre gesehen immer schwieriger wird, ausreichend Personen für dieses Amt zu finden", teilt etwa die Diözese Würzburg mit.

Große Unterschiede


Im Bistum Augsburg gibt es große Unterschiede zwischen den Pfarreien. Es gebe sowohl Gemeinden mit sehr vielen Kandidaten als auch Gemeinden, wo die Suche sehr schwer war - die Kirche kämpfe mit den gleichen Gegebenheiten wie Vereine und Parteien, sagt Beate Dieterle, Geschäftsführerin des Diözesanrats. "Es scheint immer schwieriger zu sein, Ehrenamtliche für ein länger andauerndes Engagement zu gewinnen. Projektarbeit wird leichter unterstützt."

Positive Rückmeldungen gebe es im Bistum Eichstätt, sagt der Geschäftsführer des Diözesanrats, Richard Ulrich: Vielerorts seien überraschend viele Kandidaten gefunden worden. "Wir setzten sogenannte Kandidatenboxen ein, in denen Wahlvorschläge gesammelt werden. Dies führt in vielen Fällen zu einer breiteren Basis von Personen, die von den Wahlausschüssen angefragt werden können."

Kreativ bei der Kandidatensuche waren auch einige Gemeinden im Erzbistum München-Freising. Die Pfarrei in Eitting (Landkreis Erding) habe zum Beispiel den örtlichen Bäcker davon überzeugt, Sticker mit dem Schriftzug "Pfarrgemeinderatswahl 2018 - Kandidieren" auf jedes Brot zu kleben, berichtet eine Sprecherin des Ordinariats.

Und Manfred Fürnrohr, Geschäftsführer der Diözesanen Räte im Bistum Regensburg, sagt: "Obwohl die zunehmende berufliche Belastung auch in diesem Ehrenamt zu spüren ist, hat man meist mehr als die erforderliche Anzahl der Kandidaten gefunden."

Verstärkt auf Briefwahl setzen


Bleibt die Frage, wie viele Gemeindemitglieder dann tatsächlich am Wochenende wählen. Viele Diözesen setzten verstärkt auf die Briefwahl, sagt der Chef des Landeskomitees der Katholiken, Joachim Unterländer. Deshalb peile man eine Wahlbeteiligung von etwa 30 Prozent an. Wählen können Katholiken, die älter als 14 oder bereits gefirmt sind. Bei der Wahl vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 18,47 Prozent nach 15,95 Prozent im Jahr 2010.

Einer, der sich schon lange in der katholischen Kirche ehrenamtlich engagiert, ist der Vorsitzende des Dekanatsrats von Bayreuth, Patrick Lindthaler. Er ist Mitglied im Pfarrgemeinderat der Bayreuther Schlosskirche. Es gehöre zu seinen Aufgaben, die Anliegen der Katholiken in "Kirche, Gesellschaft und Öffentlichkeit zu vertreten", erzählt er.

Im Erzbistum Bamberg, zu dem Bayreuth gehört, ist vor einigen Monaten ein neuerlicher Strukturprozess eingeleitet worden - die Seelsorgeeinheiten sollen aufgrund des Priestermangels noch einmal vergrößert werden. Diesen Prozess will Lindthaler aktiv mitgestalten: "Im Dekanat Bayreuth hat man sich früh darauf verständigt, dass der Dekanatsrat den Prozess von Beginn an konstruktiv begleitet."

Größere Einheiten wären sinnvoll


Sicher gebe es viele Bereiche im kirchlichen Leben, wo größere Einheiten sinnvoll seien, sagt der 34-Jährige. Doch es dürfe nicht dazu kommen, dass ein leitender Pfarrer noch mehr Aufgaben bekommt und noch weniger Zeit für die Seelsorge habe. "Daher muss mit der Reform ein Umdenken erfolgen, damit unsere Priester wieder mehr Zeit für Seelsorge haben. Hier gilt es mutige Schritte zu gehen." Denkbar wäre es, hauptamtliche Laien für die Verwaltungsaufgaben einzusetzen. "Wenn hier ein Umdenken erfolgt, dann wird sich auch unweigerlich das Mitspracherecht der Laien verändern." Freilich dann nicht als Opposition zum Geistlichen, "sondern im Miteinander".

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" hat im Vorfeld der Pfarrgemeinderatswahlen auf Papst Franziskus verwiesen. Er betone immer wieder, dass engagierte Christen nicht mehr nur Mitarbeiter des Klerus seien, sondern Mitverantwortung für die Kirche tragen. "Das muss auch in jeder Pfarrei und Gemeinde spürbar sein und umgesetzt werden." Doch vielerorts seien die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) bestehenden Pfarrgemeinderäte bereits soweit entkernt, dass von einer wirksamen, eigenverantwortlichen Beteiligung der Laien am kirchlichen Leben keine Rede mehr sein könne. Durch die Zusammenlegung von Pfarreien werde die Beteiligung der Ehrenamtlichen sogar noch weiter zurückgeschraubt. "Die Zahl der Priester im Amt kann und darf nicht maßgebend für kirchliche Strukturen sein." Wer nur mit dem Klerus plane, ignoriere die Verantwortung, die den Gläubigen durch Taufe und Firmung an ihrer Kirche zustehe.
(Kathrin Zeilmann, dpa)

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