Bauen

Werner Weigl, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: B. Gleixner)

14.08.2014

"Grundlagenwissen"

Ingenieurekammer-Bau-Kolumne: Werner Weigl, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, zur Frage "Was muss ein Ingenieur lernen?"

BER, S21, Elbphilharmonie – kaum jemand, der mit diesen Begriffen nicht sofort negative Assoziationen in Verbindung bringt – wahrlich keine Ruhmesblätter für alle Projektbeteiligten. Soweit es Ingenieure waren, ist also die Frage legitim, waren diese richtig ausgebildet? Dies führt in Konsequenz zu der Fragestellung, was ein Ingenieur bereits im Studium lernen muss.
Bis vor wenigen Jahren war die Frage nach den Studieninhalten der im Bauwesen tätigen Ingenieure an Fachhochschulen und Universitäten relativ einfach zu beantworten: Grundlagenausbildung in den allgemeinen Ingenieurfächern bis zum Vordiplom, vertiefende Ausbildung breitgefächert mit einigen Vertiefungsrichtungen im Hauptstudium zum Diplom. Ergänzt wurde die Ausbildung durch allgemeinbildende Fächer, Wirtschaft und Recht. Alles in allem ein breites Studium, das gutes Rüstzeug zur späteren Spezialisierung im Berufsleben bot.
Sicher: Auch ich vermisste damals im späteren Berufsleben wichtige Aspekte wie soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit, so genannte Soft-Skills als Studieninhalt, ohne die beispielsweise ein Vertreten und Erläutern von Projekten in der Öffentlichkeit schwer möglich ist. Nicht zu Unrecht wird häufig beklagt, dass es den Ingenieuren an mider Fähigkeit mangelt, ihre Aufgaben und Projekte allgemeinverständlich darzustellen.
Und heute? Hochschulen und Universitäten beklagen fehlende Grundlagen aus den vorgelagerten Schulzweigen. Das ist sicher nur zum Teil den Auswirkungen des G 8 zuzuschreiben. Anschließend übertreffen sich Hochschulen und Universitäten an Kreativität in der Generierung von unterschiedlichsten Bachelor- und Masterstudiengängen. Es darf bezweifelt werden, dass die Fragmentierung und Spezialisierung in den Studiengängen zur Steigerung der Qualität in der Ausbildung und damit zur besseren Qualifikation für den Start in das Berufsleben führt.

Über den Tellerrand hinaus


Zweifellos erfordern die auch im Bauwesen immer komplexer werdenden Planungsprozesse, Berechnungsmethoden, Baustoffe, Bauverfahren und Bautechnologien sowie deren schnelle Entwicklung Spezialisten in den Fachdisziplinen. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass nur mit breitem Grundlagenwissen ausgestattete Spezialisten in der Lage sind, über den Tellerrand ihrer Fachdisziplin hinauszublicken und im Team das Gelingen des Gesamtprojekts im Auge zu behalten.
Auch den Absolventen tut man letztendlich keinen Gefallen: Die fantastische Bandbreite des Berufsfeldes der am Bau tätigen Ingenieure wird vielfach schon mit der Wahl des Bachelor-Studienganges unnötig eingeschränkt mit der Konsequenz, dass die Chancen beim Berufsstart gemindert werden. In der derzeitigen Phase der Hochkonjunktur mit besten Berufsaussichten sicher nicht so gravierend – nur hatten wir auch schon andere Zeiten. Und naturgemäß folgt auf jedes Hoch auch irgendwann wieder ein Tief.
Völlig daneben erscheinen vor diesem Hintergrund die Bestrebungen zum Beispiel an der TU München, die Masterstudiengänge im Zeichen der „Exzellenz“ komplett auf Englisch umzustellen. Hier scheint man zu vergessen, dass das Gros der Ingenieure im gesamten Berufsleben ausschließlich auf dem deutschen Markt tätig sein wird. Sicher ist es erstrebenswert, in ausgewählten Fächern in Englisch zu unterrichten, eine ausschließliche Orientierung wird jedoch zwangsläufig zur Reduktion der Ausbildungsqualität führen.
Zurück zur Ausgangsfrage: Was muss ein Ingenieur im Studium lernen? Breitgefächerte Grundlagen, ingenieurmäßiges Denken und die Fähigkeit, die Spezialisierung im Berufsleben selbst durch lebenslanges Lernen zu gestalten. Und: Aufgaben und Projekte so zu formulieren und darzustellen, dass Bürgerschaft und Politik sie verstehen. Und das in verständlicher deutscher Sprache – oder glaubt jemand, durch Englisch hätten die Desaster um BER, S21 oder Elbphilharmonie verhindert werden können?

Kommentare (1)

  1. Exsecutor am 17.08.2014
    Ein sehr treffender Kommentar der mir aus der Seele spricht!

    Vor allem fehlt es heute leider viel zu oft an der Ehre Dinge auch wirklich selbst zu durchplanen und zu durchdenken und sich weder als verlängerte Absatzabteilung der Baustoffindustrie mißbrauchen zu lassen, noch auf der anderen Seite Fachfirmen als bequeme und willige Informations- und Zuarbeiter in der Planungsphase zu mißbrauchen!

    Wenn man sich überlegt, welche phantastischen Bauwerke früher - also viel früher - gebaut wurden, die heute noch stehen! Und heute? Welche Lebensdauer (und manchmal auch Lebensqualität) haben denn unsere angeblich so modernen und nachhaltigen Bauwerke?¿?
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