Kommunales

Mal was anderes als Rosen, Nelken oder Tulpen im Stadtgrün. (Fotos: Pelke)

11.09.2015

Kiffen leicht gemacht

Unbekannte pflanzen auf öffentlichen Grünflächen in Erlangen Hanf an – zum Ärger der Ordnungsbehörden

In Erlangen wachsen seit einiger Zeit auf öffentlichen Grünflächen Hanfpflanzen. Die Pflanzer sind anonym, die Polizei machtlos, die politische Botschaft aber klar: eine Legalisierung von Cannabis zum Eigenbedarf. Das hat man auch im Stadtrat der Studentenstadt verstanden: Nach den Grünen zeigen nun auch Liberale Verständnis für die Kiffer.

Etwas ungewöhnliche Gärtner treiben in Erlangen ihr Unwesen. Überall in der Stadt haben sie Samen ausgesetzt. In Blumenkübeln vor Apotheken und in Balkonkästen vor Gaststätten. Nun scheint die Saat der Cannabis-Aktivisten langsam aufzugehen. Zur Freude von vielen Hanf-Freunden. Das Gras ist an einigen Ecken in Erlangen unter freiem Himmel aus der Erde geschossen.
„Ich wäre stolz darauf, wenn ich auf die Idee gekommen wäre und es getan hätte“, sagt Joe, der gerade in Erlangen eine Ausbildung macht. Beim abendlichen Bummel durch die Gassen der Studentenschaft traut er seinen Augen kaum. „In einem Beet vor dem Bahnhof stand eine richtig schöne Hanfpflanze“, erzählt Joe. Freilich hat der junge Mann gleich die Kamera gezückt und ein paar Fotos von den zarten Cannabis-Gewächsen gemacht. Kein hundert Meter weiter haben Joe und seine Freunde am gleichen Abend noch eine Hanfpflanze im Straßendschungel entdeckt. Hinter dem Wildwuchs vermutet Joe eine spaßige Protestaktion für die Legalisierung von Marihuana. „Ich finde diese Garten-Guerilla absolut cool“, sagt Joe, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

THC-Gehalt von 20 Prozent


Schließlich ist das Anbauen dieser Kulturpflanze in Deutschland nicht erlaubt. Freilich, gibt Joe zu, zündet er sich manchmal nach der Arbeit eine Haschzigarette an. „Klar rauche ich ab und zu mal einen Joint. Ich sehe da kein Problem drin“, sagt Joe. Er kenne leider auch Leute, die es mit dem „Kiffen“ übertreiben würden. „Aber das gibt es beim Alkoholkonsum doch genauso. Die krasse Strafverfolgung steht jedenfalls in keinem Verhältnis zur Gefährlichkeit der Droge“, findet Joe. Genaue Verzeichnisse der Pflanzenstandorte gibt es freilich nicht. Die meisten Pflanzen sind mittlerweile wohl auch schon ein Opfer der Gartenschere geworden. Denn strafrechtlich betrachtet ist die Aktion des unbekannten „Gras-Guerilleros“ durchaus heikel. „Der Anbau von Cannabis ist strafbar“, sagt die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke. Wenn die Polizei eine Pflanze entdeckt, leitet die Staatsanwaltschaft einen Verfahren gegen Unbekannt ein.
Der Anbau von Cannabis im öffentlichen Raum würde sogar strenger geahndet als der private Anbau. Schließlich seien die Pflanzen mit den markant gezackten Blättern beispielsweise auch für Minderjährige so leichter zugänglich, erklärt Gabriels-Gorsolke. „Uns wurde keine Hanf-Sichtung in der Stadt gemeldet“, sagt Christoph Kintopp von der kommunalen Abteilung für Stadtgrün. „Wenn wir Cannabis-Pflanzen irgendwo entdecken, dann zupfen wir sie heraus.“ Schließlich würden die tropischen Gewächse in städtischen Grünflächen sofort auffallen. „Hanf wächst wie Unkraut. Besonders bei diesen Temperaturen, ist sich der Fachmann sicher. Übersehen könne man die Gewächse im Sommer also kaum. „Eine Hanfpflanze, der es gut geht, wird so groß wie eine Maisstaude. Die kann man praktisch nicht übersehen, wenn man sie erkennt.“, sagt Kintopp. Wo Vogelfutter ausgelegt werde, könne schon mal wilder Hanf in der Stadt keimen. Auf städtischen Rasenflächen würden die Pflanzen freilich schnell abgemäht.
Die Erlanger Grünen fordern seit Jahren eine kontrollierte Freigabe des Cannabis. Seit neuestem plädiert auch der Ortsverband der Liberalen in der Studentenstadt für eine Entkriminalisierung des Hanf. „Ich bin aber überhaupt kein Freund der Cannabis-Legalisierung“, sagt Lars Kittel, der seit 13 Jahren für die FDP im Erlanger Stadtrat sitzt. Das Cannabis aus der „Hippie-Flower-Power-Zeit“ habe einen Wirkstoffgehalt von zwei bis drei Prozent gehabt. „Das aktuelle Zeug ist viel stärker und hat einen THC-Gehalt von bis zu 20 Prozent“, sagt der Fachanwalt für Strafrecht, der in seiner Erlanger Kanzlei häufig Cannabis-Konsumenten juristisch betreut.

Verboten nach Paragraph 29 des Betäubungsmittelgesetzes


Nach Paragraph 29 des Betäubungsmittelgesetzes sind Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe, Veräußerung, Erwerb und Besitz von allen Pflanzenteilen des Cannabis strafbar, sofern keine Genehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vorliegt. Der Konsum an sich von Cannabis steht aber kurioserweise nicht auf dieser Liste. Das Rauchen ist also theoretisch erlaubt. Schließlich ist die so genannte „Selbstschädigung“ in Deutschland straffrei, solange man dabei keine anderen gefährdet. Die Länder haben auch Höchstmengen für den Eigenbedarf festgelegt. In Bayern sind dies sechs Gramm.
Allerdings sei die Strafverfolgung in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, weiß Lars Kittel. „Die Strafverfolgungspraxis in Bayern ist viel härter als in anderen Bundesländern“, sagt der Strafrechtler aus Erlangen. Wer mit Kleinstmengen zum ersten Mal erwischt wird, kann zwar mit einer Einstellung des Verfahrens rechnen. Allerdings steige bei Wiederholungstätern das Strafmaß mit der Häufigkeit der Delikte empfindlich an. Wer viel Gras oder Hasch besitzt oder gar damit einen regen Handel betreibt, dem drohen empfindliche Strafen bis zum Freiheitsentzug. Überhaupt keinen Spaß versteht die Justiz bei der Weitergabe von Cannabis an Minderjährige, weiß Kittel. Selbst wenn der „Gelegenheitskiffer“ nicht fürchten müsse, schnell im Gefängnis zu landen, drohe großer Ärger mit den Führerscheinstellen. Auch wenn die Justiz ein Verfahren einstellt, kassieren Städte und Landkreise in der Regel den Führerschein ein, berichtet Kittel.
Azubi Joe wünscht sich einfach, dass er sich „nach einem Joint am Lagerfeuer nicht wie ein Krimineller fühlen“ muss. Außerdem findet er die Pflanzen schön, besonders die in Erlangen. Von der Politik wünscht sich Joe langfristig ein Einsehen. Durch eine Freigabe erhofft er sich, dass Cannabis-Konsumenten nichts mehr mit kriminellen Dealern zu tun haben müssen. Deswegen fuhr er auch am 8. August zur Internationalen Hanfparade nach Berlin fahren um vor dem Bundestag „Gebt das Hanf frei!“ zu rufen. In den letzten Jahren seien die Bayern dort fast unter sich gewesen. „In vielen anderen Bundesländern ist Kiffen kein Problem mehr“, berichtet Joe neidvoll. (Nikolas Pelke)

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