Politik

Deutschland als wirtschaftlicher Motor der EU rückt immer mehr in den Fokus der Kanadier. Eine Folge: das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA. (Foto: dpa)

24.02.2017

Wirtschaft hofft auf Spareffekt

Was bedeutet das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA eigentlich für Bayern?

Ob aus TTIP noch einmal etwas wird? Lange haben die EU und die USA verhandelt. Schenkt man den Signalen Beachtung, die der neue US-Präsident Donald Trump derzeit über den Atlantik schickt, ist das Freihandelsabkommen TTIP indes Geschichte. Trump will keinen Freihandel, sondern „fairen Handel“. Damit meint er nicht höheren Stundenlohn für unterbezahlte Kaffeepflücker, sondern zusätzliche Handelsvorteile für die USA. Und die lassen sich besser bilateral durchsetzen: wenn den USA nicht die EU am Verhandlungstisch gegenübersitzt, sondern einzelne Länder, Zwergstaaten geradezu, verglichen mit den USA. Großbritannien zum Beispiel hat sich für diesen bilateralen Weg entschieden – jedenfalls vorläufig.

Für die Europäer rückt nun ein anderes Freihandelsabkommen in den Vordergrund: Ceta, das sogenannte „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ zwischen den EU und Kanada. Es hat den Vorteil, dass es im Gegensatz zu TTIP bereits vorläufig in Kraft getreten ist, seit das EU-Parlament am 15. Februar 2017 den Weg freigemacht hat. Jetzt müssen zwar noch die nationalen Parlamente zustimmen, aber die größte Hürde ist geschafft. Ceta stand immer im Schatten von TTIP. Schließlich hat Kanada nur rund 35 Millionen Einwohner im Vergleich zu den 323 Millionen Menschen in den USA. Und auch das Bruttoinlandsprodukt der USA ist mit rund 18 Billionen US-Dollar gut zehnmal größer als das ihres nördlichen Nachbarn.

Ceta ist also für Europa der sprichwörtliche Spatz in der Hand. „Mit Ceta ist das modernste und ausgewogenste Handelsabkommen entstanden, ein Vorbild für künftige Verträge“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Kanada sei die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einer hochentwickelten Infrastruktur, einem großen Rohstoff-Reichtum und einer günstigen Energieversorgung.

Kanada liegt auf Platz 22 der wichtigsten Exportmärkte Bayerns

Was die bayerische Wirtschaft angeht mit „ihrer hohen Exportorientierung und international eng verzahnten Produktions- und Lieferketten, sehen wir große, noch ungenutzte Potenziale“, so Brossardt. Er verspricht sich deutliche Wachstumsimpulse. Ceta komme jetzt eine besondere Signalwirkung zu.

Und diese ist den Europäern fast ein wenig in den Schoß gefallen. „Ceta ist in erster Linie durch das starke Engagement der Kanadier zustande gekommen“, erklärt Thomas Beck, Präsident und Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Kanadischen Industrie- und Handelskammer in Toronto. Denn auch den Kanadiern sei daran gelegen, die große wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA zu mindern. „Deutschland als wirtschaftlicher Motor der EU rückt immer mehr in den Fokus der Kanadier – gerade vor dem Hintergrund des bevorstehenden Brexits“, so Beck. Dafür sei auch der Besuch des kanadischen Premiers Justin Trudeau vor Kurzem in Deutschland ein deutliches Zeichen.

Ja, aber in Bayern ist Trudeau nicht gewesen. Er ist lieber nach Berlin und Hamburg gefahren. Dabei hätte er allen Grund, sich den Freistaat einmal anzusehen. Bayern hat im Jahr 2015 Waren im Wert von 1,7 Milliarden Euro nach Kanada exportiert, ein Zuwachs von 7,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Kanada lag damit auf Platz 22 der wichtigsten Exportmärkte Bayerns. Die wichtigsten Exportgüter Bayerns nach Kanada waren mit 49,2 Prozent Kraftwagen und Kraftwagenteile.

Gerade für den bayerischen Mittelstand ist der gegenwärtige Aufwand doppelter Standards und Zulassungsverfahren beim Export nach Kanada an vielen Stellen noch sehr hinderlich. Ceta führt laut dem Bayerischen Wirtschaftsministerium dazu, dass solche Kosten gerade für kleinere und mittlere Unternehmen um rund 20 Prozent sinken. Zudem ergibt sich künftig ein zeitlicher Vorteil, wenn langwierige bürokratische Genehmigungsverfahren wegfallen.

Folgerichtig sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK): „Die bayerische Wirtschaft steht zu Ceta.“ Das Abkommen sei kein Schreckgespenst, sondern ein Zukunftsmodell für die Handelsbeziehungen der EU mit der ganzen Welt. Ceta-Gegner setzten auf „Fehlinformationen und diffuse Ängste statt auf Argumente“.

Zu den Gegnern gehören zum Beispiel der Bund Naturschutz in Bayern und die Katholische Arbeitnehmerbewegung. Sie warnen vor Sonderrechten großer Konzerne, grünem Licht für Gentechnik, Privatisierung der Wasserversorgung und einem „Welthandelsregime, das die ausschließt, die schon heute arm sind“. Argumente, die man auch von TTIP-Gegnern kennt. Man würde ihnen wahrscheinlich ein wenig mehr Glauben schenken, wäre ein so knallharter Geschäftsmann und Nationalist wie der gegenwärtige US-Präsident nicht so vehement gegen Freihandelsabkommen.

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) setzt darauf, „den Menschen auch weiterhin zu erklären, warum wir vom freien Welthandel profitieren“. Ceta sei eine Erfolgsgeschichte, „weil wir unsere Standards eben nicht aufweichen. Weil wir unser Recht zur Regulierung eben nicht aufgeben, weil wir mit dem Abkommen auch die Daseinsvorsorge nicht gefährden und weil Ceta gerade dem innovativen Mittelstand nutzt. Das müssen wir den Menschen klarmachen.“ Man sollte die Ministerin direkt mal als Erklärbärin ins Weiße Haus schicken. (Jan Dermietzel)

Kommentare (1)

  1. Christian Knotzinger am 25.02.2017
    Vorsicht! Hier wird absichtlich Glatteis gebildet. Die Folgerung Trump ist gegen TTIP, deswegen kann CETA nur gut und ein Heilmittel gegen seine Politik sein, ist Grundfalsch. Gerade diese Art von Handels-und Wirtschaftspolitik aus der TIPP und CETA geschneidert sind, treibt die Menschen solchen Populiste in die Arme. Immer mehr Bürger haben das Gefühl kein wirkliches demokratisches Mitspracherecht für die Gestaltung ihrer Lebensumstände mehr zu haben.
    Diser Vertrag würde diese Entwicklung weiter verstärken. Ein Vertrag der über seine "Regulatorische Kooperation" die Aufhebung von sogenannten "Handelshemmnissen" höchsten Stellenwert einräumt, nicht den Abwägungen über den Nutzen von Gesetzen und Standards für das Gemeinwohl, den Klimaschutz, Arbeitsrechten, Kennzeichnungspflichten u.s.w. Indem es "Stillstandsklauseln" und "Sperrklinken" gibt, die eine Umkehr bei Fehlentwicklungen unmöglich machen. Politik und Wirtschaft sollen damit endgültig " Marktkonform"(Angela Merkel) gestaltet werden.
    Das sind keine "Fehlinformationen" oder "diffuse Ängste" von ewigen Kritikern, nur gehen die Befürworter auf diese Knackpunkte die berechtigte Sorgen auslösen, überhaupt nicht näher ein.
    Es wäre intressant zu wissen, ob solche Politiker wie die bayrische Wirtschaftsministerin auch dann noch ihre vorbehaltlose Unterstützung für den Vertrag beibehalten würden, wenn sie sich für die Folgen verantwortlich zeigen müßten. Erfahrungsgemäß sitzten sie nach der Umsetzung ihrer Politik schon längst in irgendwelchen Vorstandsposten von Konzernen.

    Christian Knotzinger
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