Freizeit und Reise

Kühe bestaunen ein Fahrrad. (Foto: Allgäu GmbH)

04.04.2017

Radeln im Allgäu

Wie der Radtourismus ins Allgäu kam

Das Fahrrad feiert Geburtstag. Vor 200 Jahren erfand Karl Freiherr von Drais sein Laufrad. 1867 kam das erste Veloziped mit Pedalen auf den Markt. Auch im Allgäu hält das Rad Einzug: Um 1885 wurden die ersten Radsportvereine gegründet. 1897 wurden in Marktoberdorf erstmals alle Straßen für Radler freigegeben. Heute erschließt die Radrunde Allgäu die Region - ein 450 km langer Radfernweg, der geeignete Strecken für E-Bikes, Renn- und Tourenräder bietet und vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) mit vier Sternen klassifiziert wurde. Räder konnten sich zunächst nur Reiche und Privilegierte leisten. So erregten sechs Hochradler großes Aufsehen, als sie 1884 auf ihrer Fahrt von Kempten nach Ravensburg in Wangen einkehrten. Schon im gleichen Jahr wurde der 1. Veloziped-Club in Wangen gegründet. Doch es gab strenge Richtlinien: Nur einige Straßen durften Radler benutzen und eine Radfahrkarte, eine Art Führerschein, erwerben. Radler galten als Revolutionäre, erinnert sich ein Journalist und Zeitzeuge 1965 in der "Ostallgäuer Heimat" an die Anfänge des Radelns. Das Rad war Luxus und Freiheit, man gelangte zu Orten, die vorher außer Reichweite lagen. Heute verschafft das E-Bike jüngeren wie älteren Radlern viel (Bewegungs-) Freiheit und ist nicht mehr wegzudenken. Entscheidend war das Jahr 1977. "Dietrich Thurau gewann fünf Etappen der Tour de France und fuhr 15 Tage im gelben Trikot. Das löste bei uns einen Rad-Boom aus", sagt Peter Beck, radbegeisterter 75-jähriger und ehemaligr Leiter des Gästeamts Wangen. Immer mehr Menschen unternahmen größere Touren. Doch anfangs war es nicht leicht, eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Viele Gastwirte waren nämlich sehr skeptisch, hielten sie die Radler doch für arme Schlucker. Schon bald aber wandelte sich die Skepsis, Anfang der 90er kam der Radurlaub immer mehr in Mode und die Gastwirte erkannten: Diese Feriengäste bewegen sich den ganzen Tag und haben abends Hunger und Durst. Mittlerweile gibt es ein gut ausgebautes Netz an Bett & Bike-Betrieben entlang der Radrunde Allgäu, die auf ihre Gäste eingestellt sind: Das Rad ist nachts sicher abgestellt, es gibt Trockenräume für Ausrüstung und Kleidung, ein Werkzeug-Set ist stets griffbereit. Insgesamt bilden 37 Partnerbetriebe das Rückgrat der Radrunde. Den Anfang der beschilderten und ausgewiesenen Radfernwege machte 1977 der Donau-Bodensee-Radweg von Ulm bis an den Bodensee. Jeder Gemeinde war die Beschilderung selbst überlassen. Erst 1998 wurden die Radfernrouten landesweit einheitlich beschildert, seit 2005 nun auch bundesweit: Das bekannte Piktogramm mit grüner Schrift auf weißem Grund gibt das Nah- und Fernziel an. Auch im Allgäu gab es bereits Initiativen wie der Iller-Radweg von Oberstdorf nach Ulm. Stillgelegte Bahntrassen wurden zu Radwegen umfunktioniert, wie 1979 die alte Dampflok-Runde von Marktoberdorf nach Lechbruck. 2003 beginnt Ottobeuren erste Radrouten auszuweisen. Füssen zieht 2004 nach, im Stadtgebiet wird der erste Bett & Bike-Gastgeber vom ADFC zertifiziert. Doch dank anfänglich 14, jetzt 16 Tourismusdirektoren, die sich zusammengeschlossen haben, um mit der Allgäu GmbH die Radrunde Allgäu zu konzipieren, kam der Radtourismus erst flächendeckend ins Allgäu. Der 450 Kilometer lange Radfernweg wurde 2013 eröffnet und setzt neue Maßstäbe: Die Radfahrer, die die Region buchstäblich erradeln und das Allgäu umrunden. In acht Erlebniswelten wie Schlosspark oder Glückswege entdecken sie auf verschiedene Geschichten, Persönlichkeiten und Landschaftsformen. Zwei Achsen, der Illerradweg von Süd nach Nord, der Allgäuradweg von West nach Ost, unterteilen nochmals die Radrunde. Gut befahrbare Strecken abseits des Straßenverkehrs, ausgesuchte und auf die Landschaft bezogene Ruheinseln, individueller Gepäcktransport, spezielle Angebote wie Pauschalen: All das sind für den ADFC Kriterien für qualitativ hochwertigen Tourismus. Die Radrunde Allgäu hat ihr 4-Sterne-Ziel erreicht. Zur Planung des Radurlaubs stehen die kostenlose Übersichtskarte sowie das Serviceheft mit Streckenbeschreibung, Höhenprofil, Einkehrtipps und Gastgebern zur Verfügung. Mittels der interaktiven Karte kann die Radrunde Allgäu geplant, gespeichert und ausgedruckt werden. Radfahren ist mittlerweile eine gesundheitsorientierte Lebensform und liegt voll im Trend. Das zeigen zahlreiche und langjährige Breitensport-Angebote auch im Allgäu. Wie zum Beispiel der 14. Mountainbike Marathon in Pfronten am 17. Juni 2017. In diesem Rahmen findet auch die witzige Klapprad-WM als Bergrennen statt. Oder der 9. Rad-Marathon Tannheimer Tal am 9. Juli 2017, der jedes Jahr weit über 1000 Teilnehmer anlockt. Die Radtouristikfahrt "Oberschwäbische Barockstraße" quer durchs Allgäu und Oberschwaben findet am 3. September 2017 bereits zum 39. Mal statt. Auch der Bayerische Rundfunk schätzt die gut ausgebauten Radwege im Allgäu. So führt die allseits beliebte BR-Radltour 2017 von Mittelfranken nach Schwaben. Zwei der sechs Etappenorte liegen im Allgäu: Vorletztes Tagesziel ist Memmingen, am 4. August endet die Tour in Sonthofen mit einem großen Open-Air-Event. (BSZ) (Radlpause am Hopfensee und Tour mit dem Rennrad - Fotos: Allgäu GmbH)

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