Politik

Seit 2010 hat jeder Bürger einmal im Jahr das Recht auf eine kostenlose Schufa-Selbstauskunft – das sollte genutzt werden. (Foto: dpa)

28.07.2017

Unschuldig auf der schwarzen Liste

Falscher Namen, Wohnort oder Social-Media-Post – die Scoringverfahren von Auskunfteien sind fehleranfällig

Mit einer negativen Bewertung bei der Schufa geht für Verbraucher oft gar nichts mehr. Je nach Ergebnis bekommen sie keinen Kredit, werden von Vermietern abgelehnt oder können keine Kreditverträge mehr abschließen. Doch nicht immer liegen Auskunfteien mit ihrem sogenannten Scoring richtig. Der schuldenfreie Markus Egger (Name geändert) zum Beispiel wollte bei seiner Bank nur eine Kreditkarte für den nächsten Urlaub beantragen – ohne Erfolg.

Auf Nachfrage beim Geldinstitut kam heraus: Laut Schufa habe er seit Jahren einen Kredit über mehrere Tausend Euro nicht zurückgezahlt. Nur: Egger hat nie einen Kredit aufgenommen. Erst der Einblick in die Unterlagen schaffte Klarheit. Die Schulden, die von der Schufa dem falschen Egger zugeordnet worden waren, hat ein Namensvetter aus derselben bayerischen Stadt. „Das ist eine Frechheit“, schimpft der betroffene Egger. Der andere dürfte sich gefreut haben, trotz seiner Schulden weiterhin eine gute Bonität zu besitzen. Wie konnte das passieren?

„Bei Namensgleichheit, teilweise mit identischem Geburtsdatum oder identischer Adresse, können Verwechselungen nicht ausgeschlossen werden“, heißt es vonseiten der Auskunfteien. Allerdings hatte Eggers Namensvetter einen anderen Zweitnamen und wohnte in einem anderen Stadtviertel. „Das hat vorne und hinten nicht zusammengepasst“, wundert er sich. Ohne den Klarnamen des Betroffenen zu kennen, will sich die Schufa zu den Vorwürfen nicht äußern. Eine Sprecherin sieht die Unternehmen in der Pflicht: Sie müssten sich rückversichern, ob es sich um die richtige Person handelt.

Nach Eigenangaben verfügt die Schufa über 813 Millionen Daten zu 5,3 Millionen Unternehmen und 67,2 Millionen natürlichen Personen. Eine Stichprobe von Stiftung Warentest aus dem Jahr 2009 ergab: Gut ein Drittel der Finanzmerkmale waren nicht korrekt. In 28 Prozent der Fälle fehlten Daten, in acht Prozent waren sie veraltet. Ein Prozent war schlicht falsch. „Und die Angaben ’falsch’ bezogen sich nicht darauf, dass es Namensverwechslungen gab“, ergänzt eine Warentest-Sprecherin. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Das Problem besteht allerdings weiterhin – auch in Bayern.

Alternative: EU-Auskunftei?

„Verwechslungen bei namensgleichen Personen sind auch schon bei anderen Wirtschaftsauskunfteien bekannt geworden“, bestätigt der Präsident des bayerisches Landesamts für Datenschutzaufsicht, Thomas Kranig. Die Behörde versucht, die Fehlerquote von Datenfalschzuordnungen durch organisatorische Vorkehrungen und Prüfmaßnahmen möglichst gegen Null zu bringen und in Fällen von Datenfalschzuordnungen für Abhilfe zu sorgen. Es ist aber ein Kampf gegen Windmühlen.

„Ursachen für die Verwechslungen sind menschliche Fehler bei den Mitarbeitern von Auskunfteien, die wohl nie zu einhundert Prozent ausgeschlossen werden können“, sagt Kranig. Keine guten Vorzeichen bei der zunehmenden Datensammelwut. Hinzu kommt: „Einem vermeintlichen Schuldner Einblicke in Rechnungen des wahren Schuldners zu geben, stellt eine unzulässige Datenübermittlung dar“, mahnt Kranig. Besser zur Aufklärung seien Rückfragen bei den Gläubigern der Forderungen.

Auskunfteien berechnen den Score der Verbraucher unter anderem anhand der Rückmeldungen von Banken, Versicherungen oder Telefongesellschaften. Hinzu kommen die Anzahl der Konten, Leasingverträge und zum Beispiel der Nachname oder das Wohnumfeld. Wer in einem ärmeren Stadtteil wohnt, hat so trotz guter Zahlungsmoral bei manchen Auskunfteien niedrigeren Wert. Auch wenn Bankkunden lediglich Angebote für Ratenkredite vergleichen wollen, kann es zu einer Herabstufung kommen.

Obwohl es alle abstreiten, spielt auch das Internet für das Scoring bei einigen Auskunfteien eine Rolle. Wie 2014 ein Sicherheitsleck beim Anbieter „World-Check“ offenbarte, wird im Rahmen des Risikomanagements neben den offiziellen Verzeichnissen auch das Internet ausgelesen. Wer also einmal in überregionalen Medien als Beschuldigter aufgetaucht ist oder von Algorithmen zu Unrecht in Zusammenhang mit Strafverfahren gebracht wurde, kann ebenso auf der schwarzen Liste landen. Obwohl seine Unschuld einwandfrei erwiesen ist, kann der Betreffende dann am Bankschalter noch nicht einmal ein Girokonto eröffnen.

Das bayerische Verbraucherschutzministerium mahnt Auskunfteien zu mehr Transparenz. „Es sollten nur solche Kriterien für das Scoring herangezogen werden, die tatsächlich einen Zusammenhang mit der Zahlungsfähigkeit aufweisen“, sagt ein Sprecher von Ministerin Ulrike Scharf (CSU). Komme es aufgrund falscher Daten zu wirtschaftlichen Schäden, könnten Betroffene Schadensersatzansprüche geltend machen.

„Der Schutz vor den monetären Folgen von Fehlbewertungen ist aber kaum entwickelt“, gibt Frank Christian Pauli vom Verbraucherzentrale-Bundesverband zu bedenken. Zwar gebe es ab nächstem Jahr eine europäische Datenschutzgrundverordnung, welche Anbieter zu „angemessenen Maßnahmen“ verpflichtet, „um die Rechte und Freiheiten sowie die berechtigten Interessen der betroffenen Person zu wahren“. Ob die richtigen Vorgaben aber auch umgesetzt werden, müsse sich erst noch zeigen, so Pauli.

SPD-Verbraucherschützer Florian von Brunn sorgt sich, dass es aufgrund der Auswertung von Geodaten und Informationen aus sozialen Netzwerken vermehrt zu Problemen kommt. Experten warnen bereits, dass Menschen mit vielen Rechtschreibfehlern eine niedrigere Kreditwürdigkeit unterstellt werden könnte. Zwar hat jeder Bürger seit 2010 einmal im Jahr das Recht auf eine kostenlose Selbstauskunft – die bürokratischen Hürden dafür sind aber hoch. „Ein formloser Antrag muss die Regel sein“, verlangt der Abgeordnete.

Die Deutsche Kreditwirtschaft als Dachverband der Branche fordert, dass statt privater Konzerne die EU-Behörden entsprechende Listen erstellen sollen. Den Vorstoß unterstützen auch die Landtags-Grünen. Vor allem aber müsse das Recht auf „Vergessenwerden“ bestehen, meint die Abgeordnete Rosi Steinberger. „Es kann nicht sein, dass man auf so eine Liste gerät und keine Möglichkeit hat, wieder daraus gelöscht zu werden.“ (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Tina Punkt am 31.07.2017
    Zitat: "Auch wenn Bankkunden lediglich Angebote für Ratenkredite vergleichen wollen, kann es zu einer Herabstufung kommen...."
    Das ist der Beweis, dass die Schufa nicht ordentlich arbeitet!
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