Kommunales

Weltstadt mit Herz – aber zu wenig Geld fürs dringende Bedürfnis. (Foto: ddp)

20.08.2010

In den Städten stink's

Viele bayerischen Kommunen haben Probleme mit den öffentlichen Toiletten

In München stinkt es gewaltig. Zumindest in der Unterführung am Marienplatz. Denn dort ist eine öffentliche Toilette. Wo tagtäglich tausende Touristen ankommen, um die gepflegte Altstadt zu bewundern, riecht es durchdringend nach Urin. In der Bedürfnisanstalt selbst ist es noch schlimmer. „Ekeligst!“, ruft eine Besucherin, als sie fluchtartig die Tür hinter sich zuwirft. „ Ich hab noch nie so ein stinkiges Klo erlebt.“
Öffentliche Bedürfnisanstalten sind in den meisten bayerischen Städten zweifach problematisch. Zum einen sind – wie am Münchner Marienplatz – viele Anlagen marode und werden zudem von vandalierenden Besuchern verunstaltet. Zum anderen existieren insgesamt viel zu wenige Anlagen.
Traditionell sind die Städte verantwortlich für öffentliche Toiletten. Manchmal können sie die Verkehrsbetriebe dazu gewinnen, sich finanziell zu beteiligen. Doch oft weigern diese sich.
In München gibt es 72 öffentliche WC-Anlagen. Das bedeutet, dass eine Toilettenanlage auf über 18 000 Einwohner kommt – die Touristen sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt.
Der Erhalt dieser Toiletten ist ungewiss. Für ihren Unterhalt zahlt die Stadt jährlich 1,2 Millionen Euro. Eine Sanierung würde Presseberichten zufolge 6,3 Millionen Euro kosten. Die Landeshauptstadt sucht nach Auswegen. Bereits seit 2005 beauftragt der Stadtrat regelmäßig das Kommunalreferat, die Toiletten zu privatisieren. Doch bis heute waren die Angebote privater Firmen der Stadt zu teuer. Deshalb könnten nun öffentliche Bedürfnisanstalten geschlossen werden.

Auf Wirte abwälzen

Kommunalreferentin Silke Pesik betonte Ende Juli im Stadtrat, dass, um Kosten zu reduzieren alle Möglichkeiten geprüft werden müssten. Frank-Ulrich John, Sprecher des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern, befürchtet, dass die Stadt Verantwortung abwälzen will. „Bei Schließungen würden die Kosten stillschweigend den Hotels und Gaststätten aufgebürdet“, sagt John. Er spricht von einer „massiven Belastung“.
München ist nicht die einzige bayerische Stadt, der es schwer-fällt, genügend saubere öffentliche Toiletten anzubieten. Die Stadt Nürnberg hat seit 2004 15 Toiletten geschlossen, um Geld zu sparen. Hans-Peter Kauppert vom Servicebetrieb öffentlicher Raum Nürnberg begründet: „Die geschlossenen Toiletten waren wenig frequentiert und durch Vandalismus stark beschädigt.“ Heute stehen Einwohnern und Besuchern nur 34 öffentliche Bedürfnisanstalten zur Verfügung – eine pro 15 000 Einwohner. Dafür wolle die Stadt nun mit dem eingesparten Geld die anderen Toiletten sanieren und neue bauen, sagt Kauppert. Tatsächlich hat die Stadt kürzlich eine selbstreinigende Toilette installiert, zwei weitere sollen folgen. Die neuen Toiletten gehören jedoch nicht der Stadt, sondern sind von einem privaten Betreiber gemietet. Über die Kosten dafür schweigt sich Kauppert aus. Einen Teil der Summe decken jedenfalls die Besucher selbst ab: Pro Klogang müssen sie 50 Cent einwerfen.
Die Stadt Würzburg hingegen hat es geschafft, ohne große Ausgaben neue frei zugängliche Toiletten zu erschließen: Seit Juli nimmt Würzburg an dem Projekt „Nette Toilette“ teil. Hierbei stellen Gastronomie und Einzelhandel ihre Toiletten gratis zur Verfügung und erhalten dafür von der Stadt eine Aufwandsentschädigung. Ein Aufkleber an der Tür zeigt an, wer an dem Projekt teilnimmt.
Für die Stadt sei dieses Modell wesentlich günstiger, als eigene Toiletten zu unterhalten, sagt Sprecher Georg Wagenbrenner. Würzburg zahlt jährlich 33 000 Euro für die „netten Toiletten“, die teilnehmenden Betriebe erhalten bis zu 100 Euro monatlich. Zudem können sie darauf hoffen, neue Kunden zu gewinnen.
Die Idee der „Netten Toilette“ stammt von einer Baden-Württembergischen Werbeagentur, die für alle teilnehmenden Städte Aufkleber und Stadtpläne druckt. Bislang nehmen über 100 Städte an dem Projekt teil, davon zwölf in Bayern. Mindelheim im Unterallgäu etwa hat bereits im Mai 2009 die „Nette Toilette“ eingeführt. Vorher gab es dort nur zwei öffentliche Bedürfnisanstalten, heute sind es zehn frei zugängliche Toiletten – eine pro 1400 Einwohner. Damit steht Mindelheim sehr gut da. Zudem kommt die Stadt mit 30 Euro monatlich pro Teilnehmer günstig davon. Sowohl die Stadt als auch die Betriebe seien zufrieden, sagt Renate Manlig von der Tourist-Information Mindelheim.

Mehr Örtchen in Würzburg

In Würzburg ist es noch zu früh für eine abschließende Bewertung. Doch die Zahlen sprechen für sich. Seit Beginn der Aktion haben sich noch drei weitere Gastwirte angemeldet, die ebenfalls teilnehmen wollten. Heute kommen in Würzburg auf 18 öffentliche Toilettenanlagen 33 „Nette Toiletten“, so dass sich nur 2500 Einwohner eine Anlage teilen. „Die Leute in Würzburg sagen, das ist eine super Geschichte“, sagt John von der DEHOGA Bayern. Er kann sich vorstellen, dass das Konzept Zukunft hat – wenn Stadt und Gastwirte miteinander reden und gemeinsam eine Lösung finden.
Doch nicht immer haben Gastwirte Interesse an einer Kooperation. Die Stadt Nürnberg wollte bereits 2005 die „Nette Toilette“ einführen. „Wir haben versucht, die Gastronomen zu gewinnen, aber die Resonanz war sehr mau“, erinnert sich Kauppert. So kam das Projekt nicht zustande.
Auch in München ist inzwischen eine Kooperation zwischen Gastwirten und Stadt im Gespräch, um für mehr öffentliche WCs zu sorgen. Einzelheiten will die Stadt jedoch erst Ende des Jahres bekannt geben.
John von der DEHOGA sieht die Situation in Bayern derweil optimistisch. „Man sagt ja, dass man die Kultur eines Volkes an seinen Toiletten erkennt“, sagt er. „Und deshalb mache ich mir in Bayern keine Sorgen.“ (Antonia Schäfer)

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