Bauen

Das Rotermann-Quartier in Tallinn stammt aus dem Jahr 2007 und befindet sich zwischen der Altstadt und dem Fährhafen. (Foto: Wiegand)

15.10.2010

Mittelalter und Moderne

Zeitgenössische estnische Architekten prägen heute das Stadtbild von Tallinn

Der „Alte Thomas“ hat viel zu tun. Ständig schaut das güldene Männlein vom Turm des gotischen Rathauses hinunter in Tallinns verwinkelte Gassen und beobachtet das Gewusel zu seinen Füßen. Die schöne Stadt ist zum Besuchermagneten geworden. Menschen aus aller Welt bestaunen die fast zwei Kilometer lange Stadtmauer mit ihren 26 Wehrtürmen, wie die „Dicke Margarethe“ oder „Kiek in de Kök“. Namen, die daran erinnern, dass der Deutschritterorden in Estland vom 14. bis 16. Jahrhundert das Sagen hatte.
Der wuchtige „Lange Hermann“ stammt ebenfalls aus jener Zeit. Mit 50 Metern Höhe übertrumpft er die übrigen Wehrtürme und ist Tallinns Wahrzeichen. Schon 1989, rund zwei Jahre bevor Estland seine Unabhängigkeit wieder erlangte, hatten Mutige die Sowjetfahne von seiner Spitze heruntergeholt und statt ihrer die estnische gehisst. Und dann sind da noch das Schwarzhäupterhaus und geschichtsträchtige Gotteshäuser, die ins Auge fallen, vor allem der spitze Turm der 1267 erbauten Olaikirche. „Früher hat er den Schiffen den Weg gewiesen,“ erzählt Stadtführerin Maie Lepa.


Perfekt
restaurierte Häuser


Die Stadtmauer Tallinns schlängelt sich durch die Häuserreihen. Rund um die Olaikirche befinden sich perfekt restaurierte Häuser. Das alles ist Mittelalter zum Anfassen und zum Verlieben. Kein Wunder, dass Tallinn seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.
Dieses Ambiente genießen die Besucher im wahrsten Wortsinn und stürmen an warmen Tagen die Restaurant-Terrassen der Patrizierhäuser auf dem Rathausplatz. Beliebt sind auch die Lokale in den früheren Klostergebäuden auf der Venestraße, der „Pfeffersack“, das „Olde Hansa“ und das „Schlössle Hotel“ in der Pühavaimu (Heilig-Geist-Straße).
Tallinn ist eine Stadt der kurzen Wege. Doch wie die jungen Estinnen auf „high heels“ übers Kopfsteinpflaster den Domberg hinauf bis zur Alexander-Nevsky-Kathedrale zu stöckeln, wäre keine gute Idee. Dieser pompöse Bau aus der Zarenzeit war wohl (auch) eine Machtdemonstration. Weit mehr berührt der schlichte Dom St. Marien aus dem 13. Jahrhundert. Drinnen schmücken 107 alte Adelswappen die Wände und berichten von alten Zeiten. Doch Tallinn, das 1248 das Stadtrecht erhielt, klebt nicht an der Vergangenheit. Das zeigen die Nationaloper, das Konzerthaus und das Theater, Bauten vom Anfang des 20. Jahrhunderts.
Noch mehr erstaunt das Rotermann-Quartier von 2007 zwischen Altstadt und Fährhafen. Renomierte zeitgenössische estnische Architekten beweisen hier – auf dem einstigen Handels- und Industriegelände von Christian Abraham Rotermann (1801 bis 1870) – ihre Meisterschaft und wurden bereits mit zahlreichen Preisen geehrt. Die einfallsreich gegliederten Bauten heißen schlicht Schwarzes Haus, Weißes Haus, Braunes Haus sowie Orange Haus und sind beste Beispiele für modernes Bauen.


Bauten sollen
eine Brücke schlagen


Außerdem gibt es eine Mustermühle von Emil Urbel, eine Gerstenmühle von Vahur Sova und eine Sägemühle des „KOKO“-Architektenteams. Andererseits zeichnet Hanno Grossschmidt für die Brotfabrik und zwei Bauten zur Mehllagerung verantwortlich. Diese Namen knüpfen an frühe Nutzungen an. Nun beherbergen diese Gebäude Büros, Wohnungen, Geschäfte und Restaurants. Sie sollen, so heißt es, eine Brücke schlagen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, und das gelingt. Im braunen Bau, Lager für altes Mehl genannt, spiegelt sich leicht verzerrt die Olaikirche.
Zwischen den neuen Häusern fällt in einiger Entfernung auch der hohe Turm des Elektrizitätswerkes auf. Im kommenden Jahr, wenn Tallinn Kulturhauptstadt Europas 2011 ist, gelangt dieses E-Werk zu neuen Ehren und wird Spielort für diverse Aufführungen. Darüber hinaus öffnet sich Tallinn stärker zum Meer und startet ein Langzeit-Bauvorhaben – die Umwandlung eines vernachlässigten Küstenstreifens in eine Flaniermeile mit Ostseebrise. (Ursula Wiegand)

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