Diverse Planungsfehler, renitente Naturschützer – der Frankenschnellweg, einst als Verkehrslösung für den Nürnberger Stau gedacht, stockt gewaltig.
Dieses Märchen müsste mit diesen Worten enden: Wenn die Nürnberger nicht gestorben sind, dann streiten sie über den Frankenschnellweg noch heute. Leider handelt es sich um keine Märchengeschichte sondern eher um eine Tragikomödie. Während sich das Publikum langsam gelangweilt abwendet, wetteifern die Protagonisten auf der Bühne noch immer um den Applaus. Eine außergerichtliche Einigung zwischen Stadt und Bund Naturschutz über den kreuzungsfreien Ausbau der Stadtautobahn ist auch nach einem 18-monatigen Verhandlungsmarathon noch immer nicht in Sicht.
Wie viele Akte das Stück haben wird, steht selbst nach der x-ten Vorstellung nicht fest. Fest steht, dass 500 Millionen Euro für den Ausbau und mindestens 50 000 Pendler, die täglich an den Ampeln auf dem „Frankenschleichweg“ im Stau stehen, auf dem Spiel stehen. Mit jeder Verzögerung wächst die Summe, die im Jackpot liegt. Stadtkämmerer Harald Riedel rechnet mit Mehrkosten in Höhe von 15 Millionen Euro – pro Jahr, in dem die Bagger nicht rollen, versteht sich.
Die unrühmliche Geschichte um den schnurgeraden Highway, der Bamberg mit Forchheim, Erlangen mit Fürth und Nürnberg verbindet, reicht lange zurück. Besonders bei der SPD dürfte Bürgermeister und Verhandlungsführer Christian Vogel nicht so gerne daran erinnert werden, dass es seine Genossen waren, die sich jahrzehntelang mit Händen und Füßen gegen den kreuzungsfreien Ausbau der vierspurigen Straße gewehrt haben.
Offiziell nur eine Kreis-, keine Schnellstraße
Mit dem Beginn der Großen Koalition im Rathaus setzte ein Umdenken ein. Als der Nürnberger CSU-Bezirkschef Markus Söder zum Finanzminister aufstieg, schien das Ende der jahrzehntelangen Debatte um den Dauerstau rund um das Nadelöhr nahe. Die Ampeln in Höhe der Rothenburger Straße sollten endlich abgebaut, das tägliche Warten bis zur nächsten Grünphase auf der „Autobahn“ endlich beendet werden. In einer legendären Sitzung des bayerischen Kabinetts auf der Nürnberger Kaiserburg sicherte der Freistaat der Frankenmetropole saftige Zuschüsse zu. „Frankenschnellweg: 395 Millionen“, soll Söder an Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) noch von der Burg aus per SMS verkündet haben.
Was damals nach einem schnellen Durchbruch aussah, erinnert heute viele schmerzhaft an eine unendliche Geschichte, die niemals enden will. Schuld daran ist in den Augen von Beobachtern nicht zuletzt die Stadt, die sich mit einer kleinen Lüge die Misere selber eingebrockt hat, indem sie den „Frankenschnellweg“ im Planungsverfahren als Kreis- und nicht als Schnellstraße behandelte. Mit diesem kleinen Trick sollte der Ausbau wohl beschleunigt und die zeitraubende Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen werden. Die Stadt beharrte aus heutiger Sicht wohl viel zu lange auf dem Standpunkt, dass eine Umweltprüfung de jure nicht notwendig sei. Offiziell handele es sich um eine Kreisstraße, wurde Bürgermeister Vogel nicht müde zu sagen. Man habe sogar die Schneeräumpflicht, führte Chefverhandler Vogel als schlagenden Beweis an.
Freilich sagte damals niemand so gerne laut, dass die Stadt aus dem kurzen Teilstück der Stadtautobahn erst im Jahr 2007 eine Kreisstraße gemacht hatte. Diese kleine Lebenslüge – die wohl als juristisch korrekt, praktisch aber als fatal zu bezeichnen ist – muss die Stadt bis heute büßen. Denn der Bund Naturschutz nutzte genau diesen Schwachpunkt aus und bekam vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wenig überraschend Recht.
Das Verfahren vorm Verwaltungsgerichtshof ruht
Seitdem ruht das Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und die Kontrahenten suchen hinter verschlossenen Türen nach einem außergerichtlichen Vergleich. Bislang liefen die Verhandlungen etwa nach diesem Muster ab: Die Stadt zeigte sich mit Bürgermeister Vogel an der Spitze zunächst zuversichtlich – um kurze Zeit später genauso unmissverständlich über die überzogenen Forderungen der Naturschützer zu schimpfen und damit zu drohen, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und endgültig platzen zu lassen.
Otto Heimbucher vom Bund Naturschutz – der pikanterweise gleichzeitig für die CSU im Stadtrat sitzt – gibt sich dann meist demonstrativ gelassen. „Wir sind an einer sachgerechten Lösung interessiert, und nicht an der öffentlichen Meinung“, sagt Heimbucher. Vogel könne die Verhandlungen gerne platzen lassen. „Wir sind auf die Stadt zugegangen, und nicht die Stadt auf uns“, stellt Heimbucher klar. Zwischen Nürnberg und den Naturschützern gebe es keine „unüberbrückbaren Punkte“ mehr.
Man habe demnach durchgesetzt, dass die Stadt in den nächsten zehn Jahren rund fünf Millionen Euro für Radwege ausgeben müsse (ursprünglich hatte der BN mal 100 Millionen für den Radverkehr gefordert). Außerdem sei man sich einig, dass „Tempo 60“ auf der neuen Ausbaustrecke gelten müsse. Zusätzlich sei vereinbart, dass Lastwagen über 7,5 Tonnen den kreuzungsfreien Frankenschnellweg nach dem Umbau nicht als Abkürzung werden nützen dürfen. Friede, Freude, Eierkuchen herrscht deswegen nicht.
Eine Bahn-Installation übersah die Stadt mal eben
Mit am Tisch hockt auch die Regierung von Mittelfranken, die die Interessen des Freistaats im Blick behalten muss. Die Regierung müsse bei einigen Punkten zustimmen, damit der Kompromiss in trockene Tücher kann, sagt Heimbucher, und verweist auf deren Zuständigkeit beispielsweise bei der Einführung von Tempo 80 auf bestimmten Streckenabschnitten. Noch heikler dürfte die Frage werden, ob man dort einer weiteren Forderung nachkommt. Heimbucher sagt, der BN bestehe darauf, dass die Überleitung von der vielbefahrenen A6 auf den Frankenschnellweg nur zwei- und nicht vierspurig ausgebaut wird.
Obendrein ist der Stadt kürzlich noch ein weiterer Fehler unterlaufen. Bei der Planung wurde eine wichtige Installation der Bahn übersehen, weswegen ein Tunnel der Ausbaustrecke nun um ein paar Meter tiefergelegt werden muss. Auch hier (Stichwort: Grundwassersschutz) könnte der Bund Naturschutz bei Bedarf die Daumenschrauben am Verhandlungstisch ansetzen.
Bezeichnend ist vor diesem Hintergrund, dass der städtische Verhandlungsführer Vogel die Rolle der Regierung von Mittelfranken am Verhandlungstisch neuerdings in immer schillernden Farben ausmalt. Nach außen gibt sich der Bürgermeister nach den langen, nervenaufreibenden Verhandlungen freilich weiterhin demonstrativ gelassen. „Ich bin weiterhin guter Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzt und wir noch einen außergerichtlichen Vergleich erzielen.“ Ein neuer Kompromissvorschlag der Stadt gehe noch in dieser Woche an den BN heraus.
Den Ausgang der Verhandlungen vorhersagen kann derzeit wohl trotzdem kaum jemand. Selbst sichere Punkte scheinen, wenn man ganz genau zwischen den Zeilen liest, immer noch auf wackligen Füßen stehen. „Es gibt noch einige unterschiedliche Auffassungen die grundsätzlicher Natur sind“, sagt Vogel vielsagend. Alles scheint mit allem, wie häufig bei Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, zusammenzuhängen. Bleibt die Frage, wann endlich der Vorhang fällt in diesem endlosen Trauerspiel. Einen strahlenden Helden, das steht schon heute fest, wird dieses Theaterstück nicht hervorbringen. (Nikolas Pelke)
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