Bauen

Das renovierte und sanierte „Alte Rathaus“ in Geisenfeld. (Foto: Ralf Gamböck)

12.05.2017

Ein Juwel im Zentrum der Stadt

Das „Alte Rathaus“ in Geisenfeld wurde saniert, umgebaut und erweitert

Gebäude wie das „Alte Rathaus“ in Geisenfeld können Geschichte(n) erzählen. Dank der denkmalgerechten Sanierung, die maßgeblich die Handschrift des Innenarchitekten Jürgen Hlady trägt, erhebt das älteste Profangebäude der Gemeinde wieder seine gewichtige Stimme im architektonischen Ensemble des Stadtzentrums. Der heute sichtbare Komplex wurde um 1620 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Dormayr als weltliches Gegengewicht zu der mächtigen Benediktinerinnen-Abtei am Ort erbaut. Teile der Grundmauern sind allerdings, wie die bei den archäologischen Grabungen entdeckten Münzen belegen, bereits im frühen 15. Jahrhundert errichtet worden. Ziel des Projekts im Auftrag der Stadt Geisenfeld war einerseits der Erhalt wertvoller Bausubstanz. Andererseits sollte das Gebäude dem Bürgerservice zugeführt und so als echter „Mehrwert“ für die Gemeinde lebendig erhalten werden. Für Hlady bedeutete dies „die Entwicklung eines bestandschonenden und zukunftsfähigen Konzepts“, das den Maßgaben von Brandschutz, Ökologie, Barrierefreiheit und moderner Technik ebenso genügt, wie den wachsenden Ansprüchen der Verwaltung einer prosperierenden Kommune. Eine Herausforderung, galt es doch, „zugleich den einzigartigen Charakter des Bestandsgebäudes nicht zu zerstören und Historisches zu konservieren“. Für Jürgen Hlady ist das Ergebnis der Maßnahme, die sich von der Planung über die Sanierung bis zu Umbau- und Erweiterungsarbeiten über fünfeinhalb Jahre streckte, eine „Hommage an die Baukunst des 16. und 17. Jahrhunderts“. Aus seiner Sicht wäre es ein „nicht in Geld aufzuwiegender Raub für nachkommende Generationen gewesen, dieses Gebäude nicht zu ertüchtigen“, sagt der für den Entwurf und dessen Realisierung verantwortliche Experte, der das Bauen im Bestand als „Berufung“ empfindet Gründe für seine Einschätzung hat er mehrere: Als Verwaltungsgebäude befindet sich das stadtbildprägende „Alte Rathaus“ in bester Lage, es eröffnet vielfältige Möglichkeiten der Nutzung und lässt selbst alltägliche Behördengänge „zum Streifzug durch 400 Jahre Geschichte werden“. Letzteres ist unter anderem deshalb möglich, weil die sensible Renovierung viele historische Details erhalten hat. Eine metallene Halterung und ein Guckauge weisen auf die einstige Nutzung des dahinter liegenden Raums als Gefängniszelle. Ins rechte Licht gerückt zeugen ein 500 Jahre alter Türstock und eine historische Holztreppe auf die Handwerkskunst vergangener Zeiten. Der Besucher erlebt „von Kopf bis Fuß“ Besonderes. Da ist zum einen der Bodenbelag: Nach historischem Vorbild handgefertigte Lehmziegel im Eingangsbereich sowie in einer Manufaktur hergestellte Eichendielen mit bis zu acht Metern Länge im ersten Stock sind ebenso belastbar wie ästhetisch. Zum anderen ziehen kunstvoll restaurierte barocke Innentüren und einzigartige Stuckdecken den Blick auf sich. Als Brücke zur Gegenwart dienen Kreuzstock- und Kastenfenster, die eine Sichtachse zum Stadtkern bilden. Die vom renommierten Bildhauer Balthasar Stoll um 1570 geschaffene Skulptur der Justitia, die den Giebel der Außenfassade ziert, verweist darauf, dass nach dem Einzug des Notariats heute wieder eine juristische Einrichtung hier vertreten ist.
Seinen zeitgemäßen Mehrwert verdankt das Objekt indes einem durchdachten Nutzungskonzept, das dem Geist moderner Dienstleistung ebenso Rechnung trägt, wie den technischen Anforderungen an Barrierefreiheit, Sicherheit und Energieeffizienz. Im Erdgeschoss ist ein großzügiger, neuer Servicebereich mit Standesamt entstanden, im Obergeschoss lädt ein festlicher Trau- und Veranstaltungssaal zu feierlichen Anlässen. Ein Konferenzzimmer und weitere Büroräume runden das Raumangebot ab. Durch einen Anbau mit Fahrstuhl, der sich laut Hlady „ganz bewusst gegen das historische Bestandgebäude absetzt“, wird das zweite Obergeschoss erschlossen. Hier hat das Notariat auf 240 Quadratmetern eine neue Heimat gefunden. Ganz oben, unter der frei sichtbaren, bauzeitlich instandgesetzten Dachkonstruktion finden Akten, Heizung, Lüftung und Datenkommunikation ihren Platz.

Restlos begeistert


Wie sehr auch die Öffentlichkeit ein Interesse an solchen Bauvorhaben hat, zeigte sich beim Tag der offenen Tür. Rund 1000 Besucher aus der Region nahmen dabei die Gelegenheit wahr, an einer der zahlreichen fachlichen Führungen durch das Gebäude teilzunehmen und zeigten sich, wie Rathauschef Christian Staudter, „restlos begeistert“. Das Lob der Bürger war überschwänglich: Von einem „Juwel im Zentrum der Stadt“ war die Rede, die „außergewöhnlich schöne Farbgestaltung der Fassade“ wurde ebenso hervorgehoben, wie die „geschmackvolle Sanierung der freundlichen und hellen Innenräume“ und sogar für das „stylishe“ öffentliche WC gab es Anerkennung. Inzwischen hat sich das Gebäude auch im Alltag bewährt und es „lebt“. Viele Paare, sogar von außerhalb, möchten sich des Ambientes wegen im Stucksaal des „Alten Rathauses“ trauen lassen. Für touristische, kulturelle und kulinarische Veranstaltungen wird das mitten im Herzen der Hallertau gelegene Kleinod ebenfalls genutzt: Szenische Darbietungen des StadtStorch-Ensembles zur Geschichte des Klosters oder des Reinheitsgebotes gehören zu den besonderen Attraktionen.
Jürgen Hlady bekennt, „schon ein bisserl stolz“ auf die positiven Reaktionen zu sein, die es auch aus der Fachwelt gab – die Jury des Bundes Deutscher Innenarchitekten hat mit dem „Alten Rathaus“ zum dritten Mal eines seiner Projekte unter die 20 bundesweit besten gewählt und somit für würdig befunden, im aktuellen BDIA Handbuch vorgestellt zu werden. Doch, so räumt der Innenarchitekt bescheiden ein, sei das Gelingen letztlich auch der Tatsache zu danken, dass Bauherr, Fachplaner und ausführende Handwerker mit ihm gemeinsam „nie das angestrebte Ziel aus den Augen verloren haben“. (BSZ) (Das neue "Alte Rathaus" in Geisenfeld; eine kunstvoll restaurierte barocke Innentür; der festliche Trau- und Veranstaltungssaal; viele historische Details wurden erhalten - Fotos: Ralf Gamböck)

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