Bauen

Die neue Fertigungshalle. (Foto: Obel-Architekten)

22.08.2014

Arbeiten mitten im Grünen

Neue Montagehalle für Fitz Interior in Mertingen

Seit Jahrhunderten ist die Affinität zu maritimen Einrichtungen wie etwa der Bau von Schiffen eine Domäne küstennaher Regionen. Die Firma Fitz holt ihn nicht nur in die Provinz der bayerisch-schwäbischen 3000-Einwohner-Gemeinde Mertingen, sondern betreibt ihn, zusammen mit anderen Produktionszweigen, auf internationalem Niveau. Für das Vorfertigen der Einrichtung exklusiver Luxusjachten – manche in einer Länge von mehr als 100 Metern – für den Empfang internationaler Auftraggeber und, auf ausdrücklichen Wunsch der Geschäftsführer Dieter und Josef Fitz, besonders auch als lebensfreundlicher Arbeitsplatz für die rund 60 Mitarbeiter sollte eine Montagehalle abseits der noch zu oft existierenden monotonen Gewohnheiten im Industriebau entwickelt werden.
Das seit 1956 arbeitende Unternehmen hat sich in den letzten 20 Jahren von der kleinen Bauschreinerei zum Hersteller für exquisite Schiffs-, Büro- und Privateinrichtungen (neben anderen für die BASF, Goldman Sachs oder Bill Gates) entwickelt und sich darin einen gerade in Übersee geschätzten Namen gemacht. Für die Stätten von Planung und Produktion fand sich Architekt Matthias Köhn vom Architekturbüro Obel und Partner, Donauwörth, vor der nicht ganz einfachen Aufgabe, ein wachsendes Auftragsvolumen mit innerbetrieblichen Abläufen, technischen und ökonomischen Anforderungen auf einer praktisch nicht erweiterbaren Grundfläche –  das Gelände wird im Westen von einem Wasserlauf begrenzt –  zu verbinden, dabei aber auch repräsentative Aspekte –  die Auftraggeber inspizieren schon mal mit dem Hubschrauber den Stand der Arbeiten –  nicht außer Acht zu lassen.

Der Bau erinnert an ein unvollendetes Amphitheater


Wie so oft, führte auch hier nicht der erste eingeschlagene Weg zum Ziel –  vor allem nicht, weil der bauliche Nukleus der Firma –  die Anlage der 1950er Jahre mit Spänesilo und Einzelgebäuden –  fest in den Ablauf integriert war. Schon einmal, 2002, hatte ein Neubau des gleichen Büros eine moderne Produktions- und Lagerstätte mit 2050 Quadratmetern ins Werk gesetzt. Zehn Jahre später, 2012, sollte dieser segmentartig geschwungene Baukörper nun auf seiner Schmalseite, im Westen, erweitert werden –  hauptsächlich aus dem Grund, weil komplette Yachteinrichtungen im Maßstab 1:1 vorab aufzubauen waren (eine Eigenart der deutschen Hersteller –  andere Nationen richten ihre Einrichtungen erst auf der Baustelle ein, was für erhebliche Nacharbeiten am Montageort sorgen kann).
Das gesamte Material für die komplex ineinandergreifenden Gewerke, das an der Südostseite des Betriebsgeländes angeliefert wird, hätte so den Weg durch den ganzen so entstehenden Riegel durchwandern müssen und wäre schließlich am Rand der Flüsschens Schmutter zum Abtransport bereit gestanden –  die aber ist nicht schiffbar, ein Rückführen hätte ein unnötiges Hindernis bedeutet.
Die architektonische Planung stand, die Genehmigungsfähigkeit war gegeben, aber die insgesamt durchaus machbare Lösung – vielfach müssen Endprodukte in der Fertigung über längere Strecken transportiert werden – fand noch nicht die endgültige Überzeugung von Planern und Bauherren.
Die Lösung lag in einer ungewöhnlichen Idee, die zunächst in Form von Animationen zu überprüfen war –  und sie schien zu funktionieren. Die existierende Fertigungshalle sollte um einen südlich gelegenen Fixpunkt gedreht, dabei in einem engen Bogen so weitergeführt werden, dass ein hufeisenförmiger, im Grundriss ellipsoider, an ein unvollendetes Amphitheater erinnernder Baukörper entstand.

Radweg wurde um das Gebäude herumgeführt


Nach dem Erwerb des notwendigen Baugrunds im Süden des bisherigen Betriebsgeländes – ein am Flüsschen entlangführender Radweg wurde kurzerhand um das Gebäude herumgeführt –  konnte der optimierte Entwurf umgesetzt werden. Jedoch stand nun einem Bestand von wenig mehr als 2000 Quadratmetern eine Erweiterung um knapp 3300 Quadratmeter gegenüber, ein Rauminhalt von bald 30 000 Kubikmetern war zu bewältigen. In der unmittelbaren Nachbarschaft der kleindimensionierten Dorfbebauung sollte jedoch kein grober Industrieklotz emporwachsen. Zudem wünschte sich die Bauherrschaft für ihre Mitarbeiter eine Produktionsstätte, in der jeder Einzelne den Wechsel der Jahreszeiten wie die unterschiedlichen Tageszeiten wahrnehmen kann.
Diesem Konzept wurde bereits mit einem neuen Bürogebäude auf der Nordseite, im Bereich der alten Werkstatt, begegnet. Auf dem Weg dorthin durchquert man eine gepflasterte, an einen japanischen Garten erinnernde Fläche, von der aus man einen Arbeitsraum mit viel Platz, mit Pflanzen und warmen Farben betritt. Diese und die anderen Büroarbeitsplätze befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Cafeteriabereich –  wer während der Frühstückspause in die Morgensonne blicken will, kann das von der zum Osten gerichteten Terrasse aus tun.
Die beachtlichen Dimensionen (der 34 Meter breite Querschnitt erstreckt sich über eine Länge von rund 100 Metern) fügen sich unaufdringlich in die von der Natur bestimmte Umgebung aus Bäumen und dem um die Halle und mit einem Steg über die Schmutter geführten Radweg ein. Die sieben Meter hohe Fassade (dahinter verbirgt sich ein Flachdach mit einer fünfprozentigen Neigung ) des solitären Baukörpers ist in weiten Teilen verglast: im Süden vollständig, mit kürzeren Abschnitten (Pfostenriegelkonstruktion für die Wetterhaut des Gebäudes; verputztes und farbig gefasstes Mauerwerk) jeweils nach Westen und Osten.

Glasflächen bieten ein Optimum an Transparenz


Durch die gerundete äußere Form ist das Gesamtvolumen von keinem Standpunkt aus ablesbar, die großen Glasflächen bieten ein Optimum an Transparenz, so, als ob man von außen an der Präzisionsarbeit für die yachtbegeisterte Hautevolee teilhaben könnte. Eine raffinierte Konstruktion lässt den Dachaufbau an der Traufkante schmäler erscheinen, als er ist und evoziert so eine schwebende Leichtigkeit. An die Außenwand gerückte Stahlbetonstützen tragen die 1,90 Meter hohen Holzbinder, sodass der Großteil der Halle frei überspannt werden kann.
Die umgebenden Bäume, aber auch die große Raumhöhe ermöglichen mit der Bauteilaktivierung der flügelgeglätteten Ortbeton-Bodenplatte ein über alle Jahreszeiten reichendes, angenehmes Raumklima. Diese immer mehr verwendete Technik trägt zu einem angenehmen Raumklima bei und kann hier, unterstützt von der durch die Holzbearbeitung zur Verfügung stehenden Späne-Feuerungsanlage, die Speichermasse der 20 Zentimeter starken Betonplatte effektiv thermisch nutzen. So werden auch größere Temperatursprünge vermieden, die in der Holzbearbeitung unerwünscht sind.
Besucher der Produktion gelangen über eine flache Treppe ins Innere, gerade neben dem Späneturm, der den dem Umbau gestalterisch angeglichenen Bestand mit der horizontal schließenden Halle verbindet und als vertikale Komponente eine Gelenkfunktion zur schnelleren Orientierung einnimmt. Für die Montagebereiche war indes eine möglichst helle Belichtung wichtig. Diese Aufgabe wird von Oberlichtern (die als RWA-Elemente auch zur Lüftung dienen) und den großen Wandflächen gelöst, die den Grünzug der Umgebung auch im Gebäudeinnern erlebbar werden lassen.
Die ehemalige westliche Außenwand aus Glas ist nun in die Erweiterung integriert, was eine zunächst als notwendig gehaltene optische Barriere weitgehend zugunsten eines durchgehenden Raumcharakters verändert.
In einem funktionierenden Entwurf werden auch die innerbetrieblichen Abläufe uneingeschränkt berücksichtigt: Die einzelnen Bereiche für Lagerung, Bearbeitung und Montage mussten sinnvoll miteinander verknüpft werden, eine durchgehende Produktionslinie war Parameter des Entwurfs. Zur Umsetzung wird das gesamte Material straßenseitig, an der Ostseite, angeliefert – die zur Endmontage vor Ort verpackten Produkte werden am benachbarten, zur selben Seite gerichteten Ende des Hufeisens abgeholt – und danach etwa in den Werften der Welt oder in den Büros der Broker eingebaut.
Die Montagehalle soll der bayerisch-schwäbischen Leistungsfähigkeit einen Ort geben und ihren künftigen Innovationen die Tore oder besser, die Glaswände öffnen. Das Projekt wurde von der Bayerischen Architektenkammer für die Architektouren 2014 ausgewählt. (Markus Würmseher) (Das Firmengelände wird im Westen von dem Flüsschen Schmutter begrenzt; der Neubau ist in weiten Teilen verglast; das komplette Firmengelände im Modell und der fertiggestellte Neubau - Fotos: Obel-Architekten)

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