Freizeit und Reise

Die fünf Gesichter der Waldseer Fasnet. (Foto: Kur- und Gästeinformation Bad Waldsee)

11.01.2017

S'Schrättele treibt sich in der Nacht herum

Alemannisches Brauchtum: die Waldseer Fasnet

Mit urigen Umtrieben und seltsamen Bräuchen rüsten die Narren in Bad Waldsee zur fünften Jahreszeit. Jetzt regiert der Mummenschanz. Am vergangenen Dreikönigstag war mit dem „Gschellabstauben“ die Ruhe und Beschaulichkeit in dem oberschwäbischen Heilbad vorbei. Die Waldseer Masken wurden abgestaubt und Narren und Hexen treiben bei Maskenabnahmen, Narrentreffen mit befreundeten Zünften und Ballnächten ihr Unwesen bis zur Hochfasnet vom 22. bis 28. Februar. In der Nacht zum Gumpigen Donstig beginnt mit dem Schrättelestanz am 22. Februar die Hochfasent. Leise stürmen gespenstisch anmutende Schrättele den Rathausplatz. Sie tanzen auf ihren Besen ums lodernde Feuer. Hinzu kommen die Weißnarren und der Faselhannes. Sie vertreiben die rauen Wintermächte. Traditionell kehren die Waldseer und Gäste danach in die Wirtshäuser der Innenstadt ein. Wenige Stunden zuvor wurde der Bürgermeister entmachtet. Den fünf Waldseer Gesichtern begegnet man jetzt auf Schritt und Tritt: „Schrättele“, „Federle“, „Narro“, „Faselhannes“ und „Schorrenweible“. Und zur Begrüßung sagt man nicht mehr „Grüß Gott“, sondern kräftig „Ahaaa!“. Gerüstet hat sich auch der Jung-Elferrat, der dieses Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiert. Heimlich haben sie sich im Jahr 1947 gegründet. Heute treiben sie „Werners Esel“ durch die Gassen und stellen am Gumpigen den Narrenbaum auf – verkleidet als Zimmermann und Geometer. Dazu werden Anekdoten erzählt. Zuvor werden die Schüler durch die Zünfte vom Unterricht befreit. „School’s out“ heißt es beim urigen Wächsebrauch – es regnet Brezeln, Wecken und Landjäger. Nachmittags findet der Narrensprung mit den heimischen Masken statt. Am Samstag, 25. Februar, gibt es eine Narrenparty und am Fasnetssonntig eine Narrenmesse. Am Fasnetsmontig beim großen Narrensprung ziehen schwäbisch-alemannische Zünfte aus Süddeutschland und der Schweiz durch die Innenstadt. Am Fasnetsdienschtig lädt der Narrennachwuchs zum Kinderumzug. Danach beginnen die Stunden der Trauer: Die Besen werden verbrannt und die „verstorbene“ Fasnet, das auf einer Leiter liegende Mäschkerle (Puppe), wird den Fluten des Schlossbaches übergeben. Schlag 24 Uhr läutet die Fasnet im historischen Kornhaus aus. Damit Einheimische wie Gäste an der Waldseer Fasnet mitfeiern, wird jedes Jahr ein Motto fürs Kostüm verkündet. Dieses Jahr: „Adel, Jetset, Glamouröös – Waldseer Fasnet ist pompös“. Dieser gute alemannische Brauch wird in der Kneippstadt Bad Waldsee seit dem 15. Jahrhundert gefeiert. Und weil die Fasnet viel älter ist als die Prädikatisierung zum Heilbad – dies geschah erst 1956 – heißt es bis heute „Waldseer Fasnet“. Die Hexe „Schrättele“ leitet ihren Namen vom „Schratt“ ab – einem Dämon und Plagegeist. „Mi hot heut Nacht s`Schrättele druckt“ heißt es bis heute nach schlaflosen Stunden. S’„Federle“ ist der Böse von Waldsee, der als Jäger verkleidet die Frauen verführt hat. „Narro“ trägt bunte Federn und hüpft wie verrückt vor Lebensfreude – meist zusammen mit dem „Faselhannes“, der schelmisch-lachend lokale Anekdoten brabbelt. Und das „Schorrenweible“, einst die Kräuterfrau aus dem Wald, humpelt mit ihrem Korb durch die Gassen. Auch außerhalb der närrischen Zeit kann man in dieses Brauchtum eintauchen. Die Zunftstube ist in der historischen Ölmühle eingerichtet, zusammen mit dem Fasnetmuseum. Zu sehen sind sämtliche Masken: das Sammlervölkle, die Brezgebuaba, die Nachtwächter und Trommler, die Garde sowie der Prinz mit Hofnarr – eine Prinzessin gibt es bei der Waldseer Fasnet nicht. Die erste Narrenzeitung stammt aus dem Jahr 1866. Die Masken der Hauptfiguren „Schrättele“, Federle“, „Narro“, „Faselhannes“ und „Schorrenweible“ werden durchweg aus Lindenholz hergestellt, keine gleicht der anderen. Jede von ihnen hat eine Nummer, mit der der Träger identifiziert werden kann. Derzeit gibt es drei zugelassene Maskenschnitzer. Wer eine Maske möchte, muss sich erst hoch “dienen“. Er muss Mitglied in der Narrenzunft werden und den Verein tatkräftig unterstützen. (BSZ)

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