Kommunales

In Würzburg organisiert die Caritas zweimal im Jahr einen Gottesdienst für Menschen mit Demenz. (Foto: Christ)

22.07.2016

Für „demenzfreundlichere“ Kommunen

Wie bayerische Städte und Gemeinden auf die steigende Zahl betroffener Senioren reagieren

Immer mehr Menschen erkranken an Demenz. Diese Entwicklung stellt auch die Kommunen vor enorme Herausforderungen. Viele Städte und Gemeinden wollen deshalb ihre Infrastruktur „demenzfreundlicher“ gestalten. In einigen Orten gibt es bereits Kontaktstellen für Betroffene und Angehörige. Im oberpfälzischen Landkreis Schwandorf wurde bereits vor fünf Jahren das Demenznetzwerk DeNiS etabliert. Durch DeNiS entstanden seit 2011 Helferkreise, Betreuungsgruppen und Gesprächskreise für Angehörige. Um die Öffentlichkeit für das Thema Demenz zu sensibilisieren, wurde laut Hans Prechtl, Büroleiter des Landrats, letztes Jahr im Sommer das Theaterstück Ich erinnere mich genau aufgeführt.

Das zeigte in realistischer Weise, was es bedeutet, eine Demenz zu bekommen. „Auch Tanznachmittage für Betroffene und Angehörige gehören bei uns inzwischen zum festen Programm“, erläutert Prechtl. Kürzlich wurden Mitarbeiter von Banken über das richtige Verhalten gegenüber Menschen mit Demenz am Schalter geschult, als Nächstes folgte ein kostenloser Kursus für Angehörige.
Bamberg zertifiziert

„Geschulte Partner“


2011, also im selben Jahr wie Schwandorf, gründeten auch die kreisfreie Stadt und der Landkreis Bamberg zusammen mit der Bamberger Alzheimer-Gesellschaft eine Demenzinitiative in Oberfranken. „...weil Demenz uns alle angeht!“ lautet der Titel des Projekts. Drei Ziele würden verfolgt, erläutert Koordinatorin Sina Wicht: „Wir wollen die Allgemeinheit sensibilisieren, Betroffene und Angehörige unterstützen sowie Synergien in den bestehenden Strukturen fördern.“ Zu den konkreten Projekten, die in Bamberg in den vergangenen Jahren realisiert wurden, gehört die Initiative „Geschulte Partner“: Einzelhändler, Gastronomen, Dienstleister, Bankangestellte und Behördenmitarbeiter werden in einem Crashkurs einen Vor- oder Nachmittag lang für den Umgang mit dementen Menschen sensibilisiert. „In acht Kursen wurden bisher rund 150 Personen geschult, weitere 200 Personen wurden über interne Kurzveranstaltungen der ‚Geschulten Partner’ erreicht“, informiert Sina Wicht.

35 Einrichtungen in und um Bamberg sind heute als „Geschulte Partner“ zertifiziert. Dazu gehören der Bamberger Familientreff, der Migrationsbeirat, die städtische Stabsstelle Soziales sowie zwei Optikergeschäfte. Auch die Gemeindeverwaltung in Breitengrüßbach im Bamberger Landkreis, die Stadtbücherei in Hallstadt, der Familienstützpunkt in Hirschaid sowie das Ordnungsamt in Schlüsselfeld gehören der Initiative an. Wichtigste Aufgabe der „Geschulten Partner“ ist es, nach außen zu signalisieren: „Menschen mit Demenz gehören dazu und sind bei uns willkommen!“

Vernetzen als kommunale Aufgabe


Im schwäbischen Kaufbeuren hat man Bürger mit Demenz ebenfalls im Blick. „Unsere Stadt ist Kooperationspartner der Demenzhilfe Allgäu“, erläutert Pressesprecherin Andrea Hiemer. Die Demenzhilfe wiederum ist ein Projekt der Standortgesellschaft Allgäu GmbH. Es zielt darauf ab, im gesamten Allgäu Kontaktstellen für Demenzkranke und Angehörige aufzubauen und zu vernetzen. In Kaufbeuren selbst ist die Kontaktstelle bei der „Blauen Blume Schwaben“ angesiedelt, einem Verein, der sich seit vielen Jahren für ältere Menschen mit psychischen Krankheiten engagiert. „Wir von der Stadt Kaufbeuren unterstützen außerdem das Selbsthilfebüro Kempten“, so Hiemer. Über dieses Büro werden in Kaufbeuren zwei Selbsthilfegruppen für Angehörige von Demenzkranken organisiert. Eine Selbsthilfegruppe richtet sich an pflegende Partner, eine weitere an pflegende Töchter und Söhne.

Gemeinsam einkaufen, kochen, Wohnung putzen


Als deutschlandweiter Pionier in Sachen Versorgung älterer Menschen mit Demenz gilt der Würzburger Verein „Halma – Hilfe für alte Menschen im Alltag“. 1992 ging die Initiative aus einem Modellprojekt des Bundesgesundheitsministeriums hervor. Würzburg war damit die erste deutsche Kommune, die versuchte, durch die Vernetzung der vorhandenen Dienste und Einrichtungen eine angemessene Versorgung psychisch erkrankter Senioren zu ermöglichen. Würzburgs ehemaliger Sozialreferent Peter Motsch gab den Anstoß für das Modellprojekt, das vier Jahre lang gefördert wurde.

Das Herzstück des Vereins besteht aus heute mehr als 70 Frauen und Männern, die als Alltagshelfer Angehörige von Demenzkranken entlasten. Jeder Alltagshelfer besucht regelmäßig einen oder mehrere ältere Menschen. Die Helfer gehen gemeinsam mit dem dementen Menschen einkaufen, sie kochen zusammen, helfen, die Wohnung zu reinigen, begleiten zu Veranstaltungen und zum Arzt. Auf diese Weise werden Angehörige entlastet. Viermal im Jahr findet ein Tanz-Café statt. Bis zu 80 Gäste aus der Region folgen laut Halma-Leiterin Sabine Seipp stets der Einladung. Durch das Tanz-Café soll Angehörigen und ihren kranken Partnern die Möglichkeit zu neuen sozialen Kontakten eröffnet werden.
Halma beteiligt sich auch am Projekt „Demenzgottesdienst“ des Würzburger Kreiscaritasverbands. Jeweils nach den Gottesdiensten informieren gerontopsychiatrische Fachkräfte von Caritas und Halma über Entlastungsangebote für Angehörige und Hilfen für den Pflegealltag. Die oberbayerische Stadt Ingolstadt arbeitet in Sachen „Demenzfreundlichkeit“ mit der Ingolstädter Ingenium-Stiftung für Menschen mit Demenzerkrankungen zusammen.

Wenn der Klinikaufenthalt zum Albtraum wird


Einer der Schwerpunkte der Stiftungsarbeit liegt derzeit auf dem Thema „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“. Dabei arbeitet die Stiftung mit dem Landesverband Bayern der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zusammen. Für demente Menschen kann ein Klinikaufenthalt schnell zum Albtraum werden, so Winfried Teschauer von der Ingenium-Stiftung. Die fremde Umgebung, fremde Menschen und Abläufe, die nicht verstanden werden, flößen Angst ein: „In der Folge entstehen Verwirrtheitszustände und herausforderndes Verhalten.“ In Schulungen erhalten Pflegekräfte und Ärzte einen neuen Blick auf Demenzkranke, ihre Bedürfnisse und Reaktionen. Teschauer weiter: „Eine Untersuchung in der zweiten Projektphase ergab, dass 60 Prozent der Befragten keinerlei Vorkenntnisse zum Thema Demenz hatten.“
(Pat Christ)

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