Bauen

Der Neubau des Volkstheaters. (Visualisierung: Stadt München - Baureferat)

08.02.2018

Unspektakulärer Solitär

München bekommt 2021 ein neues Volkstheater auf dem Gelände der Großmarkthalle

Bevor am Donnerstagabend im Münchner Volkstheater Georg Taboris Mein Kampf Premiere feierte, verwandelte sich in Vorfreude auf ein noch größeres Ereignis das Foyer in eine Art von Ausstellungsraum. Angesichts von Wettbewerbsentwürfen, Architekturmodellen und einem Animationsfilm kann der Besucher schon einmal in die Zukunft blicken und eine neue Spielstätte des Volkstheaters vis à vis des Münchner Schlachthofs entdecken. Münchens geplanter Theaterneubau auf dem ehemaligen Viehhofgelände an der Zenettistraße soll im Mai 2021 schlüsselfertig der Stadt übergeben werden. Die Würfel, wer es bauen soll, sind gefallen. Für das Neubauprojekt verantwortlich zeichnet die Firma Georg Reisch aus dem schwäbischen Bad Saulgau. Mit einstimmigem Ergebnis der Jury vom Oktober 2017 und nahezu einstimmigem Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 erhielt die Firma den Zuschlag. Als Generalübernehmer hat der Investor mit dem Münchner Baureferat einen Vertrag geschlossen. Erst seit 2006 ist es öffentlichen Bauherrn erlaubt, einen Generalübernehmer zu beauftragen, der das wirtschaftliche Risiko im Falle einer Kostensteigerung trägt. Da die Stadt ihre Ausgaben gedeckelt hat, garantiert das Unternehmen Reisch zum Festpreis von 130,7 Millionen Euro dem städtischen Auftraggeber die vertragliche Umsetzung des Siegerentwurfs ihres mitbeteiligten Partners, des Stuttgarter Architekturbüros Lederer Ragnarsdóttir Oei – einer von ursprünglich fünf Bewerbern, die nach einem europaweit ausgeschriebenen Teilnahmewettbewerb ausgewählt wurden. In der bis zum 15. Februar gezeigten Ausstellung sind neben dem Siegerbeitrag auch die Entwürfe der Konkurrenten HPP-Architekten, Sauerbruch Hutton Architekten sowie PFP-Architekten zu sehen. Vorzeitig ausgeschieden und hier nicht gezeigt wird der Beitrag des Münchner Architekturbüros Atelier Achatz Architekten als fünften Beteiligten. Der Juryvorsitzende Ulrich Holzscheiter spannte in seiner Rede einen Bogen zum römischen Architekten Vitruv und sprach von den Schlüsselbegriffen der Architektur: Schönheit, Nützlichkeit und Festigkeit in Übertragung auf die Jetzt-Zeit. So gesehen wirkt dann auch der breite Torbogen wie ein römischer Triumphbogen – ein Alleinstellungsmerkmal des schnörkellosen, pragmatischen Siegerbeitrags, der den Haupteingang markiert und zum Flanieren einlädt. Theater für jedermann, sozusagen.
Der Zuschauerraum wird mit 600 Plätzen so groß sein, wie der jetzige. Nur die Reihen sollen breiter werden, was die Nähe zur großen Bühne garantiert. Zum bayerischen Kulturleben gehört bekanntlich auch ein Biergarten. Auch der ist für Volkstheater Intendant Christian Stückl, der gerne Schwellenängste abbauen und elitärem Bildungsbürgertum entgegenarbeiten will, ein wichtiger Punkt auf seiner Wunschliste, respektive im 1000 Seiten umfassenden Katalog funktionaler Leistungsbeschreibung. Dazu gehören ebenfalls ein Probenraum, eine kleinere Bühne mit 200 Plätzen, eine Black-Box, Räumlichkeiten für Werkstätten, Depots, Garderoben und Büros sowie eine Kindertagesstätte.

Rotes
Ziegelmauerwerk

Der Neubau will kein spektakulär auftrumpfender Solitär innerhalb der Stadtlandschaft sein. Im Gegenteil. Der Baukörper, dessen Fassade sich mit seinem fein strukturierten, roten Ziegelmauerwerk der Umgebung anpasst, ist etwas zurückgesetzt und nimmt Gestaltungselemente der denkmalgeschützten Bestandsarchitektur der Nachbargebäude auf.
Dasselbe gilt auch für die aus der Gebäudemitte leicht versetzte, eigentliche Theatermaschine, den nachts hinterleuchteten Bühnenturm – die Sichtachse zur Frauenkirche sollte nicht verdeckt werden. Dieser 27 Meter hohe (mit Schür- und Unterbühne dreistöckige) Gebäudeturm visualisiert Theater, ohne dominant zu sein. Verspielt wirken der in der Dachzone angedeutete Theatervorhang wie die Theaterköpfe im darunter liegendem Relieffries. Im Urteil der Jury heißt es unter anderen: „Der Entwurf besticht durch seine städtebauliche Grundposition und bindet den umfangeichen Theaterkomplex in den Stadtraum sehr gut ein.“ Immerhin schlägt bei der Jurybewertung die „städtebauliche und ästhetische Qualität“ (mit 27 Prozent) noch vor der „funktionalen und technischen Qualität“ (mit 23 Prozent) zu Buche. Mit 50 Prozent bewertet wird der „Gesamtpreis für Planung und Bau“. „Das Gebäude muss von innen heraus leuchten und zum Anziehungspunkt werden“, betonte Stückl, der als einer der Juroren bei der Entscheidungsfindung beteiligt war. Er wünscht sich sein Theaterpublikum quasi im „Dunstkreis“ der Volksbühne und nimmt Abstand von repräsentativen Theaterprachtbauten. Einen schweren Holzboden, quasi die Bretter, welche die Welt bedeuten, wünscht er sich nicht nur auf der Bühne, sondern im gesamten Haus. Und er verspricht, dass er das neue Haus im Herbst 2021 eröffnen wird. Der Abbruch der Winterstallungen auf dem Viehhofgelände hat bereits begonnen. Im Juni dieses Jahres wird dem Investor das Gelände übergeben, der die Baufertigstellung für März 2021 garantiert.
(Angelika Irgens-Defregger) (Das Foyer und der Saal 2 - Visualisierungen: Stadt München - Baureferat)

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