Kommunales

Thomas Schmelter (stehend hinten), der Mentor im Kunsttherapie-Kurs. (Foto: Bezirk Unterfranken)

22.01.2016

Der Konflikt zwischen Geist und Körper

Die Klinik für Psychosomatik in Schweinfurt hat sich auf die Behandlung von Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen spezialisiert

Auf dem idyllischen Kos in der südlichen Ägäis, dort wo die Situation von Abertausenden von Asylsuchenden Gemeinden und Verwaltungen am östlichen Rand der EU überfordert, wurde einst Medizingeschichte geschrieben. Hippokrates Versuche zur empirischen und sogar experimentellen Erklärung von Erkrankungen waren bahnbrechend. Auch im Alten Orient wusste man es schon lange: „Ein fröhliches Herz bringt gute Besserung, ein zerschlagener Geist hingegen vertrocknet das Gebein“, lautet schon einer der Sprüche Salomos. Aber erst der Urvater der Medizinethik formulierte den intellektuellen Überbau: Krankheiten können einen Konflikt zwischen Körper, Geist und Seele bedeuten.
Die moderne Wissenschaft hat die Vorstellung aus der Pionierzeit, ein einheitliches simplifizierendes Ursache-Wirkungs-Modell könne die Wechselwirkungen zwischen Körper, psychischen Prozessen und Umwelt erklären, aufgegeben. Der Trend geht zu dynamischen, integrativen Modellen, die ein hohes Maß an Kompetenz erfordern. Eine Behandlung sollte man folglich den Profis überlassen. Solche findet man unter anderem an der Klinik für Psychosomatik am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt, die im April 2014 ihre Pforten öffnete. Dahinter steht ein beispielgebendes Gemeinschaftsprojekt des Leopoldina-Krankenhauses Schweinfurt mit dem Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Werneck. Diese Kooperation über administrative Grenzen hinweg ist in seiner Form bislang bayernweit einzigartig und zeigt bemerkenswerte Erfolge in der Nutzung kurzer Wege zwischen psychosomatischer und somatischer Medizin auf.
Thomas Schmelter, Leitender Arzt der Klinik und Facharzt für Nervenheilkunde sowie für Psychotherapeutische Medizin, bringt es auf den Punkt: „Die inhaltliche Hoheit, die fachliche Kompetenz, das „Know-how“ liegt bei Werneck, das Leopoldina hat die Kasse und stellt den Ort.“

Es haben sich auch schon Alumni-Gruppen gebildet

Dem Bezirk Unterfranken als Träger der psychiatrischen Einrichtung gelingt mit diesem innovativen Ansatz eine Optimierung der regionalen Versorgung. Zu den Patienten gehört das normale Soziospektrum der Bevölkerung, allerdings werden auch vermehrt russisch- oder türkischstämmige Patienten entsprechend dem Wohnquerschnitt angesprochen. Das ganzheitliche Angebot soll alle Sinne ansprechen, entsprechend der Diagnose reicht es von Einzeltherapien bis zur Gruppentherapie, und dies mit großem Erfolg. Wie arriviert die Psychosomatiker in Werneck sind, mag man daran ermessen, dass sich wie ganz selbstverständlich Alumni-Gruppen schon nach einem halben Jahr gebildet haben – ohne Zutun seitens der Klinik. Dieses hohe Maß an Compliance, also der Bereitschaft der Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen, überrascht selbst die Experten vom Leopoldina-Krankenhaus.
Die größte Gruppe stellen Patienten mit psychischen Symptomen wie Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen. Diese gehen meist weniger mit körperlichen Beschwerden einher. Durch die räumliche Nähe zum Allgemeinkrankenhaus hat die Abteilung zudem mit „somatoformen Störungen“ zu tun, das sind Patienten mit einem Organbefund, der jedoch die Beschwerden nur unzureichend erklären vermag. Häufig sind auch Fälle, bei denen das Körperliche und Psychische kausal verbunden sind, zum Beispiel Depressionen infolge eines Herzinfarkts.
Bereicherte bisher die Psychosomatik das therapeutische Angebot und galt als möglicher Schlüssel für „unerklärliche chronische“ Fälle, so eignet sich mittlerweile die Spezialisierung auf leichtere Fälle als optimierte Wertschöpfungskette, die spezialisierten Kliniken satte Einnahmen beschert. Ein betriebswirtschaftlich vernünftiges, aber hinsichtlich einer seriösen, flächendeckenden Versorgung ohne Ansehen der Schwere der Erkrankung umstrittenes Vorgehen. Das medizinische Solidarsystem muss eine Absicherung im Krankheitsfall auch außerhalb von saisonalen und gut honorierten Lifestyle-Wehwehchen sein, betont Schmelter. Dieser in den Grundzügen vom Hippokrates von Kos formulierten ethischen Verpflichtung scheint man sich hier in dem innovativen Gemeinschaftsprojekt der Klinik für Psychosomatik in Schweinfurt besonders bewusst zu sein.
(Rebecca Koenig)
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