Kommunales

20 Hühner pro Quadratmeter, warnen Naturschützer und Anwohner, würden auf der geplanten Mega-Mast in der Nähe von Wolnzach (Landkreis Pfaffenhofen) hausen. (Foto: dpa)

20.05.2016

Da weinen ja die Hühner!

In Eschelbach soll Bayerns größte Hähnchenmastanlage entstehen – Naturschützer machen gegen die damit verbundene Umweltbelastung mobil

Im Ortsteil Eschelbach der Hallertauer Marktgemeinde Wolnzach soll die größte Hähnchenmastanlage des Freistaats entstehen – mit 144 000 Tieren. Dagegen machen Bund Naturschutz und Bürger mobil. Auch Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) soll helfen, schweigt aber bisher. Eschelbach a. d. Ilm in der Hallertau ist so, wie man sich das ländliche Oberbayern – noch – vorstellt: Ruhig, gepflegte Häuser und Vorgärten, die Leute kennen sich. Um das Dorf herum wächst der Hopfen – eine in Bezug auf Lärm und Gerüche eher belästigungsarme Version der Landwirtschaft. Nur auf die Hopfendolden, die zur Erntezeit oft auf den Wegen liegen, sollten Radler achten – sonst ist der Reifen platt.

Doch es gibt auch andere Bereiche in der Agrarbranche, die der Bürger sehr wohl in der Nachbarschaft merkt. In einer von ihnen ist der örtliche Groß-Landwirt Josef Höckmeier aktiv. Der plant die Erweiterung seiner bereits bestehenden Hähnchenmastanlage. Momentan leben dort 50 000 Tiere. Anschließend, sollen es 144 000 werden. Auf jeden der zirka 380 menschlichen Einwohner des Orts kämen dann 450 Hühner.


Erster Anlauf vor vier Jahren



„Stellen Sie sich vor, Ihr Wohnzimmer hat 30 Quadratmeter und darin leben 600 Hähnchen“, schimpft Micha Lohr. Lohr, ein schlanker, sportlicher Mann. Er arbeitet als Lehrer am Haller-Gymnasium in der Marktgemeinde Wolnzach, von der Eschelbach verwaltet wird, und wirkt ebenda als Vorsitzender des örtlichen Bund Naturschutz (BN). Mit diesem drastischen Vergleich möchte er anschaulich machen, was sich in der künftigen Anlage abspielt. „Hühner-KZ“ hat man solche Hähnchenmastanlagen früher genannt – kein politisch korrekter Begriff, aber einer, der das, nun ja, Leben der Tiere ziemlich gut erläutert: zusammengequetscht auf engstem Raum, nie an der Sonne und der frischen Luft, keine Chance, so zu leben, wie es der Herrgott und die Natur für ein Huhn vorgesehen haben, picken, gackern, im Dreck scharren.

Im Hinterzimmer einer Gastwirtschaft sind an diesem Freitagabend ein knappes Dutzend der regionalen BN-Mitglieder zusammengekommen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Unter ihnen ist auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek, früher bayerischer Landesvorsitzender seiner Partei, der kürzlich in die Region geheiratet hatte und herzog. Seine Schwiegermutter, berichtet der Politiker schmunzelnd, habe ihn zur Teilnahme an dieser Veranstaltung gedrängt. Was er dann hört, lässt ihm den Spaß vergehen. Die Naturschützer bangen, sollte Höckmeiers Mega-Mast kommen, vor einer Zunahme des Schwerlastverkehrs, einer wachsende Geruchsbelästigung und einer Verschlechterung des Grundwassers durch Keime, Ammoniak und Medikamentenrückstände.

Schon einmal, knapp vier Jahre ist das her, haben die Männer und Frauen der Umweltschutzbewegung gemeinsam mit besorgten Bürger mobil gemacht – mit Erfolg. Doch Josef Höckmeier, zu dem eine Kontaktaufnahme erfolglos blieb, gab nicht auf. „Nachdem der erstmals im Jahr 2012 vorgelegte Antrag im Herbst letzten Jahres zurückgezogen wurde, hat der Antragsteller nun überarbeitete Unterlagen vorgelegt und erneut ein immissionsschutzrechtliches Verfahren in Gang gesetzt“, teilt das zuständige Landratsamt in Pfaffenhofen mit. Es hatte diesen nämlich zunächst nicht genehmigt.

Das Landratsamt hat – mehr kann man der Behörde nicht abverlangen, sofern nun alles mit Recht und Gesetz zugeht – für Anfang Juni eine Anhörung geplant, bei der die Besorgten ihre Bedenken vortragen dürfen. Ob ein Termin wochentags um 9 Uhr vormittags der günstigste Zeitpunkt ist, den man dafür wählen konnte, sei mal dahingestellt. Unter anderem wäre dort auch zu klären, ob Josef Höckmeier unter Verweis auf eine sogenannte privilegierte Landwirtschaft erweitern darf. Das wäre dann der Fall, wenn er garantieren kann, das komplette Futter für alle seine 144 000 Hühner auf eigenem Grund und Boden anzubauen. Und auch Tierschutzfragen gilt es anzusprechen.


Hohe Anwaltskosten



Doch dafür brauche es, klagt Micha Lohr, kompetenten anwaltlichen Beistand – und der kostet. Die Kassen des Ortsvereins sind aber leer. Vom Landesverband des Bund Naturschutz habe man bereits einen schon aufgebrauchten Zuschuss in Höhe von 2000 Euro erhalten, weitere finanzielle Unterstützung sei abhängig von einem Eigenanteil der Hallertauer. Im Klartext: Spenden aquirieren.

Erneut sollen deshalb die Bürger von Eschelbach in Stellung gebracht werden – doch das ist diesmal leichter gesagt als getan. Und es klingt sehr vertraut – wie meistens, wenn es irgendwo auf dem Land einen lokalen Mächtigen gibt, der die Fäden zieht und vor dem alle kuschen. Viele Menschen hätten Angst, sich öffentlich gegen Josef Höckmeier zu stellen. Ein Grund sei beispielsweise, dass viele Häuser im Ort an das von einer Biogasanlage gespeiste Fernwärmenetz des Landwirts angeschlossen seien und sie auf diese Weise günstig Strom bekämen. Und auch der Umstand, dass einige der Dorf-Jugendlichen bei Höckmeier einen guten Taschengeldverdienst einstreichen würden, sei mit schuld an der zögerlichen Haltung der Bürger, sich gegen den Agrarunternehmer zu positionieren. Viele sind obendrein seine Verwandten. „Die reden zwar böse über den Gartenzaun, aber unterschreiben mit ihrem Namen wollen sie nicht“, schimpft eine der Anwesenden.

Renate Keßler hat keine Angst, ihren Namen zu nennen, wenn sie Kritik an der Hähnchenmastanlage übt. Sie hat darüber auch an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) geschrieben. Das ist jener Politiker – man muss das in diesem Zusammenhang erwähnen – der vor einiger Zeit vollmundig in einem Boulevarblatt ankündigte, endlich der grausamen Praxis des Hähnchenschredderns ein Ende zu bereiten, bei der alle männlichen Tiere gleich nach der Geburt getötet werden. Daraus wurde erst mal nichts.

„Fast vier Wochen, nachdem ich den Brief – per Einschreiben mit Rückschein – abgeschickt habe, ist bei mir weder ein Anruf, ja nicht mal eine Eingangsbestätigung eingegangen“, ärgert sich die Mittfünfzigerin. „Früher haben Politiker wenigstens noch reagiert, wenn der Bürger etwas wollte.“ Auf BSZ-Anfrage bei Schmidt hieß es, dass „der bisherige Beantwortungszeitraum, aufgrund der Fülle und der Umfänge der Anfragen, die das Ministerium täglich erreichen, durchaus keinesfalls ungewöhnlich ist. Frau Keßler wird in Kürze eine Antwort der Fachleute unseres Hauses erhalten“. (André Paul)

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