Freizeit und Reise

Garstner Advent mit Krippenausstellung. (Foto: Gabi Dräger)

20.12.2016

Nagelschmiedkrippen, Jubelkarl und Punschstandeln

Garsten legt Wert auf eine gewachsene, traditionelle und bodenständige Adventszeit

Rund um die prächtige barocke Stiftskirche, des ehemaligen Benediktinerklosters, im oberösterreichischen Garsten ist der Weihnachtsmarkt aufgebaut. Der Geruch von Weihrauch verbreitet eine weihnachtliche Stimmung und von Punschstandln lockt der Geruch von Zimt und Nelken verführerisch. Ja, der Standlmarkt „Am Platzl“ vor der Stiftskirche verbreitet ein Weihnachtsgefühl, das stimmungsvoller nicht sein könnte. Der Höhepunkt jedoch ist die Ausstellung „Krippen in der Prälatur“. Im Mittelpunkt stehen Nagelschmiedkrippen, die ab 1800 von Schmieden in der Region Garsten gebaut wurden. Die Figuren zu den Krippen bestanden zu der Zeit zumeist aus gebrannten und bemalten Lehmfiguren. Doch die Garstner Krippentradition geht schon in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück, die Barockbildschnitzer Hans Spindler und Marian Rittinger haben damals schon kunstvolle Krippen geschnitzt. Die „Buchsbaumkrippe" des Garster Laienbruders Marian Rittinger von 1705 steht heute im Stiftsmuseum Garsten. Von 1782 an bis 1804 verbot Maximilian I. das öffentliche Aufstellen von Krippen. Doch das Verbot führte nur dazu, dass Krippen nun in privaten Häusern aufgestellt wurden. Deshalb wurden viele kleine und preiswertere Krippen, wie Papierkrippen und kleine Kastenkrippen hergestellt und in der Weihnachtszeit aufgestellt. Trotz Verbot wurden die Krippentradition weitergeführt. Elfriede und Karl Mayer sind beide in Pension und widmen sich ganz der Krippenkultur in Garsten. 1980 begannen sie sich erstmals mit Krippen zu beschäftigen. Sie wollten mit Krippen für das Jubiläumsjahr „1000 Jahre Garsten“ zur Ausstellung beitragen. Der Großvater von Karl Mayer schrieb 1926 über seine Familienkrippe: „Die Krippe ist ca. 100 Jahre alt, ein Nagelschmied hat sie gemacht." Elfriede und Karl Mayer gingen dieser Spur der bodenständigen Kastenkrippe oder „Nagelschmiedkrippe“ im „Krippenland an der Eisenstraße“ nach. Seitdem gilt ihre gemeinsame Vorliebe der Krippenforschung, dem Restaurieren alter Krippen und dem Bauen neuer Krippen. Dabei konzentrieren sie sich besonders auf mechanische Krippen. Sie sind auch die Mit-Initiatoren und Mit-Organisatoren des Garstner Advents mit der Krippenschau in der Prälatur. Großer Andrang herrscht an der großen mechanischen Krippe. Wenn man einen Euro in den Schlitz wirft bewegen sich 25 Szenen. Das ist vor allem für die Kinder der Höhepunkt der Ausstellung. Auf dem Krippenlandschaft, der 2,40 x 1,70 Meter groß ist, gibt es einen Wasserfall mit echtem Wasser und in einem Sägewerk wird gearbeitet, Windmühlen drehen sich, Kühe und Schafe weiden, vor dem Herodeshaus läuft ein Wächter, Mäher und Dängler arbeiten, ein Lautenspieler bewegt sich allerdings lautlos und zwei Männer fahren im Boot. Früher wurden die mechanischen Szenen über Schnurzüge mit einer Handkurbel in Bewegung gesetzt. Heute übernimmt diese Arbeit muskelschonend ein kleiner Elektromotor. Durch Zufall konnten Elfriede und Karl Mayer von einem Händler Teile einer alten Krippe erwerben, es waren drei Tafeln eines Hintergrunds, eine Schachtel mit Häusern, Papierfiguren und Reste von beweglichen Szenen. Ihre Nachforschungen haben ergeben, dass die Teile aus einer alten böhmischen Krippe stammten. Elfriede und Karl Mayer haben in vier Jahren an dem Krippenberg, der aus verschiedenen Teilen und aus verschiedenen Zeiten stammte, gebaut. Die Figuren aus dem 19. Jahrhundert haben sie bei einem Antiquitätenhändler entdeckt und dazugekauft. Diese Krippe gehörte einst Josef Schauberger, der in jungen Jahren vom Mühlviertel nach Reichenberg in Nordböhmen ging, und eine Glaserei eröffnete. 1942 kehrte er mit seiner Krippe nach Österreich zurück. Nach seinem Tod gerieten die Teile der Krippe an einen Händler. Manches wurde damals am Reichenberger Krippenmarkt angeboten, daher erhielt die Krippe ihren Namen „Reichenberger Krippe.“ Es ist ein gewohntes Bild, im Zentrum der Weihnachtskrippe steht die heilige Familie mit dem Jesuskind, Maria und Josef und mit Ochs und Esel. Über dem Stall schwebt der Gloriaengel, der Stern von Bethlehem und die Heiligen drei Könige ziehen ein. Zur Krippe gehören auch Hirten, Gabenbringer und viele Schafe. Doch in der Garstner Nagelschmiedkrippe sind die Figuren dem Leben entnommen, da gibt es Kraxenträger, Waldarbeiter, Apfelbrocker, Radlbockfahrer, Jäger, Schornsteinfeger, Nachtwächter und Mägde. Neben den biblischen Figuren gibt es in der Nagelschmiedkrippe immer Figuren aus dem einfachen Volk. Außerdem ist das biblische Geschehen der Geburt des Jesuskindes auch zum Teil in der heimischen Welt dargestellt, es mischen sich Palmen und Apfelbäume, Hirsche und Kamele. Eine besondere Figur in den Nagelschmiedkrippen ist der „Jubelkarl“ mit schwarzem Hut und einer roten Weste bekleidet und der vor Freude über die Geburt Jesu seine Arme hebt. Der Jubelkarl wurde zur Leitfigur der „Garstner Nagelschmiedkrippen“. Die Krippenfigur des Jubelkarls kommt auch in den Krippen anderer Länder vor, natürlich mit anderem Namen. Die Italiener haben ihren „Carlo allegro“ und die Franzosen kennen ihn als „Ravi“. Immer ist er der einfache Mensch, der die Hände in die Höhe hebt, weil er sich freut, dass Jesus geboren wurde. Besonders beeindruckend in der Ausstellung ist eine Papierkrippe aus dem 18. Jahrhundert. Die handbemalten Figuren sind aus Karton und Papier gefertigt. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Material man eine festliche und ergreifende Krippe herstellen konnte. Simone Rossacher führt die Krippentradition fort, sie zeigt in einem Nebenraum die schönsten Krippen der Jetztzeit, die in Kursen der Krippenschule in Garsten hergestellt wurden. In der Ausstellung „Handwerkskunst und Kunst“ in Garsten stehen Weihnachtsbäume traditionell geschmückt. Einer ist mit Strohsternen, Äpfeln und Nüssen dekoriert, das waren schwere Zeiten, da hatte man kein Geld für Weihnachtsschmuck. Ein anderer Weihnachtsbaum ist mit Engeln, die Kleider bestickte Kleider aus Brokat tragen, geschmückt. Ihre Köpfe und Hände sind aus Wachs geformt. Ein weiterer Baum ist edel mit Biedermeierschmuck behängt und an dem nächsten Baum sind Kränze aus Heidekraut und Mascherln dekoriert. Der Garstner Advent ist bekannt für gelebtes Kunsthandwerk und Handwerkskunst. „Also mir gefällt’s heuer sehr gut“, sagt eine Besucherin. In der Verkaufsausstellung wird mit der Zither, Hackbrett, Gitarre und Maultrommel aufgespielt. Keramik, Patchwork, Strickwaren, Schmuck, Kerzen, Stickereien, Stofftiere und Puppen kann man erstehen. Etwas ganz traditionelles sind „Wachskindl im Glassturz“ und Kastenkrippen, die man auch kaufen kann, aber die nicht ganz preiswert sind. Maultrommeln, die in der Region hergestellt werden, kann man kaufen und gleich ausprobieren. Ganz typisch für die Region sind Klappmesser, das „Trattenbacher Taschenfeitl“, das auch „Zaukerl“ genannt wird. Für die weltlichen Genüsse gibt es Geselchtes, Kaspressknödel und Palatschinken. In Garsten sind 49 künstlerisch bemalte Bretterfiguren in Lebensgröße nach den alten „Loahmmandeln“ aufgestellt. Sie weisen den Weg zur Krippenausstellung. (Gabi Dräger) (Garsten legt Wert auf eine gewachsene, traditionelle und bodenständige Adventszeit. Hier findet man keinen Jingle Bee-Schnickschnack oder Weihnachtskitsch - Fotos: Gabi Dräger)

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