Ausschreibung und Vergabe

Um einen Brückenneubau über eine Autobahn gab es Streit. (Foto: dpa)

02.09.2016

Wahlpositionen dienen nicht der Markterkundung

Oberlandesgericht München zur Zulässigkeit alternativer Leistungspositionen

Die Autobahndirektion Südbayern (ABD) hat den Neubau einer über die BAB 92 führenden Brücke im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis bestimmt. In der Leistungsbeschreibung war die Grundposition einer Übergangskonstruktion für die Brücke vermerkt, die nur mit Hilfe des Produktes eines einzigen Herstellers realisiert werden konnte.

Hierzu hat die ABD Südbayern in der Leistungsbeschreibung eine andere Übergangskonstruktion beziehungsweise eine dazugehörige geräuschmindernde Oberfläche als Alternativposition vorgesehen. Der nach der Submission zunächst preislich bestbietende Bauunternehmer wurde nach Abschluss der rechnerischen Prüfung unter Berücksichtigung der günstigsten Grund- und Wahlpositionen über seine Nichtberücksichtigung von der ABD Südbayern vorabinformiert. Das nunmehr für den Zuschlag vorgesehene Bauunternehmen hatte die Wahlposition günstiger angeboten und lag deshalb auf Platz 1. Der nichtberücksichtigte Bauunternehmer beantragte daraufhin ein Nachprüfungsverfahren. Mit Erfolg.

Alternativposition ist vergaberechtswidrig


Das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 22. Oktober 2015 – Verg 5/15) hat entschieden, dass die ausgeschriebene Alternativposition vergaberechtswidrig ist. Eine Vergabestelle darf nicht nach Belieben Grund- und Alternativpositionen ausschreiben. Ein solches Vorgehen gefährdet vor allem die Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB). Die Ausschreibung von Wahl- beziehungsweise Alternativpositionen ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein bestimmtes berechtigtes Bedürfnis des öffentlichen Auftraggebers daran besteht, die zu beauftragende Leistung einstweilen offen zu halten, so der bayerische Vergabesenat. Die Rechtsprechung hierzu ist aber so vielfältig wie uneinheitlich. Ein berechtigtes Interesse soll beispielsweise dann bestehen, wenn nur mit Hilfe der Ausschreibung und entsprechenden Wahlpositionen die Kosten für die verschiedenen Ausführungsvarianten ermittelt werden können. Von der Rechtsprechung wurde auch für ausreichend erachtet, wenn der Vergabestelle durch die Wahlposition ermöglicht wird, ein technisch höherwertiges Gerät zu beschaffen. Als unzulässig wird es hingegen von den Gerichten eingeordnet, wenn bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der Ausschreibung eine Festlegung auf eine der beiden Alternativen möglich und zumutbar gewesen wäre. Auch sollen Wahlpositionen überhaupt nur dann zulässig sein, wenn sie nicht den Hauptteil der Leistung betreffen. All das, so das Münchner Oberlandesgericht, gebietet eine den Einzelfall betrachtende Abwägung: Je größer das Interesse der Vergabestelle an der Ausschreibung einer Alternativposition ist, desto großzügiger kann diese zugelassen werden.

In dem zu entscheidenden Sachverhalt hat die ABD Südbayern nach Überzeugung des bayerischen Vergabesenats ein berechtigtes Interesse nicht einmal annähernd dargetan. Wäre das in der Grundposition ausgeschriebene Produkt tatsächlich die einzige technisch zufriedenstellende Lösung, so wäre eine offen-produktspezifische Ausschreibung zulässig gewesen und es hätte kein Anlass bestanden, eine Alternativposition auszuschreiben. Mit seiner Vorgehensweise konnte die ABD Südbayern gerade nicht ermitteln, welche technischen Lösungsansätze möglich sind und wie sich diese preislich zueinander verhalten, um sodann Preis und Qualität der Ansätze abzuwägen. Denn einziges Zuschlagskriterium war hier der Preis. Es ist deshalb für das Oberlandesgericht München nicht nachvollziehbar, weshalb die ABD Südbayern im Sinne einer Markterkundung versucht hat, möglichst von jedem Bieter die Preise für zwei unterschiedliche Übergangskonstruktionen zu erfahren.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Rechtsanwalt bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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