Bauen

Kammerpräsident Lutz Heese, Regine Keller, Michael Weidenhiller, Bettina Georg, Tobias Scheel, Simon Wetzel (Georg Scheel Wetzel Architekten), Brigitte Jupitz (Sprecherin der Initiative pro-stadtBAUmeister Nürnberg), Josef Poxleitner und Staatssekretär Gerhard Eck. (Foto: byak/Tobias Hase)

24.07.2015

Für den hohen Stellenwert der Baukultur sensibilisieren

Verleihung des Bayerischen Architekturpreises und des Bayerischen Staatspreises für Architektur 2015

Mit der Verleihung des mit 10 000 Euro dotierten Bayerischen Architekturpreises und des Staatspreises für Architektur 2015 haben die Architektenkammer und die Staatsregierung bereits zum fünften Mal Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich um die Baukultur in Bayern verdient gemacht haben. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Baukultur in Bayern zu erhalten, zu fördern und weiterzuentwickeln. Denn kein Bauwerk steht für sich alleine. Alle zusammen bilden unsere gebaute Umwelt und prägen unser tägliches Leben. Somit ist Baukultur eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie braucht eine öffentliche Diskussion über die Qualität des Planens und des Bauens“, sagte Innen- und Baustaatssekretär Gerhard Eck bei der Preisverleihung in München.
Lutz Heese, Präsident der Bayerischen Architektenkammer, freute sich über die Preisträger, die das Kuratorium auch in diesem Jahr einstimmig ausgewählt hat: „Wir alle sind jeden Tag von Architektur und Baukultur umgeben. Umso wichtiger ist es, die Öffentlichkeit für den hohen Stellenwert ihrer gebauten Umwelt zu sensibilisieren. Der Bayerische Architekturpreis trägt entscheidend dazu bei. Und mit der Verleihung des Bayerischen Staatspreises für Architektur unterstreicht die Bayerische Staatsregierung eindrucksvoll die Bedeutung der Architektur für den Kulturstaat Bayern.“

Erstmals wurde auch ein Gebäude ausgezeichnet


Mit dem Bayerischen Architekturpreis ausgezeichnet wurde die Landschaftsarchitektin Regine Keller und der frühere Leiter der Obersten Baubehörde (OBB), Josef Poxleitner. Keller, Professorin für Landschaftsarchitektur und öffentlichen Raum an der Technischen Universität München (TUM), hat sich laut Kuratorium besonders darum verdient gemacht, gerade Nicht-Architekten die Potenziale und auch die Bedeutung der Gestaltung öffentlicher Räume nahezubringen. Poxleitner würdigte das Kuratorium als Persönlichkeit, die die Logik der architektonischen und baulichen Qualität sowie die der politischen Realisierbarkeit zusammenbrachte und von den Architekten für seine Parteilichkeit für Qualität geschätzt wird.
Der Nürnberger Initiative „Pro Stadtbaumeister“ und Michael Weidenhiller, Ministerialrat im Kultusministerium, sprach das Kuratorium Anerkennungen aus. Die Initiative sei ein gelungenes Beispiel einer engagierten Bürgergesellschaft, die sich erfolgreich für den Erhalt der Position des Baureferenten in Nürnberg eingesetzt hat und dabei zeigte, wie komplex die Baugestaltung und der Prozess des Bauens sind. Weidenhiller brachte in verschiedenen Projekten Architektur und Schule in Beziehung. Ihm gelang es, Schüler ihren Aufenthalt in gebauten und gestalteten Umwelten und Räumen bewusst zu machen.
Erstmals wurde mit dem NS-Dokumentationszentrum München auch ein Gebäude als überzeugende architektonische Lösung für eine gesellschaftliche Fragestellung ausgezeichnet. Neben dem Bayerischen Architekturpreis wurde das vom Berliner Büro Georg Scheel Wetzel Architekten geplante NS-Dokumentationszentrum auch mit dem Bayerischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet. Den Architekten sei es gelungen, ein Gebäude von höchster Qualität und Symbolik zu schaffen. Ihr sensibles Wirken im geschichtsträchtigen Kontext fördere in besonderem Maße die Baukultur in Bayern.
In der Begründung zu Keller heißt es unter anderem: „Zu den größten Kompetenzen, die es gibt, gehört eine eigentümliche Kombination zweier Tugenden, über die die hier zu würdigende Preisträgerin in besonderem Maße verfügt, nämlich Engagement und Distanzierung. Engagement für eine Sache setzt manchmal distanzlose Bereitschaft voraus, sich einzusetzen, sich durchzusetzen, klug zu agieren, nicht aufzuhören und dranzubleiben. Engagement ist eine Tugend, die nicht die tugendhafte Person selbst im Fokus hat, sondern eine Sache, für die sich der Einsatz lohnt. Wer sich engagiert, ist ganz bei der Sache und ruht erst, wenn es gelungen ist. Engagement lebt von Penetranz – das meint vom Wortsinn her: davon, ganz in eine Sache einzudringen.
Die andere Tugend, die Distanzierung, will etwas Anderes. Sie entfernt sich von der Sache. Sie entfernt sich von der Sache, um einen besseren Überblick zu haben. Sie verlangsamt, um Zeit zur Reflexion zu haben. Und sie hat sich selbst im Blick, nicht um sich narzisstisch zu beobachten, sondern um sich selbstkritisch darüber zu vergewissern, welche Kriterien gelten sollen, was die Ziele sind und welche Mittel einzusetzen sind. Distanz bedeutet im Wortsinne tatsächlich, entfernt zu stehen. Distanz ist damit übrigens eine Raummetapher, passt also für eine Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin.“
Keller sei stets auf der Suche nach Schnittstellen unterschiedlicher Institutionen und Personen der Gesellschaft beziehungsweise der Stadtgesellschaft und stelle gestalterische Lösungen stets interdisziplinär in den Kontext demografischer, gesellschaftlicher, ästhetischer und politischer Entwicklungen. Wie sie dies in die universitäre Lehre integriert, lasse sich etwa an dem Projekt „Ein Platz für Alle“ beobachten. Unter ihrer Betreuung haben Studierende in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsoper nach urbanen Lösungen für den Max-Josef-Platz gesucht – „womöglich nicht die entscheidende städtebauliche Herausforderung für München“. Aber die besondere Kunst besteht laut Kuratorium ja darin, unterschiedliche Fragen der Kontextualisierung raumgestalterischer Lösungen an einem solchen kleinen Beispiel wie in einem Brennglas zusammenzuführen und Studierenden exakt das zu vermitteln, was ihre akademische Lehrerin ausmacht: Engagement und Distanzierung miteinander zu verbinden, um zu Lösungen zu kommen.

Verzicht auf jegliche Monumentalität


Zum NS-Dokumentationszentrum steht in der Kuratoriumsbegründung: „... Dem Entwurf der Berliner Architekten Georg/Scheel/Wetzel gelingt es dabei aber, dem historischen Ort mit einem selbstbewussten Würfelbau geradezu antipodisch, also in einer Gegenbewegung zu begegnen und dabei auf jegliches Pathos zu verzichten. Noch mehr: Es ist nicht nur der Verzicht auf Pathos, sondern eine geradezu antipathetische Formensprache, die wohl am besten geeignet sein dürfte, einen Raum für künftige Generationen zu finden, die sich die Zeit des Nationalsozialismus und den Bezug zu München immer wieder neu aneignen können.
Der Raum ist unaufdringlich, zwingt aber geradezu dazu, sich auf die Zeichensprache einzulassen, insbesondere die Bewegung von oben nach unten nachzuvollziehen.“ Die größte Qualität stellt nach Meinung des Kuratoriums, dass das Zentrum auf jegliche Monumentalität verzichtet. „Es entzieht sich damit selbst auf geradezu geniale Weise der Formensprache der Nationalsozialisten selbst – genauer ausgedrückt: Die Monumentalität der Verbrechen wird nicht mit Monumentalität gekontert, sondern mit einer Einfachheit, die Schwellenängste nimmt und Engagement und Distanzierung zugleich ermöglicht.
Dies ist in der Tat eine räumliche, eine architektonische Lösung für eine gesellschaftliche, eine politische, eine moralische Aufgabenstellung. All dies macht das NS-Dokumentationszentrum zu einem würdigen Träger des Architekturpreises 2015.“
„Wenn der Freistaat baut, dann baut Josef Poxleitner“, beginnt die Kuratoriumsbegründung für den früheren Leiter der OBB etwas überschwenglich, was dieser aber natürlich dann gleich weit von sich weisen würde. Er „würde sich selbst natürlich nur als jemand sehen, der staatliche, also öffentliche Aufträge ausführt. Aber das wäre tatsächlich nur die halbe Wahrheit. Wer auch nur peripher mit dem öffentlichen Bauen in Bayern zu tun hat, kommt nicht nur an der Position von Josef Poxleitner nicht vorbei, sondern auch nicht an seinem geradezu sprichwörtlichen Engagement, baulicher Qualität und Nachhaltigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen.“
Gemäß den Kriterien des Kuratoriums, „das Umfeld des Bauens, den Weg vom Entwurf zur Realisierung und das Verhältnis der Architektur zu anderen Stakeholdern in den Blick zu nehmen“, sei Poxleitner geradezu eine ideale Besetzung. Er habe sich darum verdient gemacht, an den Schnittstellen zwischen politischen Entscheidungen, den baulichen Entscheidungen im engeren Sinne über Gestaltungs- bis zu Finanzierungs- und Verwaltungsaspekten die unterschiedlichen Beteiligten moderierend zusammengeführt und für gute Lösungen gesorgt zu haben. „Dabei hatte Poxleitner stets auch eine eigene Agenda, nämlich wiederum die unterschiedlichen Qualitäten des Bauens miteinander zu verbinden – Bauphysik, Energieeffizienz, Ästhetik, baukulturelle Nachhaltigkeit.“

Mehr sein als
nur ein Dienstleister


Bescheiden nannte er in einem Interview die Tätigkeit seiner 11 000 Mitarbeiter starken Behörde eine bloße Dienstleistung. „Wenn man ihn aber reden hört, dann bekommt man einen Eindruck davon, wie er sich nicht nur für die Aufgabe selbst engagiert, sondern stets größere gesellschaftliche Perspektiven und Aufgabestellungen im Blick hat – neben Kostenfragen die Frage neuer energetischer Lösungen, neuer gestalterischer Lösungen, vor allem aber Fragen des demografischen Wandels und seiner Folgen für bauliche Herausforderungen. Nicht zuletzt hat Poxleitner in seiner Behörde beratende Tätigkeiten etabliert, etwa zur Frage des bezahlbaren Wohnraums und der Wohnraumförderung. Um all das leisten zu können, muss man mehr sein als nur ein Dienstleister. Man muss Führungs- und Moderationsaufgaben übernehmen, eigene Ideen verfolgen und unterschiedliche Stakeholder zusammenbringen. Dies ist Poxleitner auf geradezu beispielhafte Weise gelungen. Vielleicht hat ihm ja seine langjährige Zuständigkeit für den bayerischen Brückenbau dabei geholfen, diese Fähigkeit des Brückenschlags zwischen ganz unterschiedlicher Interessen und Anforderungen zu solch einer Meisterschaft zu bringen.“ (Friedrich H. Hettler)

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