Politik

Die Pachtpreise für Landwirte steigen, die Anbauflächen von Biogetreide wie Weizen nehmen ab. (Foto: dpa)

17.04.2015

Ökoanbau lohnt sich nicht

Die Menschen im Freistaat essen immer mehr Bio – doch 50 Prozent der Produkte müssen importiert werden

Bioprodukte werden immer beliebter. Allein letztes Jahr gaben die Deutschen acht Milliarden Euro für ökologische Lebensmittel aus – 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch während in Österreich rund 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen biologisch bewirtschaftet werden, sind es im Freistaat nur 6,5 Prozent. Damit liegt Bayern nur im Mittelfeld – hinter dem Saarland, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Und in manchen Sparten sinkt der Bio-Anbau sogar. Während 2012 in den bayerischen Regierungsbezirken noch 11 746 Hektar Bio- Weizen angebaut wurden, waren es im Jahr 2014 nur noch 10 754 Hektar. Einen Rückgang verzeichnen auch Bio-Roggen (minus 1952 Hektar), Ölfrüchte (minus 86 Hektar) und Obst (minus acht Hektar). Besonders betroffen: der Anbau von Bio-Beerenobst. Allein in Niederbayern ging der Anteil des Bioanbaus von Beeren von 44 auf 2,2 Prozent zurück. Gestiegen sind lediglich die Öko-Flächen für Eiweißpflanzen, Gemüse und Kartoffeln.

Die Folge: Über 50 Prozent der Bio-Produkte müssen aus Ägypten, Osteuropa und den Nachbarländern importiert werden. „Der Ausbau der Biofläche stagniert“, konstatiert Gisela Sengl (Grüne), auf deren Anfrage hin das Landwirtschaftsministerium die Zahlen veröffentlichte. Dabei wollte das Ressort von Helmut Brunner (CSU) den ökologischen Landbau bis 2020 verdoppeln. „Der Markt für regional produzierte Bioprodukte ist da, aber die Waren sind es nicht“, schimpft Sengl. Sie fordert daher neben den Öko-Förderprogrammen eine zielgerichtete landwirtschaftliche Beratung, eine bessere Forschung und Ausbildung sowie eine Öffentlichkeitsarbeit, die ökologische Aspekte mehr in den Fokus rückt. „Die Förderung des Ökolandbaus darf nicht länger als Liebhaberei des Landwirtschaftsministers abgetan werden.“

Eine bessere Ausbildung verlangt auch Bio-Bauer Alois Aigner aus dem niederbayerischen Reisbach. „In den Landwirtschaftsschulen werden die jungen Landwirte auf Produktion um jeden Preis getrimmt“, erzählt er. Die Pachtpreise seien jedoch mit über 1200 Euro pro Hektar derart hoch, dass sich der Bio-Anbau oft nicht lohne. „In der ökologischen Landwirtschaft gibt es systembedingt Ertragsgrenzen, die nur durch einen entsprechenden Preisunterschied zu konventionellen Produkten ausgeglichen werden können“, verdeutlicht Aigner. Doch Preise für Bio-Lebensmittel stehen unter einem hohen Druck, was durch ausländische Importe und die Vermarktung über den Lebensmitteleinzelhandel zusätzlich verschärft werde.

„Gründe für ein Wegfallen von Öko-Flächen hängen mit der Entwicklung der Pacht- und Bodenpreise, der Betriebsnachfolge, unzureichenden Betriebskonzepten und der Preisentwicklung für Agrarprodukte zusammen“, bestätigt Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Um den vom Umweltbundesamt geforderten Ausbau der Öko-Flächen auf 20 Prozent zu erreichen, müssten die Rahmenbedingungen dauerhaft und verlässlich geändert werden. Das heiße, konkretisiert Röhrig, dass es nur solche Fördermaßnahmen geben solle, „welche positive Leistungen für die Umwelt, die Menschen und das Klima belohnen“. Im Gegenzug sollten Bauern, die Böden und Gewässer durch Nitratüberschüsse oder Rückstände von Pestiziden verschmutzen, eine Stickstoff- oder Pestizidabgabe bezahlen.

Das Landwirtschaftsministerium begründet den abnehmenden Flächenumfang mancher Anbau-sorten hingegen mit der zur Bodenerneuerung notwendigen Fruchtfolge. „Die einzelnen Kulturen können nicht einfach nach vorwiegend markt- und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander ausgetauscht werden“, erklärt ein Sprecher von Brunner. Insgesamt sei die Zahl der Ökobetriebe von 2000 bis 2010 um über 3000 auf 6437 gestiegen. Seitdem sind allerdings nur 287 hinzugekommen. „Eine Verdoppelung der Ökoproduktion bis 2020 ist sicherlich ein ambitioniertes Ziel“, räumt das Ministerium ein. Dabei helfen sollen aber spezielle Schulen, Akademien, Demonstrationshöfe, die Modellregionen, das neue bayerische Biosiegel und eine bessere finanzielle Ausstattung.

Kaum neue Bio-Bauernhöfe

„Förderung allein ist aber kein Allheilmittel“, betont Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband. Und die zweite Ökolandbauschule in Weilheim sei zwar ein guter Schritt, aber eine flächendeckende Ausbildung im Freistaat fehle bisher. Dabei seien gerade Grundlagen im Bereich Züchtung, Forschung, Saatgut und Futtermittel enorm wichtig. Außerdem bemängelt Peters den geringen Zuwachs an neuen Bio-Höfen: 2013 seien unterm Strich gerade einmal 17 Betriebe dazugekommen. „Das hat bei uns für Ernüchterung gesorgt.“ Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. Peters vermutet allerdings keine wesentlichen Verbesserungen, da zahlreiche Sonderregelungen ausgelaufen sind.

Dass die Förderung von Biobetrieben alleine nicht ausreicht, findet auch der agrarpolitische Sprecher der SPD, Horst Arnold. Er fordert ein verpflichtendes schulisches Angebot über alle Altersstufen und Schultypen hinweg. „Die CSU versperrte sich dieser Sichtweise bislang“, klagt Arnold. Außerdem müsse die regionale Kennzeichnung mehr in den Vordergrund gestellt werden, damit sich Verbraucher statt für die ägyptischen für die bayerischen Kartoffeln entscheiden. Leopold Herz, Agrarexperte der Freien Wähler, gibt zu bedenken: „Entgegen vieler Absichtserklärungen greift die Masse der Verbraucher nach Billigware bei den Discountern.“ Er kritisiert zudem, dass in Deutschland für eine Zertifizierung der gesamte Hof biologisch bewirtschaftet werden muss, während es in einigen EU-Ländern nur Teile des Betriebes sein müssten.

Erschwert wird die Situation der Öko-Bauern auch durch die von der EU geplante Totalrevision der Ökoverordnung. Sollte diese in Kraft treten, können Bio-Betriebe haftbar gemacht werden, wenn ihre Waren Pestizidrückstände enthalten – beispielsweise vom konventionellen Nachbarbauern. Bürokratische Hürden verringern das Angebot an Bio-Waren zusätzlich und treiben die Preise weiter nach oben. „Zunächst wurde erwartet, dass die neue Kommission aufgrund der deutlichen Kritik vieler Mitgliedsstaaten ihren Revisionsentwurf zurückzieht“, erläutert das Landwirtschaftsministerium. Der neue Agrarkommissar Phil Hogan halte jedoch am Gesetzesvorschlag seines Vorgängers fest. Ende Juni fällt die Entscheidung. (David Lohmann)

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