Politik

31.07.2023

Soll die Erbschaftsteuer fürs Elternhaus abgeschafft werden?

Wenn der Erbe das Haus oder die Wohnung nicht innerhalb der nächsten zehn Jahre verkauft, sondern selbst einzieht oder vermietet, soll dies steuerfrei bleiben: So erklärt die CSU ihren Vorschlag für eine Reform der Erbschaftssteuer. Sebastian Brehm, finanzpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ist natürlich auch dafür. Klar dagegen ist Michael Schrodi, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landesgruppe im Bundestag

JA

Sebastian Brehm, finanzpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag

Wo ein Erbe ansteht, handelt es sich meist um ein vom Verstorbenen zuvor bewohntes Ein- oder Zweifamilienhaus und eine überschaubare Geldsumme. Der Grund ist einfach: Wohneigentum ist eine der effizientesten und immer noch beliebtesten Formen der Altersvorsorge und Vermögensbildung. Es leistet auch einen erheblichen Beitrag zum Wohnungsmarkt.

Deshalb war es ein völlig falsches Signal der Ampel, die Bewertungskriterien im Rahmen der Erbschaftsteuer für Immobilien mit dem Jahressteuergesetz 2022 massiv anzuheben, ohne die Freibeträge zu erhöhen. Ein Ein- oder Zweifamilienhaus zu erben, wird so vor allem in Ballungsgebieten mit explodierenden Immobilienpreisen zum unfinanzierbaren Risiko, verschärft noch durch massive Zinserhöhungen und Zusatzbelastungen wie dem Ampel-Heizungsgesetz.

Erben werden gezwungen, ihr Elternhaus zu veräußern, um die Steuer zahlen zu können. Eine kalte Enteignung und zugleich die Entwertung von Wohneigentum als Altersvorsorge. Die weitere Folge: eine Investitionszurückhaltung, die die Lage auf dem Wohnungsmarkt tendenziell noch verschärft.

Daraus ergeben sich zwangsläufig zwei Konsequenzen. Erstens: die Übertragung der Gesetzgebungshoheit für die Erbschaft- und Schenkungssteuer als Ländersteuer an die Länder. Zweitens: Egal ob als Schenkung zu Lebzeiten oder im Erbfall sollten Eigenheime steuerfrei an Kinder oder Ehegatten übertragen werden können, wenn Erbe oder Beschenkter Haus oder Wohnung innerhalb der nächsten zehn Jahre selbst bezieht oder vermietet. Das trägt auch dem Umstand Rechnung, dass immer weniger erwachsene Kinder in der Nähe ihrer Eltern wohnen und im Erbfall das elterliche Haus immer seltener sofort selbst bewohnen können.
Noch ein Gedanke zum Schluss: Das erste deutsche Erbschaftsteuergesetz von 1906 sah die vollständige Verschonung von Ehegatten und Kindern vor. Eine Rückkehr zu diesem Grundsatz wäre ein beträchtlicher Fortschritt.

 

NEIN

Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landesgruppe im Bundestag

Der CSU-Vorschlag ist ein Wahlkampfmanöver, das auf die Unwissenheit der Menschen in Bayern setzt. Denn was die CSU fordert, gilt schon jetzt: Wer sein Elternhaus erbt, muss keine Erbschaftsteuer zahlen. Als Voraussetzung muss der Erbe die Immobilie mindestens zehn Jahre lang selbst nutzen. Die Wohnfläche darf zudem höchstens 200 Quadratmeter umfassen. Ist sie größer, wird anteilig Erbschaftsteuer erhoben. 

Für Kinder gilt bei Schenkung und Erbschaft von den Eltern ein Freibetrag von 400 000 Euro – und das alle zehn Jahre sowie je Kind und Elternteil. Verschenken die Eltern ihr Haus an zwei Kinder, bedeutet dies eine Steuerbefreiung bis zu einem Wert von 1,6 Millionen Euro. So viel ist nicht einmal ein Haus in München wert. 

Der CSU-Vorschlag greift nur dann, wenn das Elternhaus über 200 Quadratmeter Wohnfläche hat und dieser Anteil – bei einem Kind – mehr als 400 000 Euro wert ist. Damit wird klar: Hinter der verlockenden Formel „steuerfreies Erben des Elternhauses“ verbirgt sich in Wirklichkeit der Versuch, besonders reiche Erben von der Erbschaftsteuer zu entlasten.

Neu ist bestenfalls der Vorschlag der Steuerfreiheit auch bei Vermietung. Aber auch hier gilt: Schon jetzt sind Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet werden, nur mit 90 Prozent ihres Wertes zu versteuern. Hinter jeder Erbschaft steht ein leistungslos erhaltenes Vermögen, was eine angemesse Besteuerung rechtfertigt. Nicht umsonst steht in der bayerischen Verfassung: Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern.

Zuletzt spricht der Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz gegen eine noch stärkere Privilegierung des Elternhauses. Was die CSU hingegen gerne verschweigt: Sie hat dafür gesorgt, dass die größten Vermögen bei der Erbschaftsteuer nahezu steuerfrei übertragen werden können. Jährlich subventionieren Steuerzahler*innen die Reichsten in unserem Land mit 5 Milliarden Euro. Die CSU sollte lieber diese wirkliche Ungerechtigkeit angehen.
 

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