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Die amerikanische McDonnell Douglas F-4E Phantom II in der Flugwerft Schleißheim. Auch die deutsche Luftwaffe hatte das ultraschallfähige Kampfflugzeug aus den Sechzigerjahren übernommen und erst 2013 außer Dienst gestellt. Sehen Sie weitere Bilder aus dem Museum und historische Fotografien in der Bildergalerie am Ende des Beitrags. (Foto: Deutsches Museum)

16.03.2017

Die Geschichte vom Fliegen

In diesem Jahr feiert die Flugwerft Schleißheim ihre Umwidmung zum Museum vor 25 Jahren

Heute hängt hier der Himmel voller Flugzeuge. Niemand, der einen Bezug zur Fliegerei hat, kann sich dem Reiz des Ortes entziehen. Mehr als 125 Jahre Luftfahrtgeschichte sind hier versammelt – an einem Ort, der selbst Luftfahrtgeschichte geschrieben hat: in der  Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums. Rund 70 Flugzeuge werden auf rund 6500 Quadratmetern ausgestellt – „vom Lilienthalgleiter bis zum Eurofighter“, wie es in der Eigenwerbung des Museums heißt. Flugzeug-Begeisterte aus aller Herren Länder kommen nach Schleißheim, um sich dort die einmaligen Exponate anzuschauen. Und 2017 feiert die Flugwerft Schleißheim ihren 25. Geburtstag mit einem großen Fly-In und einem Sommerfest am 8./9. Juli. Wenn dann wieder so viele Menschen in die Flugwerft kommen wie bei der Eröffnung, wär’s grad recht. 40 000 waren es. Gut 100 000 Menschen kamen im ersten Jahr in die Flugwerft, obwohl das Jahr nach der Eröffnung nur noch dreieinhalb Monate hatte. Die Eröffnung im Jahr 1992 war ein großer Tag. Am 12. September um 11 Uhr ging’s los. Der damalige Ministerpräsidenten Max Streibl begrüßte die 2000 geladenen Gäste. Bundeskanzler Helmut Kohl steuerte ein schriftliches Grußwort bei: „Insbesondere junge Menschen zeigen ein außerordentlich großes Interesse an Fragen der Technik und Wissenschaft. Ich freue mich, dass auch bedeutende Museen zunehmend diesem Interesse Rechnung tragen. Hierfür ist die Flugwerft Schleißheim ein schönes Beispiel.“

"Meisterstück technischer Architektur"

Nun ja, möchte man ihm antworten, das Deutsche Museum habe dem ja schon seit einer ganzen Weile Rechnung getragen, aber gleichzeitig muss man konstatieren, dass Kohl Recht hat: Die Flugwerft ist bei jungen Besuchern auch heute sehr beliebt, und ihr Besuch kann einen sechsjährigen Buben den ganzen Tag lang zum Strahlen bringen. Mädchen selbstredend auch – aber ehrlichkeitshalber sei angemerkt, dass 75 Prozent der Facebook-Fans der Flugwerft männlich sind. Zwar waren am Eröffnungswochenende auch viele Frauen unter den Besuchermassen, doch schrieb die Süddeutsche Zeitung, hätten sich „vor allem Buben und ältere Herren“ um den Tisch gedrängelt, an dem man Modellflugzeuge basteln konnte. Aber das mit dem Männerüberschuss in der Flugwerft braucht ja nicht so zu bleiben – die aktuelle Sonderausstellung Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit: Weibliche Piloten in der Geschichte der Luftfahrt spricht besonders Frauen an. Am Tag vor der Eröffnung lobte die Süddeutsche Zeitung – und zwar im Feuilleton –, den Neubau als ein „Meisterstück technischer Architektur“. Und weiter: „An bayerischen Maßstäben heutiger Architektur  gemessen, grenzt es fast an ein Wunder, was in Schleißheim geschehen ist.“

Erbärmlicher Anblick

In der Tat. 1982, zehn Jahre vor der Eröffnung, hatte man das Gebäude noch abreißen wollen. Wer sich heute die traurigen Bilder anschaut, die die historische Halle in erbarmungswürdigem, halb eingestürztem Zustand zeigen, kann es kaum fassen. Die unbewachten Bauten waren verwüstet worden, nachdem 1968 die US Army den Flugbetrieb eingestellt und 1973 das damals noch völlig intakte Gebäude an die Bundesrepublik übergeben hatte. Danach genügten wenige Jahre, um das historische Gebäude in eine Bruchbude zu verwandeln. 1975 brachte jemand mutwillig das Dach teilweise zum Einsturz, vermutlich durch das Untergraben und Sprengen eines Pfeilers; 1981 drückte eine schwere Schneelast weitere Teile des Daches ein. Doch 1983 wendete sich das Blatt: Das Deutsche Museum beantragte eine Außenstelle, um seine immer größer werdende Luft- und Raumfahrtsammlung unterbringen zu können. Das Landesamt für Denkmalschutz stellte die Anlage unter Schutz, und ein neugegründeter Verein setzte sich die Erhaltung der Flugwerft zum Ziel. Dann war da noch Franz Josef Strauß, der begeisterte Flieger, der sich persönlich für die Flugwerft stark machte. „Ohne  Strauß hätte es die Flugwerft in ihrer jetzigen Form wohl nicht gegeben“, erinnert sich Matthias Knopp, heute als Hauptabteilungsleiter verantwortlich für Luft- und Raumfahrt beim Deutschen Museum. Eine „Herzensangelegenheit seines Amtsvorgängers“, sei die Flugwerft gewesen, sagte Max Streibl bei der Eröffnung.

Wiederherstellung 1986 begonnen

Dann ging alles sehr schnell. Nur ein Jahr darauf, im Jahr 1984, bestätigte die Denkmalpflege die Sanierungsfähigkeit der Flugwerft, 1985  beschloss Bayern das Konzept des  Deutschen Museums. 1986 begann die Wiederherstellung der Werft. Rund 50 Millionen Mark hat die Flugwerft gekostet, erinnert sich Helmuth Trischler, damals Kurator der Luftfahrt-Ausstellung. „Das Projekt hat das Deutsche Museum bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit geführt – und darüber hinaus.“ Aber die Mühen haben sich gelohnt. Das Zweigmuseum ist weitaus erfolgreicher, als man sich es ausgemalt hätte. 100 000 Besucher kommen Jahr für Jahr nach Schleißheim, Tendenz deutlich steigend. Im Jubiläumsjahr 2017 sind neue Besucherrekorde möglich.

Aufregender Augenblick

Nach seinem beeindruckendsten Erlebnis in Schleißheim gefragt, muss Gerhard Filchner, der Leiter der Flugwerft, nicht lange nachdenken: Es war der spannende Moment, als die „Attas“, ein „fliegender Simulator“ des  Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, am 12. Dezember 2012 von Braunschweig aus in Schleißheim einflog. „Wegen des Wetters war bis eine Stunde vor dem Start völlig unklar, ob der Transport durch die Luft wirklich an dem Tag würde stattfinden können. Das war richtig aufregend.“ Das Wetter war schlecht und winterlich, die Landebahn in Schleißheim verschneit. Mühsam wurde die eigentlich viel zu kurze Bahn für das knapp 20 Tonnen schwere Flugzeug vom Schnee befreit, Einbauten waren zuvor so weit wie möglich aus dem Flugzeug entfernt worden, um Gewicht zu sparen. Der Coup gelang: Die Attas landete wohlbehalten in Schleißheim – und ist seitdem eines der Prunkstücke der Flugwerft. Das einstige DLR-Forschungsflugzeug mit der charakteristischen Nase ist das größte für die Besucher begehbare Flugzeug in den Sammlungen des Deutschen Museums. Filchner, Trischler und Knopp sind Männer der ersten Stunde beim Projekt Flugwerft. Filchner hat erlebt, wie Flugzeuge vor der Eröffnung mit Transporthubschraubern der Bundeswehr nach Schleißheim gebracht wurden. Wie nach der Wende etliche Neuzugänge aus der ehemaligen DDR in die Sammlung kamen. Er war dabei, als die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Flugwerft installiert wurde, und hat sich gefreut, als der Rollweg zur Start- und Landebahn hinzukam, damit auch flugfähige Exponate aufgenommen und in Betrieb gehalten werden können. „Schließlich haben wir hier in Teilen ein fliegendes Museum, und das soll auch so bleiben“, sagt er. Welches Museum kann schon von sich behaupten, einen Flugplatz vor der Tür zu haben, an dem historische Ausstellungsstücke starten und landen können?

Auslagerung von der Museumsinsel

Die jüngsten Neuzugänge haben die Flugwerft allerdings auf dem Landweg erreicht – und zwar von der Museumsinsel im Herzen Münchens. Weil das Haupthaus des Deutschen Museums gerade modernisiert wird, sind auch einige Flugzeugzeuge nach Schleißheim verlegt worden. Ein Senkrechtstarter, ein Starfighter und eine Me 262 sind aus dem Ausstellungsgebäude auf der Museumsinsel hinausbugsiert und auf der Straße nach Schleißheim gebracht worden. Ganz besonders freut sich Filchner aber auf das Jubiläums-Fly-In und das große Sommerfest in der Flugwerft am 8./9. Juli. „Ich möchte alle herzlich dazu einladen, 2017 die Flugwerft noch einmal zu besuchen oder neu kennenzulernen. Wir sind mit 25 Jahren immer noch recht jung, aber wir haben die ganze Geschichte der Luftfahrt hier in Schleißheim zu bieten. Und wir ruhen uns nicht auf unserer großen Geschichte aus.“ (Gerrit Faust)

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